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Jack Welch, Geschäftsführer von General Electric, hat den American Dream wahrgemacht: Sein Konzern ist der wertvollste der USA. Sein oberstes Gebot des 'shareholder value', der unbedingten Wertmaximierung seiner Unternehmen am Aktienmark, hat ihm Bewunderung in der ganzen Welt eingetragen. Aber was ist der Preis des Traums vom immer größeren Gewinn?

Produktbeschreibung
Jack Welch, Geschäftsführer von General Electric, hat den American Dream wahrgemacht: Sein Konzern ist der wertvollste der USA. Sein oberstes Gebot des 'shareholder value', der unbedingten Wertmaximierung seiner Unternehmen am Aktienmark, hat ihm Bewunderung in der ganzen Welt eingetragen. Aber was ist der Preis des Traums vom immer größeren Gewinn?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.1999

Eine Polemik gegen das Prinzip Jack Welch
Zerstört der Unternehmensdarwinismus Amerikas Wirtschaft?

Thomas O'Boyle: Jack Welch - Im Hauptquartier des Shareholder Value. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999, 400 Seiten, 58 DM.

Das ist kein Buch über Jack Welch, den umstrittenen und zugleich bewunderten Chef des General-Electric-Konzerns, den auch hierzulande viele Manager als Vorbild sehen. Es ist eine Streitschrift gegen Jack Welch und die von ihm konsequent vertretene Shareholder-Value-Strategie, gegen den Paradigmenwechsel vom Paternalismus zum Kannibalismus. Der Autor, lange Jahre Reporter von "The Wall Street Journal" und heute in leitender Position bei der "Pittsburgh Post-Gazette", hat zwar Welch nicht selbst interviewt, dafür aber rund dreihundertzwanzig Leute, die ihn kennen, mit ihm zusammengearbeitet und vor allem unter ihm gelitten haben. Er hat dazu eine Fülle von Material zusammengetragen, wie das ausführliche Quellenverzeichnis zeigt. Allerdings handelt es sich überwiegend um Informationen, die seine polemisch-kritische These stützen, daß die Shareholder-Value-Strategie, die Profiterzielung um jeden Preis, die traditionellen Werte von Wirtschaft und Gesellschaft zerstöre und die Geschichte später einmal Welch und seine Methoden verurteilen werde.

Nicht überzeugend ist O'Boyles Argumentation, Welch und andere Manager seiner Art hätten daran mitgewirkt, daß die amerikanische Gesellschaft fälschlicherweise glaube, Entlassungen seien fortschrittlich. Ist es denn nicht eher so, daß die realistische Sicht der amerikanischen Gesellschaft anders als in Europa Entlassungen als notwendig begreift und sie in gewissem Maße auch billigt, was der Autor an anderer Stelle auch anerkennt (Seite 51)?

Der polemische Ansatz von O'Boyle ergibt sich schon allein daraus, daß er auch eine Vielzahl von Gesetzesbrüchen durch den Konzern als Belege anführt, die natürlich nichts mit dem Prinzip des Shareholder Value zu tun haben, sondern eher etwas mit moralischen Zuständen der Gesellschaft. Wie die Unternehmengeschichte der Nachkriegszeit in Deutschland zeigt, gibt es Gesetzesübertretungen wie Preisabsprachen, Betrug oder Bestechung auch in herkömmlich geführten Unternehmen, besonders im Rüstungsgeschäft. Die Beschreibung ausgeuferter Feiern und sexueller Belästigungen in dem Riesenkonzern ist ebenfalls weniger erhellend in bezug auf die Kernthese als unterhaltend.

Auch mancher andere Vergleich hinkt, zum Beispiel der mit dem Siemens-Konzern (Seite 59 ff.). Richtig ist, daß die Vorstellungen der Siemens-Führung nicht so kurzfristig und profitorientiert sind wie die von General Electric. Aber selbst Siemens kann sich dem Druck des Weltmarktes nicht entziehen und hat in den letzten Jahren immer wieder neue Rationalisierungsprogramme in Angriff nehmen und ebenfalls wichtige Gebiete aufgeben müssen. Als Gegenbeispiel taugt das also nicht mehr.

Ebenso schief ist der Hinweis auf die japanische Unternehmenspraxis (Seite 342), wo man angesichts der Wirtschaftskrise inzwischen ebenfalls Mitarbeiter entlassen muß. Die Schwäche des Buches liegt denn auch darin, daß der Autor die Probleme und Grenzen der Shareholder-Value-Orientierung nicht richtig herausarbeitet und in einer vielfach nicht überzeugenden, sondern nur wortgewaltigen Polemik steckengeblieben ist. Vor allem bleibt die Frage offen, wie denn nun die weltweiten wirtschaftlichen Veränderungen von den Unternehmen zu bewältigen sind.

Amerika ist mit der konsequenten Gewinnorientierung der Unternehmen jedenfalls besser vorangekommen als Europa, was der Autor durchaus sieht. Er erkennt sogar an, daß ein "überlegener Firmenchef" wie Welch für das Unternehmen besser gewesen ist als das "mittelmäßige Management" bei Westinghouse, das durch weniger konsequente Veränderungen den Niedergang des Konzerns bewirkt hat. O'Boyle findet nur den Preis zu hoch, den die Menschen bei General Electric und die amerikanische Gesellschaft entrichten. Ungeachtet dieser Schwächen liest sich das Buch spannend. Deutsche Manager, die Welch kennen, meinen, der Autor habe mit der Beschreibung von Welch und General Electric in vieler Hinsicht recht.

Störend an dem Buch ist jedoch wie so oft die Übersetzung. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, daß es offenbar besser gelingt, literarische Texte gut zu übersetzen als Wirtschaftstexte, was in der Tat nicht einfach ist. Vielfach werden die amerikanischen Begriffe einfach übernommen wie Downsizing, Player, Deal, Fixed-Income-Division oder Oldtimer (für langjährige Mitarbeiter!) oder "chopperte Welch". An anderen Stellen merkt man nur allzu deutlich, daß es eine Übersetzung und keine dem deutschen Sprachgebrauch entsprechende Übertragung ist. Preisbestimmungskultur, elektrische Verschwörung, Gunstliste, Kürz-Kürz-Hack-Hack-Denkweise, "Einschmelzungsprozeß auf dem Hypothekenmarkt" und - besonders schön - Aktienhalter sind Beispiele dafür.

JÜRGEN JESKE

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