Während Antisemiten in der Vergangenheit die Juden als moderne »wurzellose Kosmopoliten« ansahen, konstruiert der heutige Antisemitismus sie als obsolet, gerade weil sie mit ihren Wurzeln, ihrem Land, ihrer Gemeinschaft, ihrer Herkunft verbunden sind. Die Juden werden heute als reaktionäre Kraft wahrgenommen, die den Fortschritt der Menschheit auf dem Weg zum Mul-tikulturalismus behindert. Der Antisemit von einst betrachtete die Juden als eine minderwertige Rasse; heute betrachtet er sie als rassistisch. Durch einen Rückblick auf die Entstehung eines theoretischen Diskurses über Trauma, Erinnerung, Opfer, Leiden, den Holocaust und die Juden in der Nachkriegszeit untersucht Bruno Chaouat die Verwicklung des »französischen Denkens« in intellektuelle, literarische und ideologische Komponenten des globalen und lokalen Aufschwungs des Antisemitismus. Der Autor untersucht das Erbe Heideggers in Frankreich und zeigt die Unzulänglichkeiten der postkolonialen Theorie angesichts der Herausforderung des islamischen Terrorismus und des Judenhasses auf.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Benjamin Schlodder applaudiert Bruno Chaouat für seine differenzierte Auseinandersetzung mit Theorien des Poststrukturalismus und der Dekonstruktion in ihrem speziellen Verhältnis zum grassierenden Antisemitismus. Denn der Autor mache hier in theoretisch versierten Analysen von Texten etwa von Judith Butler oder Giorgio Agamben nachvollziehbar, was diese Theorien, bei Chaouat im Kontext seines US-amerikanischen Arbeitsumfelds auftretend als "French Theory", in dieser Hinsicht so angreifbar macht: Nämlich dass die dortige "Idealisierung" des Diaspora-Judentums mit seiner Tendenz zur Deterritorialisierung in eine ähnliche Richtung zu zeigen scheint wie der gegenwärtige "sich antizionistisch gebende" Antisemitismus, wie Schlodder den Autor zusammenfasst. Wie Chaouat dies konkret an Texten aufzeigt, aber differenziert diskutiert und dann doch die Nuancen der French Theory verteidigt, der dieser vereinfachende Vorwurf nicht gerecht würde, findet der Kritiker "inspirierend". Er hofft auf eine große Leserschaft vor allem an Universitäten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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