Das "dunkle Jahrhundert" des italienischen Barock: außenpolitische Bedeutungslosigkeit und spanische Fremdherrschaft, schlechte Verwaltung und allgegenwärtige Korruption, Herrschaft eines fanatischen Klerus und blutsaugerischen Adels, Pest und wirtschaftlicher Niedergang, Verfolgung der Intelligenz (der Fall Galilei) durch Inquisition und Index, barocker Schwulst und sinnlose Ressourcenverschwendung - so das herkömmliche Bild des "secolo di decadenza". Peter Hersche entwirft demgegenüber eine völlige Neuinterpretation des barocken Zeitalters in Italien zwischen 1600 und 1750. In seiner neugewichteten Darstellung des italienischen Südens, dem Leben von Adel, Klerus und gewöhnlichem Volk, Sexualität, Ehe und Familie, Bruderschaften, Stiftungswesen und Laienfrömmigkeit, dem Niedergang von Gewerbe und Handel bei gleichzeitigem Aufblühen einer neuzeitlichen Landwirtschaft, sowie der gewaltigen Bedeutung von Kunst und Musik im Barock zeigt er die Epoche als große Konsolidierungsphas e,die Italien ein langes "goldenes" Zeitalter beschert.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Bei Hersche, so meint der Rezensent Markus Völkel, stelle sich das italienische Barock als eine Zeitinsel dar, als ein Widerstand gegen die unerbittliche Dynamik des Modernisierungsprozesses in der europäischen Geschichte und als Rückzug in eine ländliche Idylle. Und die Früchte dieses Stillstands fallen naturgemäß der Kultur zu. Dieser Kultur wolle Hersche ganz im Sinne der neueren Kulturgeschichte, wie sie etwa in Frankreich betrieben wird, einen politischen Status geben. Völker findet das sympathisch. Das Buch sei eine Liebeserklärung an Italien.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH