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'J. Robert Oppenheimer (1904-1967), der "Vater der Atombombe", zählt zu den schillerndsten Figuren der jüngeren Zeitgeschichte. Für ihre glänzende Biographie des "amerikanischen Prometheus" erhielten der Journalist Kai Bird und der Historiker Martin J. Sherwin den Pulitzer-Preis. Exemplarisch lassen sie das Drama eines Forschers lebendig werden, der sich zwischen Erkenntnisdrang und ethischer Verantwortung entscheiden muss. Oppenheimer leitete das streng geheime Manhattan-Projekt in der Wüste von New Mexico, wo am 16. Juli 1945 die erste Atombombe gezündet wurde. Kurz darauf starben in…mehr

Produktbeschreibung
'J. Robert Oppenheimer (1904-1967), der "Vater der Atombombe", zählt zu den schillerndsten Figuren der jüngeren Zeitgeschichte. Für ihre glänzende Biographie des "amerikanischen Prometheus" erhielten der Journalist Kai Bird und der Historiker Martin J. Sherwin den Pulitzer-Preis. Exemplarisch lassen sie das Drama eines Forschers lebendig werden, der sich zwischen Erkenntnisdrang und ethischer Verantwortung entscheiden muss.
Oppenheimer leitete das streng geheime Manhattan-Projekt in der Wüste von New Mexico, wo am 16. Juli 1945 die erste Atombombe gezündet wurde. Kurz darauf starben in Hiroshima und Nagasaki mehr als 200 000 Menschen durch die neue "Wunderwaffe" - die Menschheit war ins Atomzeitalter eingetreten. Erschüttert von der Zerstörungskraft seiner Schöpfung, engagierte sich Oppenheimer fortan gegen den Einsatz nuklearer Waffen. Das machte ihn im Amerika der McCarthy-Ära verdächtig. Er geriet ins Visier des FBI, wurde als Spion der Sowjetunion verleumdet und musste den Staatsdienst quittieren. Sein Privatleben wurde an die Öffentlichkeit gezerrt, seine Wohnung verwanzt, sein Telefon abgehört. Erst 1963 rehabilitierte ihn Präsident Kennedy.
Über dreißig Jahre hinweg haben die Autoren Interviews mit Oppenheimers Angehörigen, Freunden und Kollegen geführt, FBI-Akten gesichtet, Tonbänder von Reden und Verhören ausgewertet und Oppenheimers private Aufzeichnungen eingesehen. Ihre beeindruckend gründliche Biographie gewährt intimen Einblick in diese charismatische Persönlichkeit, bei der Triumph und Tragik so nahe beieinander lagen.
Autorenporträt
Kai Bird, geboren 1951, arbeitet weltweilt als Journalist. Er ist Kolumnist und Mitherausgeber von "The Nation".

Martin J. Sherwin ist emeritierter Professor für angelsächsische Geschichte und wurde mit dem "American History Book Prize" ausgezeichnet. Er ist Mitherausgeber von "The Nation".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2009

Atom und Verrat
Bombenbauer mit Bildung: Kai Bird und Martin J. Sherwin ermitteln noch einmal in Sachen J. Robert Oppenheimer
Die Szene ist kaum belegt, aber sicherlich eine der theatralischsten in der modernen Geschichte: Im Oktober 1945 wird der Physiker J. Robert Oppenheimer ins Weiße Haus eingeladen. Präsident Harry S. Truman wünscht den Rat des Wissenschaftlers, unter dessen Leitung in Los Alamos die Atombombe entwickelt wurde, die zweieinhalb Monate zuvor über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurde. Oppenheimer, der ein geschätzter, bisweilen hypnotisierender Plauderer war, soll plötzlich ernst geworden sein und gesagt haben: „Mr. President, ich glaube, ich habe Blut an den Händen.” Der immer pragmatische Truman, auf dessen Befehl die beiden japanischen Städte ausgelöscht worden waren, reichte Oppenheimer sein Einstecktuch, damit der sich die Hände säubere, und wollte fortan nichts mehr von ihm wissen. Ist die Geschichte wahr?
Kai Bird und Martin J. Sherwin erzählen sie in ihrer Oppenheimer-Biographie und scheinen damit die Legende vom Hl. Robert fortzusetzen. Im amerikanischen Original, das bereits vor vier Jahren erschienen ist, heißt das Buch „American Prometheus”, denn wie der Prometheus der griechischen Sage brachte auch Oppenheimer eine nie zuvor gekannte Kraft unter die Menschen. Die neue Energiequelle strahlte „heller als tausend Sonnen”, wie Robert Jungk die Atomkraft in seinem Bestseller von 1956 nannte. Der Wissenschaftsjournalist Jungk hat zusammen mit Heinar Kipphardt Oppenheimers Nachbild geformt. Kipphardts effektvolles Dokumentardrama „In Sachen J. Robert Oppenheimer” (1964) erhob den Wissenschaftler zum Schmerzensmann, zum beinah schon Schiller’schen Helden, der sich mit alteuropäischem Pathos an die Brust schlägt: „Wir haben das Werk des Teufels getan.”
Oppenheimer hat zwar viel getan und noch mehr gesagt, aber bis zu seinem letzten Atemzug war er stolz darauf, dass er den Bau der Bombe mitverantworten durfte. Er zeigte deshalb ebenso wenig Reue wie Truman. Die Atomkraft und insbesondere ihre militärischen Möglichkeiten faszinierten den schwermütigen Intellektuellen. „Im ersten Akt des Atomzeitalters wollte er in der ersten Reihe sitzen.”
Das passt nicht ganz zu der unermüdlich fortgeschriebenen Überlieferung, wohl aber zum Oppenheimer dieser Biographie, die in manchmal erschöpfender Gründlichkeit zu einem recht widersprüchlichen Porträt gelangt. Der 1904 geborene J. Robert Oppenheimer mag einer der bedeutendsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts gewesen sein, er war vor allem ein Mystiker, den allerdings Skrupel plagten, weil er reich war. Er trug gute Anzüge, fuhr jedes Jahr ein neues Auto und pflegte insgesamt einen wesentlich aufwendigeren Lebensstil als seine Kollegen, weil er von seinem Vater Geld geerbt hatte. Nicht zuletzt um sein Gewissen zu beruhigen, unterstützte er Anliegen, die ihm von bekennenden Kommunisten präsentiert wurden. Als Jude kannte er den amerikanischen Antisemitismus und wollte die Bombe bauen, um den Nationalsozialismus zu besiegen. Er hatte unter anderem in Göttingen studiert und wusste daher, wozu deutsche Wissenschaftler fähig waren. Zweifler beruhigte er mit der Frage: „Und was ist, wenn die Nazis sie als Erste haben?”
Im spanischen Bürgerkrieg besiegten Francos Faschisten mit deutscher und italienischer Unterstützung die Republik. Oppenheimer gab Tausende Dollars für die republikanische Seite, während die amerikanische Regierung am Waffenembargo festhielt. An seiner späteren Frau Katherine (Kitty) interessierte ihn nicht, dass sie Mitglied der amerikanischen KP war, sondern dass ihr früherer Mann in Spanien für die Demokratie gefallen war. Für das FBI, für die Atombehörde, für die amerikanische Öffentlichkeit waren das alles Beweise für Verrat.
Für einen Naturwissenschaftler war Oppenheimer ungeheuer gebildet. Auf einer Wanderung durch Korsika las er in Prousts „Recherche”, von der er sich die „Gleichgültigkeit gegen Leiden, die man schafft” merkte, weil er sich gemeint fühlte. Welcher Germanistikstudent kennt schon die Gedichte John Donnes (der den Namen für den ersten Atomtest gespendet hat)? Welche noch so hochmögende Literaturredakteurin hat die Bhagawadgita gelesen (die Oppenheimer angeblich zitierte, als der Atompilz in die Höhe stieg)? Vieles davon verdankte er seiner Freundschaft mit dem Romanisten Haakon Chevalier, der Kommunist war und Oppenheimer vergeblich zur Weitergabe von Atom-Geheimnissen an die Sowjetunion zu bewegen suchte.
Weniger erfreulich ist, was dieses Buch noch zum Vorschein bringt: der heldenhafte Oppenheimer fand es in Ordnung, selbst seine besten Freunde als Kommunisten zu denunzieren. Seinen Schüler Bernard Peters, der 1934 aus dem Konzentrationslager Dachau geflohen war, bezeichnete er 1949 als „ziemlich rot”. Bei einer Anhörung brachte er allen Ernstes gegen ihn vor, er habe sich „mit einer List” aus Dachau befreien können. Oppenheimer verriet keine Atom-Geheimnisse, sondern seine Freunde.
Zur Oppenheimer-Legende gehörte bisher unbedingt die politische Verfolgung. Oppenheimer wurde jahrelang vom FBI belauscht, seine Freunde und Bekannten wurden vernommen, schließlich lud man ihn vor ein dubioses Komitee, vor dem er sich wie in einem Gerichtsverfahren gegen den Vorwurf wehren sollte, er habe in Los Alamos als Kommunist und Russen-Freund gewirkt. Und weil er Kommunist war, so der Kurzschluss, musste er auch alles an die Russen verraten haben. Den absurdesten Beitrag zu diesem angeblichen Verrat brachte vor dreizehn Jahren ausgerechnet Sergej Gegetschkori, der Sohn von Stalins Geheimdienstchef Lawrentij Berija, der im Spiegel erzählte, Oppenheimer habe sich 1939 in der Sowjetunion aufgehalten, „von der Sorge getrieben, die Deutschen könnten als Erste ein A-Bomben-Projekt realisieren”. Deshalb habe er der Sowjetunion seine Dienste angeboten. Keine schlechte Geschichte, nur leider auch nicht wahr. In einem vor kurzem erschienenen Buch über das Wirken des KGB in den USA wird Oppenheimer endlich freigesprochen.
Der Schlag gegen das bereits besiegte Japan entsprach zwar nicht Oppenheimers Wunsch, aber er folgte dem der Regierung. Weniger angenehm war ihm, was ihm die Aufsicht führenden Offiziere strahlend eröffneten: Dass die Bombe selbstverständlich gegen die Russen eingesetzt werde. Vor dem drohenden Wettrüsten graute ihm, deshalb widersetzte er sich der Wasserstoffbombe, die sein Feind Edward Teller baute. Für das Militär, für den Weltkriegsgeneral Eisenhower, der Truman als Präsident folgte, erst recht für die hysterisierte Öffentlichkeit war er damit als Verräter überführt.
Er wurde bereits vom nächsten Präsidenten rehabilitiert und so fand er denn auch nichts dabei, beim CIA-geförderten „Kongress für kulturelle Freiheit” aufzutreten. Albert Einstein hat den Fall Oppenheimer, der bis heute als Paradigma für den Konflikt von Macht und Geist herhalten muss, auf eine schöne Formel gebracht: „Oppenheimers Problem ist, dass er eine Frau liebt, die ihn nicht liebt – die Regierung der Vereinigten Staaten.” Er war nicht das einzige Opfer dieser Amour fou. WILLI WINKLER
Kai Bird, Martin J. Sherwin
J. Robert Oppenheimer.
Die Biographie
Aus dem Englischen von Klaus Binder und Bernd Leineweber. Propyläen, Berlin 2009. 672 Seiten, 29,95 Euro.
Er fand es in Ordnung, seine besten Freunde als Kommunisten zu denunzieren
Er hatte den Schlag gegen Japan nicht gewünscht, folgte aber dem Wunsch der Regierung
Robert Oppenheimer Foto: J. Robert Oppenheimer Memorial Committee Photographs
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2009

Ich bin ein Erschütterer der Welten

Ein Lebensbild, in dem zum ersten Mal die Ambivalenzen ausgeleuchtet werden, die den Vater der Atombombe umtrieben: Martin Sherwins und Kai Birds große Biographie des J. Robert Oppenheimer.

Von Helmut Mayer

Zum "Vater der Atombombe" wurde J. Robert Oppenheimer im Alter von einundvierzig Jahren am 16. Juli 1945. Obwohl von einer Bombe nicht die Rede war, als damals ihr erstes Exemplar explodierte: Es war immer noch "the gadget", das an diesem Morgen auf einer Wüstenhochebene von New Mexico erfolgreich gezündet wurde. Oppenheimer hatte den Testplatz ausgewählt und "Trinity" genannt. Wie er auf diesen Namen gekommen war, daran konnte er sich später nicht mehr genau erinnern; vielleicht sei es wegen eines Gedichts von John Donne gewesen, das mit der Zeile beginnt: "Batter my heart, three-person'd God". Andere wollten darin einen Verweis auf die hinduistische Dreifaltigkeit von Brahma, Vishnu und Shiva sehen. Wohl deshalb, weil Oppenheimer viel später nicht ohne verhaltene Feierlichkeit erzählte, ihm seien beim Anblick der über "Ground Zero" sich auftürmenden Wolke Verse aus der Bhagavad-Gita in den Sinn gekommen: "Nun bin ich der Tod geworden, der alles raubt, Erschütterer der Welten."

Damit musste man bei einem Mann rechnen, der Sanskrit gelernt hatte, die Alten im Original las und überdies ein exzellenter Kenner französischer Literatur war. Keine Neigungen, die man bei einem theoretischen Physiker, der zum Leiter des geheimen amerikanischen Atomwaffenlabors in Los Alamos geworden war, ohne weiteres vermuten würde. Aber dieser schmale nervöse Mann mit dem Porkpie-Hut hatte viele Facetten: ein theoretischer Physiker, dessen Zugriff auf Probleme brillant war, der aber selten langen Atem bei ihrer Verfolgung zeigte; ein Intellektueller mit literarischen Passionen - selbst auf Trinity soll er hin und wieder eine Ausgabe von Baudelaires "Fleurs du mal" aus der Tasche gezogen haben -, dessen Führungsleistungen Militärs wie Politikern Respekt abnötigten; ein charismatischer Redner und charmanter Unterhalter, der um seine Wirkung wusste und doch in tiefe Selbstzweifel abstürzen konnte; ein Mann des schneidenden Worts und der knappen Abfertigung wie der aufmerksamen Zuwendung; ein exzellenter Lehrer und Wissenschaftsorganisator, der doch immer auch brüskierte und Widerstand auf den Plan rief.

Es würde den "Fall Oppenheimer", seinen Sturz als Berater höchster Washingtoner Regierungskreise in Atomfragen, nicht einmal gebraucht haben, um diesen Mann faszinierend zu finden. Aber mit den Anhörungen vor dem Ausschuss der amerikanischen Atomenergiebehörde, die 1954 zu seinem Ausschluss aus dem Kreis der Geheimnisträger führten, wurde Oppenheimer zu einer Figur, mit der eine ganze Reihe von Fragen über den Zusammenhang von Grundlagenforschung und Gesellschaft, Politik und Wissenschaft in Zeiten des Kalten Kriegs auf unübersehbare und öffentlichkeitswirksame Weise verknüpft waren.

Es mangelt nicht an Versuchen, ein Bild dieses Mannes zu entwerfen, den ein Freund und Kollege am Institute for Advanced Study in Princeton als "Bündel wunderbarer Widersprüche" beschrieb. Der wohl immer noch berühmteste hat die Form eines Theaterstücks: Heinar Kipphardts "In der Sache J. Robert Oppenheimer" von 1964. Es endet mit jenem fiktiven Eingeständnis der Hauptfigur, die "Arbeit des Teufels" getan zu haben und nun wieder zur reinen Forschung zurückkehren zu wollen, das Oppenheimer auf die Palme brachte. So einfach war die Sache nicht, die Ambivalenzen reichten viel tiefer. In der großen Biographie von Kai Bird und Martin Sherwin, die nun auch auf Deutsch vorliegt, werden sie ausgelotet.

Es beginnt mit dem frühreifen Jungen aus wohlhabendem jüdischen Haus in New York, in das die als Malerin ausgebildete Mutter einen künstlerischen Einschlag brachte: Von seinen Eltern erworbene Gemälde von Derain, Vuillard oder van Gogh hängen später in Oppenheimers Häusern. Als er sein Studium in Harvard aufnimmt, ändert auch die Entscheidung zuerst für die Chemie und schließlich für die Physik nichts an der Breite seiner Interessen und an seiner intensiven Beschäftigung mit Literatur.

In Cambridge fällt dann, nach einer quälenden Zeit mit Laborarbeit und psychischen Turbulenzen, aus der ihn die Lektüre von Prousts "Recherche" mehr als der psychoanalytische Beistand befreit haben soll, die definitive Entscheidung zur Theorie. Er stürzt sich auf die Quantenmechanik und braucht nicht lange, um die ersten Aufsätze vorzulegen, die seinen gewitzten Umgang mit dem neuen Rüstzeug zeigen. Max Born holt ihn darauf nach Göttingen, wo Oppenheimer sich als Wunderkind und auch etwas anstrengend erweist, weil er im Seminar jeden jederzeit unterbricht, um seine Sicht des gerade behandelten Problems darzulegen. Den Göttingern attestierte er in einem launigen Brief eine Verbindung von "fantastisch unerschütterlicher metaphysischer Hinterhältigkeit mit den draufgängerischen Gewohnheiten von Tapetenherstellern" - und ist in seinem Element.

Als Oppenheimer nach rasant erledigter Doktorarbeit und anschließenden Semestern bei Ehrenfest in Leyden und Pauli in Zürich 1929 in die Vereinigten Staaten zurückkehrt, ist die Basis für seine Profilierung als innovativer Theoretiker auf dem Feld der Atomphysik gelegt. Die enge Verbindung mit den experimentellen Möglichkeiten versteht sich im amerikanischen Kontext fast von selbst. Das "Radiation Laboratory" von Berkeley, das schrittweise größer werdende Zyklotrone in Betrieb nimmt, bietet dazu vorzügliche Gelegenheit.

Im "RadLab" wird einem ungläubigen Oppenheimer denn auch 1939, unmittelbar nach Bekanntwerden des Ergebnisses von Hahn und Strassmann, eine Kernspaltung vorgeführt. Kaum haben ihn die Kurven auf dem Oszilloskop überzeugt, sieht er auch schon die Bombe als theoretische Möglichkeit. Einige Monate später schicken Szilard und Einstein ihren Brief an Roosevelt, und im Sommer 1941 kommen die amerikanischen Anstrengungen zum Bau der Bombe in Fahrt.

Für Oppenheimer, der in den dreißiger Jahren unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Depression und des Krieges gewerkschaftlich gearbeitet und die Internationalen Brigaden in Spanien unterstützt hatte, ist die Mitarbeit an diesem Programm keine Frage. Es gilt, den Deutschen zuvorzukommen und den Faschismus in die Knie zu zwingen. Nur die Bombe, so Oppenheimer immer wieder, kann Hitler stoppen.

Es ist seine Idee eines zentralen Labors an einem abgelegenen Ort, die Leslie Groves als militärischer Leiter des "Manhattan-Projekts" übernimmt - und Oppenheimer gegen die Sicherheitsbedenken des FBI wegen dessen Kontakten zu kommunistischen Kreisen als wissenschaftlichen Direktor von Los Alamos durchsetzt. Auch die Kollegen Oppenheimers sind skeptisch, aber der Erfolg gibt Groves recht. Im Rückblick auf die zweieinhalb Jahre in der auf sechstausend Bewohner anwachsenden Forschungsstadt im militärischen Sperrbezirk sind sich später fast alle einig: Ohne Oppenheimers Führungstalent, seine Präsenz und sein genaues Wissen um die gerade zu bewältigenden Probleme wäre das Ziel nicht so schnell erreicht worden.

Aber als es im Frühjahr 1945 fast schon so weit ist, hat sich die Kriegslage geändert. Deutschland ist besiegt, und die deutschen Physiker, gegen die man sich im Wettlauf geglaubt hatte, waren nicht einmal in die Nähe einer funktionsfähigen Bombe gekommen. Vor diesem Hintergrund finden die von Niels Bohr und einigen anderen angestoßenen Überlegungen zu einer internationalen Verständigung über Verwendung und Kontrolle spaltbaren Materials in der Wissenschaftlergemeinschaft deutliche Resonanz. Auch bei Oppenheimer, der sich aber zu einer Empfehlung an die Regierung, den ins Auge gefassten Einsatz gegen Japan zu unterlassen oder zumindest vor ihm zu warnen und auch die - immerhin verbündete - Sowjetunion in die Planungen einzubeziehen, nicht entschließen kann. Der von ihm geleitete Wissenschaftlerbeirat optierte im Juni letztlich gegen eine Demonstration der Zerstörungskraft der Bombe auf einer unbewohnten Insel und für ein militärisches Ziel in dichtbewohntem Umland. Und sollte der Abwurf nicht zeigen können, dass eine solche Bombe in keinem Krieg mehr einzusetzen ist?

Nach Kriegsende versucht Oppenheimer seine hohen Beraterpositionen zu nutzen, um die anvisierten internationalen Kontrollmaßnahmen in Reichweite zu bringen. Obwohl er noch im Oktober für eine Gesetzesvorlage optiert, die alle atomaren Angelegenheiten unter militärische Aufsicht und Geheimhaltung stellen sollte und die erst nach massiven Protesten der "Federation of Atomic Scientists" gekippt wird: Einmal mehr übt er die Disziplin des Topberaters, der seinen Einfluss im inneren Zirkel der Macht geltend machen und nicht als opponierender Wissenschaftler auftreten möchte.

Aber so gut die Aussichten anfangs scheinen, über das amerikanische Positionspapier für die neugegründete "Internationale Atomenergiekommission" der UN eine starke übernationale Kontrollbehörde auf den Weg zu bringen, die alle Uranvorräte überwacht - die Sache entgleist auf dem politischen Parkett. Der Kalte Krieg kommt in Fahrt, der Antikommunismus an der Heimatfront auch, und Oppenheimer bleibt trotzdem im Beraterboot, während er sich von eigenen Forschungen abwendet. Aber er kritisiert das Geheimhaltungsparadigma, das die Öffentlichkeit der Bürger uninformiert hält, und denkt über die Rückstufung der Bombe in taktisch einsetzbare Waffen nach.

Dass er sich 1949 - die Sowjets haben gerade ihre erste Atombombe getestet - gegen das Sofortprogramm für die Entwicklung der Wasserstoffbombe ausspricht, wird ihm 1954 dann in den Anhörungen vor dem Ausschuss der Atomenergiebehörde zum Vorwurf gemacht. Der Aufhänger dieses Verfahrens sind Oppenheimers längst bekannte Kontakte zu kommunistischen Kreisen in den dreißiger Jahren und einige Merkwürdigkeiten, die er sich im Umgang mit den für Spionageabwehr zuständigen Offizieren des Atomprogramms geleistet hatte. Aber worum es tatsächlich ging, daran lassen auch Bird und Sherwin in ihrer detaillierten Schilderung der Vorgänge keinen Zweifel: Ausgeschaltet wurde ein prominenter Kritiker der favorisierten militärisch-politischen Strategie massiver Vergeltungsandrohung mit rasant wachsenden nuklearen Arsenalen. Und ein unzweifelhafter Patriot zudem, über dessen unglückliche Liebe zu Amerika Einstein spöttelte und dabei natürlich auf Oppenheimers Ehrgeiz zielte.

Die 1947 angetretene Leitung des Institute for Advanced Study kann Oppenheimer immerhin verteidigen. Er macht das Institut zu einem Zentrum der theoretischen Physik, kann aber auch seine Interessen abseits der Naturwissenschaften spielen lassen und denkt - nunmehr als charismatischer Außenseiter - öffentlich über die sich verändernde Rolle der Wissenschaften nach. Unter Kennedy erfolgt zwar die Wiedergutmachung von Seiten Washingtons, aber eine Rückkehr in die alte Beraterrolle fasst er nicht mehr ins Auge. Als er die Leitung des Princetoner Institut im Frühjahr 1965 niederlegt, bleiben ihm nur noch knapp zwei Jahre bis zu seinem frühen Tod.

Bei Sherwin und Bird erfährt man eher wenig über die späteren Aufsätze und Vorträge Oppenheimers. Doch wird das mehr als aufgewogen vom Reichtum der biographischen Zeugnisse, die die Autoren erschlossen und in ihrer Darstellung verarbeitet haben. Man glaubt in ihr die nervöse Energie dieses Mannes spüren zu können, den Ehrgeiz, auch die schwierigsten Situationen und selbst die Überforderungen noch bewältigen zu können. Man hat die Wirkung seines Auftretens vor sich, gespiegelt von den unterschiedlichsten Beobachtern, die unheimliche Disziplin genauso wie eine gewisse intellektuelle und auch moralische Unschärfe, die sich von ihr nicht auflösen ließ. Mit anderen Worten: Diese Biographie gibt nicht nur ein hingebungsvoll detailliert gearbeitetes Bild, sondern auch ein lebendiges. Das Original trägt den Untertitel "The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer", den die deutsche Ausgabe glücklicherweise gestrichen hat. Obwohl man es mit einem Buch zu tun hat, dem man selbst einen solch pathetischen Titel gerne nachsieht.

Kai Bird und Martin J. Sherwin: "J. Robert Oppenheimer". Die Biographie. Propyläen Verlag, Berlin 2009. 672 S., Abb., geb., 29,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

J. Robert Oppenheimer war ein Mann von Widersprüchen: Ein brillanter, aber sprunghafter Physiker, ein Mann aber auch, der die Weltliteratur liebte. Einer, der den inneren Zirkeln der Macht nahestand und zugleich Freunde unter Kommunisten hatte. Einer, der opponiert und dann wieder nicht. Diesen Mann zu fassen zu bekommen gelingt, wie Rezensent Helmut Mayer findet, den Autoren dieser Biografie ausgesprochen gut. Sie kehren nämlich das Widersprüchliche, die "Ambivalenzen", so Mayer keineswegs unter den Teppich. Genau vollziehen sie die Bewegungen seines Lebenswegs nach - und die Rezension, die über weite Strecken zum biografischen Referat wird, folgt ihnen darin. Am Ende ist der Rezensent dann des Lobes voll und freut sich, dass die Geschichte eines Lebens hier nicht nur "hingebungsvoll detailliert" nachgezeichnet, sondern dabei auch noch "lebendig" wird.

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