Als einer der vielseitigsten Historiker seiner Zeit hat sich Jacob Burckhardt nicht nur intensiv mit der Kultur des antiken Griechenland befasst, sondern auch mit der Geschichte des Alten Orients, Ägyptens, Persiens und Indiens sowie mit der Römischen Republik. Seine Texte dazu werden in diesem Band erstmals vollständig veröffentlicht.
Sie zeigen die Verbindungslinien, die Burckhardt von den frühen Hochkulturen zur europäischen Kulturgeschichte zog, lassen aber auch die großen Gegensätze erkennen, die er zwischen Orient und Okzident sah. Seine Beschäftigung mit der Römischen Republik galt nicht allein den äußeren und inneren politischen Entwicklungen bis zum Ende Caesars, sondern auch der Ethnographie und der Kultur des antiken Rom. Burckhardt konnte hier aus einer reichen Quellenkenntnis originelle Urteile gewinnen, mit denen er sich auch von Zeitgenossen wie Theodor Mommsen absetzte. Die kritisch edierten Texte Burckhardts werden durch einen ausführlichen Kommentar sowie durch ein Personen-, Werk- und Sachregister erschlossen.
Sie zeigen die Verbindungslinien, die Burckhardt von den frühen Hochkulturen zur europäischen Kulturgeschichte zog, lassen aber auch die großen Gegensätze erkennen, die er zwischen Orient und Okzident sah. Seine Beschäftigung mit der Römischen Republik galt nicht allein den äußeren und inneren politischen Entwicklungen bis zum Ende Caesars, sondern auch der Ethnographie und der Kultur des antiken Rom. Burckhardt konnte hier aus einer reichen Quellenkenntnis originelle Urteile gewinnen, mit denen er sich auch von Zeitgenossen wie Theodor Mommsen absetzte. Die kritisch edierten Texte Burckhardts werden durch einen ausführlichen Kommentar sowie durch ein Personen-, Werk- und Sachregister erschlossen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Uwe Walter warnt vor überzogenen Erwartungen an Band 23.1 der Werke Jacob Bucrckhardts. Burckhardts Stoffsammlung zu seinen Vorlesungen zur Geschichte des Altertums findet er hier zwar mit aller Sorgfalt transkribiert, textkritisch betreut und mit Erläuterungen Registern und einem erhellenden Nachwort ersehen, eine flüssige Erzählung aber bietet sie nicht, so Walter. Burckhardts "Konvolut" von Quellenzitaten und Listen, von Bemerkungen und Referaten lässt den Rezensenten Geschichte als "chaotische Baustelle" erleben. Das ist laut Walter durchaus der Zeit geschuldet. Dass "die Hellenen" und die römische Kaiserzeit, wie Burckhardt sie sah, im Band nicht vorkommen, hält Walter für eine nachvollziehbare Entscheidung der Herausgeber, die ohnehin eine riesige Stoffmenge zu bearbeiten hatten, wie er ahnt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.2022Ganz wunderlich
Jacob Burckhardt über die Alte Geschichte
Nun, da sich die Werkedition dem Abschluss nähert, sind die Unterbauten sichtbar, auf denen Jacob Burckhardts Verständnis der Geschichte des Abendlandes ruhte, wie er es in der nachmals unter dem Titel "Weltgeschichtliche Betrachtungen" berühmt gewordenen Vorlesung "Über das Studium der Geschichte" umriss. Nach der "Cultur der Renaissance in Italien" publizierte Burckhardt kein eigenes Buch mehr, sondern konzentrierte sich auf seine Vorlesungen, in denen er alle Epochen erschloss; hinzu kamen mehr als zweihundert Vorträge für die Bürger Basels. Nur ein kleiner Teil dieses Materials wurde postum in Buchform publiziert, darunter die "Griechische Culturgeschichte". Was er sonst zur Geschichte des Altertums zu sagen hatte, war bisher lediglich in der Sammlung "Historische Fragmente" sowie in Auswahlen seiner Vorträge greifbar, beide vor mehr als einem Menschenalter herausgegeben von Emil Dürr.
Im vorliegenden ersten Teil des Doppelbandes zur Alten Geschichte haben die Bearbeiter wieder Herkulesarbeit verrichtet. Burckhardts mehrfach überarbeitete und durch eingelegte Blätter erweiterte Stoffsammlung für die Vorlesung ist sorgsam transkribiert, textkritisch transparent gemacht und mit den nötigsten Erläuterungen, dazu umfassenden Registern versehen; der Anhang umfasst gut zwei Fünftel des Gesamtumfangs. Hohes Lob verdient auch das dreißigseitige editorische Nachwort; es stellt Burckhardts Arbeitsweise zwischen Originalität und Handbuchabhängigkeit vor und kontextualisiert sein Geschichtsbild präzise, darunter sein Verhältnis zu Ernst von Lasaulx.
Was den Text angeht, so ist vor irrigen Erwartungen zu warnen: Die edierten Vorlesungsunterlagen bieten keine flüssig lesbare Erzählung, vielmehr überreiche Konvolute von ausführlichen Quellenzitaten und -referaten, Literaturexzerpten, Listen und antiquarischen Einzelnachrichten, bisweilen versehen mit Bemerkungen wie "ganz wunderlich" oder "sehr merkwürdig". Die Geschichte stellte sich in Burckhardts Manuskripten als chaotische Baustelle dar. In die Dürrsche Blütenlese sind zu Recht nur die prägnanten Einsichten und Thesen eingegangen. Die neue Edition zeigt jedoch, wie andere auch, in welchem Maße damals das Geschichtsstudium in Form von Vorlesungen - noch gab es kaum Seminare, jedenfalls nicht in Basel - mit kleinsten Details gefüllt war und eine Fülle an Stoff als Basis von geschichtlichem Denken vermittelt wurde. Wie die Herausgeber mit Recht betonen, kann Burckhardt nur einen kleinen Teil des zusammengetragenen Materials tatsächlich für seinen Vortrag benutzt haben.
Der enorme Umfang des vorliegenden Manuskriptbestandes nötigte zu Entscheidungen: Vollständig ediert sind die Teile zum Alten Orient, der in der universalgeschichtlichen Tradition seit der Aufklärungshistorie breit gefasst ist - er umspannt hier Ägypten, Arabien, Babylon, die Hebräer und das frühe Judentum, ferner die Assyrer, Indien sowie die Perser. Der Teil zu den Hellenen ist weggelassen; was Burckhardt hier zu sagen hatte, ist breiter und besser in der "Griechischen Culturgeschichte" behandelt. Auch die römische Kaiserzeit noch aufzunehmen hätte den Band vollends gesprengt; die Blätter hierzu sollen nun zusammen mit der "deutschen" Geschichte, also den Germanen und ihren Reichsbildungen, im zweiten Teilband publiziert werden, was aus universalgeschichtlicher Perspektive plausibel erscheint.
Die Geschichte Roms las Burckhardt nur einmal, 1868. Dieses Kolleg, "wo die furchtbare Menge von Thatsachen (von Aeneas bis Odoaker) den Docenten völlig erdrückt", erarbeitete er stärker als sonst aus damals gängigen Darstellungen von Niebuhr bis Napoleon III., reicherte es aber mit Erkenntnissen aus eigener Quellenlektüre an. Die Vorlesung in ähnlicher Weise wie dann die "Griechische Culturgeschichte" fast nur aus dem antiken Material aufzubauen hätte die Kräfte überstiegen und mochte Burckhardt unnötig erscheinen, lag die Geschichte Roms doch seit Eutrop in halbwegs klarer Gestalt auf dem Tisch. Trotz der Abhängigkeit blieb der Gelehrte auch hier im Urteil eigenständig, wie seine bisweilen bissige Kritik an Theodor Mommsen zeigt: "rührende Leichenpredigt", Mommsen "ganz pathetisch". UWE WALTER
Jacob Burckhardt: "Werke. Kritische Gesamtausgabe Band 23,1". Ägypten und Alter Orient. Römische Geschichte: Republik.
Verlag C. H. Beck, München 2022. 1421 S., geb., 248,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jacob Burckhardt über die Alte Geschichte
Nun, da sich die Werkedition dem Abschluss nähert, sind die Unterbauten sichtbar, auf denen Jacob Burckhardts Verständnis der Geschichte des Abendlandes ruhte, wie er es in der nachmals unter dem Titel "Weltgeschichtliche Betrachtungen" berühmt gewordenen Vorlesung "Über das Studium der Geschichte" umriss. Nach der "Cultur der Renaissance in Italien" publizierte Burckhardt kein eigenes Buch mehr, sondern konzentrierte sich auf seine Vorlesungen, in denen er alle Epochen erschloss; hinzu kamen mehr als zweihundert Vorträge für die Bürger Basels. Nur ein kleiner Teil dieses Materials wurde postum in Buchform publiziert, darunter die "Griechische Culturgeschichte". Was er sonst zur Geschichte des Altertums zu sagen hatte, war bisher lediglich in der Sammlung "Historische Fragmente" sowie in Auswahlen seiner Vorträge greifbar, beide vor mehr als einem Menschenalter herausgegeben von Emil Dürr.
Im vorliegenden ersten Teil des Doppelbandes zur Alten Geschichte haben die Bearbeiter wieder Herkulesarbeit verrichtet. Burckhardts mehrfach überarbeitete und durch eingelegte Blätter erweiterte Stoffsammlung für die Vorlesung ist sorgsam transkribiert, textkritisch transparent gemacht und mit den nötigsten Erläuterungen, dazu umfassenden Registern versehen; der Anhang umfasst gut zwei Fünftel des Gesamtumfangs. Hohes Lob verdient auch das dreißigseitige editorische Nachwort; es stellt Burckhardts Arbeitsweise zwischen Originalität und Handbuchabhängigkeit vor und kontextualisiert sein Geschichtsbild präzise, darunter sein Verhältnis zu Ernst von Lasaulx.
Was den Text angeht, so ist vor irrigen Erwartungen zu warnen: Die edierten Vorlesungsunterlagen bieten keine flüssig lesbare Erzählung, vielmehr überreiche Konvolute von ausführlichen Quellenzitaten und -referaten, Literaturexzerpten, Listen und antiquarischen Einzelnachrichten, bisweilen versehen mit Bemerkungen wie "ganz wunderlich" oder "sehr merkwürdig". Die Geschichte stellte sich in Burckhardts Manuskripten als chaotische Baustelle dar. In die Dürrsche Blütenlese sind zu Recht nur die prägnanten Einsichten und Thesen eingegangen. Die neue Edition zeigt jedoch, wie andere auch, in welchem Maße damals das Geschichtsstudium in Form von Vorlesungen - noch gab es kaum Seminare, jedenfalls nicht in Basel - mit kleinsten Details gefüllt war und eine Fülle an Stoff als Basis von geschichtlichem Denken vermittelt wurde. Wie die Herausgeber mit Recht betonen, kann Burckhardt nur einen kleinen Teil des zusammengetragenen Materials tatsächlich für seinen Vortrag benutzt haben.
Der enorme Umfang des vorliegenden Manuskriptbestandes nötigte zu Entscheidungen: Vollständig ediert sind die Teile zum Alten Orient, der in der universalgeschichtlichen Tradition seit der Aufklärungshistorie breit gefasst ist - er umspannt hier Ägypten, Arabien, Babylon, die Hebräer und das frühe Judentum, ferner die Assyrer, Indien sowie die Perser. Der Teil zu den Hellenen ist weggelassen; was Burckhardt hier zu sagen hatte, ist breiter und besser in der "Griechischen Culturgeschichte" behandelt. Auch die römische Kaiserzeit noch aufzunehmen hätte den Band vollends gesprengt; die Blätter hierzu sollen nun zusammen mit der "deutschen" Geschichte, also den Germanen und ihren Reichsbildungen, im zweiten Teilband publiziert werden, was aus universalgeschichtlicher Perspektive plausibel erscheint.
Die Geschichte Roms las Burckhardt nur einmal, 1868. Dieses Kolleg, "wo die furchtbare Menge von Thatsachen (von Aeneas bis Odoaker) den Docenten völlig erdrückt", erarbeitete er stärker als sonst aus damals gängigen Darstellungen von Niebuhr bis Napoleon III., reicherte es aber mit Erkenntnissen aus eigener Quellenlektüre an. Die Vorlesung in ähnlicher Weise wie dann die "Griechische Culturgeschichte" fast nur aus dem antiken Material aufzubauen hätte die Kräfte überstiegen und mochte Burckhardt unnötig erscheinen, lag die Geschichte Roms doch seit Eutrop in halbwegs klarer Gestalt auf dem Tisch. Trotz der Abhängigkeit blieb der Gelehrte auch hier im Urteil eigenständig, wie seine bisweilen bissige Kritik an Theodor Mommsen zeigt: "rührende Leichenpredigt", Mommsen "ganz pathetisch". UWE WALTER
Jacob Burckhardt: "Werke. Kritische Gesamtausgabe Band 23,1". Ägypten und Alter Orient. Römische Geschichte: Republik.
Verlag C. H. Beck, München 2022. 1421 S., geb., 248,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Burckhardts mehrfach überarbeitete und durch eingelegte Blätter erweiterte Stoffsammlung für die Vorlesung ist sorgsam transkribiert, textkritisch transparent gemacht und mit den nötigsten Erläuterungen ... versehen; ... Hohes Lob verdient auch das dreißigseitige editorische Nachwort."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Uwe Walter
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Uwe Walter