Bis heute wartet Milos Crnjanski, der größte serbische Autor des 20. Jahrhunderts, in Deutschland auf seine Entdeckung. Die 1959 erschienene Autobiographie - ihr Titel zitiert den frühen, bahnbrechenden Gedichtzyklus "Ithaka" - ist ein unvergleichliches literarisches Dokument. Mitteleuropäische Sujets, wie wir sie von Kosztolányi und M. Blecher kennen, entfalten sich im faktographischen Stil der linken russischen Avantgarde. Niemand hat die letzten Tage der Donaumonarchie, das Grauen in den Schützengräben Galiziens, die ersten Jahre des Königreichs Jugoslawien härter und bitterer beschrieben. In dieser lapidaren Protokollprosa steht das unscheinbare Detail so lückenlos neben der weltgeschichtlichen Katastrophe, daß beides gleich schwer oder leicht wiegt.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Mit dem Titel des vorliegenden, 1959 erschienenen Buchs führt der serbische Autor Milos Crnjanski die Kenner seines Werks spielerisch in die Irre. "Ithaka" hieß der Gedichtband, der ihn 1919 bekannt gemacht hatte, um Kommentare dazu in irgendeinem wörtlichen Sinn handelt es sich hier aber nicht. Vielmehr schrieb Crnjanski unter diesem Titel - die Titel seiner Gedichte freilich wiederum als Kapitelüberschriften wählend - seine Autobiografie. Vom Aufwachsen im ethnisch gemischten Temesvar bis auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs reicht der Bericht - jedoch hält er sich bei letzterem, so einschneidend er als Erlebnis für ihn war, recht dezent zurück, stellt die Rezensentin Olga Martynova fest. Hoch aufschlussreich findet sie dieses Buch nicht nur für die Leser und Kenner des in seiner Heimat hochberühmten Autors, sondern auch als Einblick ins durchaus explosive Gemisch des k.u.k-Reichs. Auch interessant: Neben der eher "nüchternen" Autobiografie gibt es die Schilderung der Ereignisse unter dem Titel "Das Tagebuch von Carnojevis" auch als "fieberhaft modernistischen" Roman.
© Perlentaucher Medien GmbH
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