J. Robert Oppenheimer leitete das geheime militärische Forschungsunternehmen in Los Alamos und gilt daher als der "Vater der Atombombe". Wie kam ein brillanter Wissenschaftler, der sich aus Neigung der theoretischen Atomphysik verschrieben hatte, zu dieser ungewöhnlichen Aufgabe?
Klaus Hoffmann liefert uns ein faszinierendes Bild der Persönlichkeit Oppenheimers vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Entdeckungen seiner Zeit. In der lebendig geschriebenen, faktenreichen Biographie zeigt er, wie der Forscher, der nach dem 2. Weltkrieg zwischen die Mahlsteine der Politik geriet, mit seinem Schicksal und dem Trauma umging, das atomare Feuer als erster auf dieser Erde gezündet zu haben.
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Klaus Hoffmann liefert uns ein faszinierendes Bild der Persönlichkeit Oppenheimers vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Entdeckungen seiner Zeit. In der lebendig geschriebenen, faktenreichen Biographie zeigt er, wie der Forscher, der nach dem 2. Weltkrieg zwischen die Mahlsteine der Politik geriet, mit seinem Schicksal und dem Trauma umging, das atomare Feuer als erster auf dieser Erde gezündet zu haben.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.1995Die Waffe für einen einzigen Augenblick
Klaus Hoffmanns Porträt von J. Robert Oppenheimer, dem zweifelnden Schöpfer der Atombombe
Als am 16. Juli 1945 in der Wüste von Neu-Mexiko die erste Atombombe detonierte, wurde der wissenschaftliche Leiter des Vorhabens, J. Robert Oppenheimer, leichenblaß. Angesichts des gewaltigen Rauchpilzes zitierte er den Gott Krishna aus dem indischen Bhagavadgita-Epos: "Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten." Und der für die Explosion technisch verantwortliche Kenneth T. Bainbridge soll nach rasch verklungenem Jubel der Beteiligten nachdenklich geäußert haben: "Oppie, jetzt sind wir alle Hurensöhne." Das Leben des zwiegestaltigen Oppenheimer schildert Klaus Hoffmann in dem Buch "J. Robert Oppenheimer - Schöpfer der ersten Atombombe".
Zeit seines Lebens hat sich der ehemalige Leiter des Manhattan-Projekts nie vom Bau der Atombombe distanziert. Selbst in Japan sagte er einmal, er würde noch einmal daran mitarbeiten. Allerdings bezog er sich dabei nur auf die Umstände, die im Zweiten Weltkrieg vorlagen. Gleichzeitig plädierte er immer wieder dafür, die Atombomben ganz abzuschaffen oder zumindest deren Bestand international zu überwachen, weil sie kein geeignetes Werkzeug des Krieges seien. Nach der Zerstörung Hiroshimas war er noch stolz gewesen, nach der Bombardierung Nagasakis schon deprimiert und verbittert, weil er eine langandauernde, schmerzvolle und menschenunwürdige Agonie der Überlebenden voraussah.
Die amerikanische Regierung hatte der Entwicklung einer Atombombe lange Zeit skeptisch gegenübergestanden. Mehrere bedeutende Physiker hatten in einem von Albert Einstein unterschriebenen Brief Präsident Roosevelt nach der Entdeckung der Uranspaltung durch Otto Hahn und Fritz Straßmann zwar auf die Gefahr einer deutschen Bombe hingewiesen. Daraufhin setzte Roosevelt auch eine Untersuchungskommission ein. Aber die militärische Führung signalisierte Desinteresse, weil die Bomben nach Meinung der meisten Wissenschaftler für den Transport in einem Flugzeug zu schwer sein würden.
Die Wende kam erst, als die Amerikaner erfuhren, daß britische Forscher viel geringere Massen berechnet hatten. Oppenheimer war bei einem der streng geheimen Informationsgespräche zufällig dabei, weil die Beteiligten irrtümlich annahmen, er wisse über die Vorgänge Bescheid. Obwohl er 1940 und 1941 mit der Sowjetunion sympathisiert hatte - nicht aus politischer Überzeugung, sondern weil er über die durch die Wirtschaftskrise ausgelöste Armut in den Vereinigten Staaten und die Judenverfolgung in Deutschland empört war -, wurde er 1942 zum Leiter des Manhattan-Projekts für den Bau der Atombombe ernannt. Er galt als einer der intelligentesten und fähigsten Physiker. Sein Handwerk hatte er in den besten Universitäten und bei den besten Lehrern - unter anderem Max Born in Göttingen - gelernt. Daneben kannte er sich aus in Philosophie, Literatur und Kunst und sprach mehrere Sprachen fließend.
In Los Alamos trieb Oppenheimer das Manhattan-Projekt zügig voran. Dabei war sein Augenmerk nicht nur auf die Technik gerichtet. Oft diskutierte er auch mit den anderen Physikern darüber, ob die Explosion einer Atombombe einen Weltbrand auslösen könnte. Hans Bethe fand schließlich heraus, daß diese Gefahr nicht bestand. Oppenheimer hat damals Pläne zur Entführung Werner Heisenbergs unterstützt, mit der man den Bau einer deutschen Bombe verhindern wollte. In Los Alamos kursierten sogar Ideen, Heisenberg zu töten und - sollte sich der Bau der Bombe in Amerika verzögern - das deutsche Trinkwasser radioaktiv zu verseuchen. Oppenheimers Vorschlag, in der Zeitschrift "Physical Review" irreführende kernphysikalische Artikel zu veröffentlichen, die ein Desinteresse an der Bombe suggerieren sollten, blieb ohne Resonsanz.
In dem Gremium, das 1945 die Ziele für die amerikanischen Bomben in Japan aussuchte - Deutschland hatte zu der Zeit schon kapituliert -, hat auch Oppenheimer ein gewichtiges Wort mitzusprechen gehabt. Auf der Liste stand zunächst neben Hiroshima und anderen Städten die alte Kaiserstadt Kyoto. Dem Kriegsminister Stimson ist es zu verdanken, daß Kyoto verschont wurde. Dafür wurde Nagasaki auf die Liste gesetzt.
Als die amerikanischen Bomben einsatzbereit waren, hatten sie ihre eigentliche militärisch-strategische Funktion bereits verloren. Auch ohne den Abwurf der Bomben hätte Japan bald kapituliert. Trotzdem befahl Präsident Truman den Angriff ohne Vorwarnung. Er wollte die amerikanische Macht Stalin gegenüber demonstrieren, dessen Wissenschaftler mit den Kenntnissen der Atomspione wie Klaus Fuchs längst an einer eigenen Bombe arbeiteten.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Oppenheimer Los Alamos den Rücken und ging zur Universitätsforschung zurück. Bald wurde er auch Vorsitzender des Beraterausschusses der Atomenergie-Kommission, die über den Bau neuer Atomwaffen und Kernkraftwerke entschied. Als solcher versuchte er eine Zeitlang, die Entwicklung einer Wasserstoffbombe zu verhindern, die er für technisch nicht machbar, militärisch überflüssig und moralisch bedenklich hielt. Dies schuf ihm Feinde, die ihn schließlich in der McCarthy-Ära mit einer unfair geführten Anhörung zu Fall brachten. Oppenheimer hat dies - trotz aller späteren Ehrungen - nie verwunden.
Auf anschauliche Weise zeichnet das Buch das Bild eines Physikers, der sich sowohl dem Patriotismus als auch der Moral verpflichtet fühlte und immer wieder Entscheidungen zugunsten der einen oder der anderen Seite treffen mußte. Daß er dabei hin und her gerissen wurde, war unausweichlich. Dem Autor ist es gelungen, die sich dadurch ergebenden Widersprüche verständlich zu machen. GÜNTER PAUL
Klaus Hoffmann: "J. Robert Oppenheimer - Schöpfer der ersten Atombombe". Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1995. 314 S., geb., 48,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Klaus Hoffmanns Porträt von J. Robert Oppenheimer, dem zweifelnden Schöpfer der Atombombe
Als am 16. Juli 1945 in der Wüste von Neu-Mexiko die erste Atombombe detonierte, wurde der wissenschaftliche Leiter des Vorhabens, J. Robert Oppenheimer, leichenblaß. Angesichts des gewaltigen Rauchpilzes zitierte er den Gott Krishna aus dem indischen Bhagavadgita-Epos: "Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten." Und der für die Explosion technisch verantwortliche Kenneth T. Bainbridge soll nach rasch verklungenem Jubel der Beteiligten nachdenklich geäußert haben: "Oppie, jetzt sind wir alle Hurensöhne." Das Leben des zwiegestaltigen Oppenheimer schildert Klaus Hoffmann in dem Buch "J. Robert Oppenheimer - Schöpfer der ersten Atombombe".
Zeit seines Lebens hat sich der ehemalige Leiter des Manhattan-Projekts nie vom Bau der Atombombe distanziert. Selbst in Japan sagte er einmal, er würde noch einmal daran mitarbeiten. Allerdings bezog er sich dabei nur auf die Umstände, die im Zweiten Weltkrieg vorlagen. Gleichzeitig plädierte er immer wieder dafür, die Atombomben ganz abzuschaffen oder zumindest deren Bestand international zu überwachen, weil sie kein geeignetes Werkzeug des Krieges seien. Nach der Zerstörung Hiroshimas war er noch stolz gewesen, nach der Bombardierung Nagasakis schon deprimiert und verbittert, weil er eine langandauernde, schmerzvolle und menschenunwürdige Agonie der Überlebenden voraussah.
Die amerikanische Regierung hatte der Entwicklung einer Atombombe lange Zeit skeptisch gegenübergestanden. Mehrere bedeutende Physiker hatten in einem von Albert Einstein unterschriebenen Brief Präsident Roosevelt nach der Entdeckung der Uranspaltung durch Otto Hahn und Fritz Straßmann zwar auf die Gefahr einer deutschen Bombe hingewiesen. Daraufhin setzte Roosevelt auch eine Untersuchungskommission ein. Aber die militärische Führung signalisierte Desinteresse, weil die Bomben nach Meinung der meisten Wissenschaftler für den Transport in einem Flugzeug zu schwer sein würden.
Die Wende kam erst, als die Amerikaner erfuhren, daß britische Forscher viel geringere Massen berechnet hatten. Oppenheimer war bei einem der streng geheimen Informationsgespräche zufällig dabei, weil die Beteiligten irrtümlich annahmen, er wisse über die Vorgänge Bescheid. Obwohl er 1940 und 1941 mit der Sowjetunion sympathisiert hatte - nicht aus politischer Überzeugung, sondern weil er über die durch die Wirtschaftskrise ausgelöste Armut in den Vereinigten Staaten und die Judenverfolgung in Deutschland empört war -, wurde er 1942 zum Leiter des Manhattan-Projekts für den Bau der Atombombe ernannt. Er galt als einer der intelligentesten und fähigsten Physiker. Sein Handwerk hatte er in den besten Universitäten und bei den besten Lehrern - unter anderem Max Born in Göttingen - gelernt. Daneben kannte er sich aus in Philosophie, Literatur und Kunst und sprach mehrere Sprachen fließend.
In Los Alamos trieb Oppenheimer das Manhattan-Projekt zügig voran. Dabei war sein Augenmerk nicht nur auf die Technik gerichtet. Oft diskutierte er auch mit den anderen Physikern darüber, ob die Explosion einer Atombombe einen Weltbrand auslösen könnte. Hans Bethe fand schließlich heraus, daß diese Gefahr nicht bestand. Oppenheimer hat damals Pläne zur Entführung Werner Heisenbergs unterstützt, mit der man den Bau einer deutschen Bombe verhindern wollte. In Los Alamos kursierten sogar Ideen, Heisenberg zu töten und - sollte sich der Bau der Bombe in Amerika verzögern - das deutsche Trinkwasser radioaktiv zu verseuchen. Oppenheimers Vorschlag, in der Zeitschrift "Physical Review" irreführende kernphysikalische Artikel zu veröffentlichen, die ein Desinteresse an der Bombe suggerieren sollten, blieb ohne Resonsanz.
In dem Gremium, das 1945 die Ziele für die amerikanischen Bomben in Japan aussuchte - Deutschland hatte zu der Zeit schon kapituliert -, hat auch Oppenheimer ein gewichtiges Wort mitzusprechen gehabt. Auf der Liste stand zunächst neben Hiroshima und anderen Städten die alte Kaiserstadt Kyoto. Dem Kriegsminister Stimson ist es zu verdanken, daß Kyoto verschont wurde. Dafür wurde Nagasaki auf die Liste gesetzt.
Als die amerikanischen Bomben einsatzbereit waren, hatten sie ihre eigentliche militärisch-strategische Funktion bereits verloren. Auch ohne den Abwurf der Bomben hätte Japan bald kapituliert. Trotzdem befahl Präsident Truman den Angriff ohne Vorwarnung. Er wollte die amerikanische Macht Stalin gegenüber demonstrieren, dessen Wissenschaftler mit den Kenntnissen der Atomspione wie Klaus Fuchs längst an einer eigenen Bombe arbeiteten.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Oppenheimer Los Alamos den Rücken und ging zur Universitätsforschung zurück. Bald wurde er auch Vorsitzender des Beraterausschusses der Atomenergie-Kommission, die über den Bau neuer Atomwaffen und Kernkraftwerke entschied. Als solcher versuchte er eine Zeitlang, die Entwicklung einer Wasserstoffbombe zu verhindern, die er für technisch nicht machbar, militärisch überflüssig und moralisch bedenklich hielt. Dies schuf ihm Feinde, die ihn schließlich in der McCarthy-Ära mit einer unfair geführten Anhörung zu Fall brachten. Oppenheimer hat dies - trotz aller späteren Ehrungen - nie verwunden.
Auf anschauliche Weise zeichnet das Buch das Bild eines Physikers, der sich sowohl dem Patriotismus als auch der Moral verpflichtet fühlte und immer wieder Entscheidungen zugunsten der einen oder der anderen Seite treffen mußte. Daß er dabei hin und her gerissen wurde, war unausweichlich. Dem Autor ist es gelungen, die sich dadurch ergebenden Widersprüche verständlich zu machen. GÜNTER PAUL
Klaus Hoffmann: "J. Robert Oppenheimer - Schöpfer der ersten Atombombe". Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1995. 314 S., geb., 48,- DM.
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