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Jacques Tatis Monsieur Hulot, unverkennbar mit seiner Pfeife, seinem Regenschirm und seinen gestreiften Socken, war eine geniale Slapstick-Kreation, die das Publikum auf der ganzen Welt über die Absurdität des Lebens lachen ließ. David Bello's Biografie zeichnet Tatis Aufstieg und Fall nach, von seinen Anfängen als Varieté-Mime während der Depression über den Erfolg von "Jour de Fête" und "Mon Oncle" bis hin zu "Playtime", dem grandiosen Meisterwerk, das den gefeierten Regisseur und Oscar-Preisträger in den Bankrott trieb und ihn um finanzielle Unterstützung für die Fertigstellung seiner…mehr

Produktbeschreibung
Jacques Tatis Monsieur Hulot, unverkennbar mit seiner Pfeife, seinem Regenschirm und seinen gestreiften Socken, war eine geniale Slapstick-Kreation, die das Publikum auf der ganzen Welt über die Absurdität des Lebens lachen ließ. David Bello's Biografie zeichnet Tatis Aufstieg und Fall nach, von seinen Anfängen als Varieté-Mime während der Depression über den Erfolg von "Jour de Fête" und "Mon Oncle" bis hin zu "Playtime", dem grandiosen Meisterwerk, das den gefeierten Regisseur und Oscar-Preisträger in den Bankrott trieb und ihn um finanzielle Unterstützung für die Fertigstellung seiner letzten Filme betteln ließ.Bei der Analyse von Tatis einzigartiger Vision, eines Clowns, dessen filmische Innovation darin bestand, das alltägliche Leben in eine Kunstform zu verwandeln, enthüllt Bellos die komplizierte Inszenierung seiner berühmtesten Gags und stützt sich auf bisher unzugängliche Archive, darunter Filmmaterial, Videos, aufgezeichnete Interviews und frühe Entwürfe von Drehbüchern, sowie die Mithilfe von Tatis Tochter. Herausgekommen ist das Bild eines Mannes, der gleichzeitig engagiert, leidenschaftlich und schüchtern war, mehr Künstler als Geschäftsmann. In der genau recherchierten Darstellung wird Tati sehr lebendig und bleibt, wie auf der Leinwand, seltsam liebenswert.
Autorenporträt
David Bellos, geb. 1945, ist Professor für Romanistik, französische Literatur und Komparatistik an der Princeton University. Er verfasste mehrere literarische Biografien, u. a. über Victor Hugo und Georges Perec, und ist Übersetzer von Perec, Ismail Kadare sowie Georges Simenon. Im Jahr 2015 wurde er als Offizier in den ¿Ordre des Arts et des Lettres¿ aufgenommen.
Rezensionen
"Eine liebevolle und scharfsinnige Biografie dieses Meisterkomödianten." David Jacobson, Wall Street Journal

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Martin Zips freut sich, dass David Bellos' Tati-Biografie 25 Jahre nach ihrer englischen Erstveröffentlichung nun endlich auch auf Deutsch erscheint. Komplexer und mit genauerem Blick auf Tatis Herkunft und Leben als alles bisher Erschienene zum Thema, bietet ihm Bellos unter anderem Informationen zu Tatis nicht gerade ehrenhafter Haltung zu den Nazis oder auch zu seiner unehelichen Tochter. Die bitteren Wendungen im Leben und Arbeiten Tatis kann der Autor gut herausarbeiten, findet Zips. Bellos' Tati ist ein tragischer Held, genau wie seine Figuren, meint Zips abschließend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2024

Signale aus dem tiefen Frankreich

Das 20. Jahrhundert war die Epoche, in der die Kunst multimedial wurde. Für die Literatur hat Karl Corino etwa nachgewiesen, dass in Robert Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" eine Fotografie der Tennisspielerin Suzanne Lenglen als Vorlage für eine Passage diente. Einen vergleichbaren Fall kann man in der Biographie finden, die der in Princeton lehrende Romanist David Bellos dem großen Filmkomiker Jacques Tati gewidmet hat.

Man kennt Tati als Schöpfer der Figur des Monsieur Hulot, der mit steifen Beinen durch die Nachkriegszivilisation stakste und einen Gag nach dem anderen auslöste. Aber schon 1932 drehte Tati einen Film, der leider verschollen ist: "Oscar champion de tennis". Und Bellos präsentiert dazu eine Fotografie. Anders als bei Musil ist es keine aus den Medien, sondern eine private. Sie zeigt Georges-Emmanuel Tatischeff, den Vater des Künstlers, beim Tennisspiel.

Das Bild ermöglicht mehr als nur eine Abgleichung zwischen Herkunft und schöpferischem Prozess. Es eröffnet einen Raum, den Jacques Tati (der seinen russischen Namen abkürzte) bald für eine prekäre Kunst verließ. Denn der Weg, der ihn zum Kino führte, begann mit einer Trennung von der Familie, mit einer Preisgabe der großbürgerlichen Privilegien, die sein Vater mit einem Geschäft für Bilderrahmen erarbeitet hatte.

Tati begab sich in eine Welt, in der es nicht auf Solidität ankam, sondern auf Improvisation. Der Sport war für ihn nur eine Brücke in die Unterhaltung. Er begann, die Bewegungen der Athleten so nachzuahmen, dass sie einerseits in ihrer Virtuosität noch genauer erkennbar wurden. Weil aber der Kontext eines Wettbewerbs fehlte, wurden sie auch komisch. Tati machte Pantomime aus den Bruchstücken von Duellen im Tennis oder beim Boxen. Und er legte damit die Grundlage für die Kunstfigur, mit der man ihn heute vor allem verbindet. In der Filmkomödie "Die Ferien des Monsieur Hulot" griff er später seine Tennis-Nummer aus dem Varieté wieder auf.

Eine Tati-Biographie hat es mit zwei höchst unterschiedlichen Aufgaben zu tun. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ist sie vor allem Lebensgeschichte, geht es darum, wie aus dem "France profonde", das so lange gegen den Fortschritt auf lebensweltliche Dauer setzte, eine Kreativität entstand, die sich nach 1945 an die neuen Techniken (Farbfilm, Breitwandfilm) hängen konnte. David Bellos arbeitet sehr gut heraus, dass Tati stark an diesem traditionellen Frankreich hing. Mit "Jour de fête" ("Tatis Schützenfest", 1949) schuf er einen Befreiungsfilm, der noch deutlich zurückschaute und der implizit auch eine Rechtfertigung für Vichy enthielt, zumindest als denkbare Lesart.

Mit dem Briefträger, der sich im Taylorismus eines in jeder Sekunde beschleunigungsoptimierten Berufslebens abstrampelt, kreierte er eine Epochenfigur, die er dann konsequent in die Konsum- und Designmoderne führte. Für die Jahre, in denen Tati seine Meisterwerke - von "Mon Oncle" bis "Playtime" - schuf, muss Bellos zugleich Philologe und Bilanzprüfer sein. Er mutet dem Publikum dabei auch die eine oder andere Sezierstunde zu: Den Gags nähert er sich mit begrifflichem Skalpell und zerlegt sie gekonnt in ihre kinetischen, akustischen und sonstigen Bestandteile.

Mit dem Opus magnum "Playtime" ging dann eine Produktionsgeschichte einher, die zu einem finanziellen Desaster führte. Es hat etwas Tragisches, wenn Bellos den späten Tati dabei schildert, wie er danach skandinavischen Fernsehproduzenten ein paar Stunden Drehzeit unterzujubeln versucht, die er auf eigene Projekte umleiten kann.

In der nun vorliegenden Übersetzung des bereits 1999 erschienenen Buchs ist ein Kapitel hinzugekommen, in dem die Geschichte von Helga erzählt wird, der Tochter, die Tati nie anerkannte. Biographen sind immer auch Detektive. David Bellos weiß vom Detail auf das Genie (und dessen Fehlbarkeit) zu schließen. Und zu Jacques Tati gibt es nun auch auf Deutsch eine Biographie von Rang. BERT REBHANDL

David Bellos: "Jacques Tati". Sein Leben und seine Kunst.

Aus dem Englischen von Angelika Arend. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2024. 544 S., Abb., geb., 32,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.07.2024

Die Leiden des Monsieur Hulot
In seiner detaillierten Biografie räumt David Bellos mit dem Mythos auf, Jacques Tati
sei vor den Nationalsozialisten geflohen, und folgt den Spuren dessen unehelicher Tochter.
VON MARTIN ZIPS
Nie war er zufrieden. Noch 26 Jahre später kehrte Jacques Tati an den Drehort Saint-Marc-sur-Mer zurück. Er hatte Steven Spielbergs „Der weiße Hai“ gesehen und meinte, nun auch „Die Ferien des Monsieur Hulot“ in einer entscheidenden Szene überarbeiten zu müssen. Wie schon 1953 ließ er das Faltboot seines Helden während einer Paddeltour im Meer zusammenklappen, doch diesmal ragten faserige Zacken wie Haizähne aus den Bootshälften und versetzten den Strand in Angst und Schrecken.
Fünf große Filme hat Jacques Tati gedreht, seine penible Arbeitsweise lässt sich mit der von Griffith, Chaplin oder Kubrick vergleichen. Sein Thema war der menschliche Überlebenskampf in einer auf Effektivität, Optimierung und Tempo ausgerichteten Welt, das Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne. Tati schrieb das Drehbuch, übernahm die Regie und die Hauptrolle, überwachte Schnitt, Ton und Musik. Und verbesserte ständig alles.
Trotz seiner Bedeutung für die Filmkunst: Auf Deutsch lag zuletzt nur eine uralte Monografie über jenen Mann vor, der im Jahr 1907 als Jacques Tatischeff als Sohn eines russisch-französischen Bilderrahmenhändlers und einer niederländisch-italienischen Mutter in Le Pecq westlich von Paris zur Welt kam: In „Die Filme von Jacques Tati“ reihte der US-Kritiker Brent Maddock schon 1977 Tatis Kunst zwischen Max Linder, Charlie Chaplin, Oliver Hardy, Stan Laurel, Mack Sennett, Buster Keaton und Harold Lloyd ein (mit den vier Letztgenannten gelang Tati in den Fünfzigerjahren ein Treffen in Hollywood).
Nun ist endlich auch eine deutlich komplexere Tati-Biografie von David Bellos auf Deutsch erschienen: 25 Jahre nach ihrer englischen Erstveröffentlichung. Bellos, zuletzt Romanistik-Professor in Princeton, legt deutlich mehr Wert auf Tatis Herkunft und dessen persönliches Umfeld als Maddock.
Früh hatte Tati erkannt, dass er absolut ungeeignet war, das Geschäft seines Vaters zu übernehmen. Während eines Aufenthalts in London lernte er Music Halls und Rugby kennen, nach dem Militärdienst feierte er auf Pariser Bühnen erste Erfolge als Improvisateur und drehte Kurzfilme. Doch seine komische Kunst – am liebsten imitierte Tati die Bewegungen von Sportlern – erwies sich als brotlos. Finanzielle Sicherheit stellte sich erst ein, als Tatis Schwester, die über ihren Dessousladen Kontakte auch zur vornehmeren Gesellschaft pflegte, ihn mit einer finanziell gutgestellten, fast 20 Jahre jüngeren Arzttochter verkuppelte, mit der er zwei Kinder bekam.
Als Tatis Bühnenkarriere Ende der Dreißigerjahre Fahrt aufnahm, er in London, Stockholm, San Remo und New York gebucht wurde, begann Hitler seinen Feldzug, alle Engagements wurden abgesagt. Eine besonders heldenhafte Rolle, damit räumt Bellos auf, spielte Tati im besetzten Paris jedoch nicht. Tati selbst hatte stets behauptet, er habe Paris verlassen, um vor den Nationalsozialisten zu fliehen und ein Zeichen des Widerstands zu setzen. Im Lido trat er allerdings vor deutschen Soldaten auf. Auch sein Verschwinden 1942 auf einen Bauernhof nahe dem Dorf Sainte-Sévère-sur-Indre in Zentralfrankreich hatte nichts mit Widerstand zu tun, wie Tati gerne behauptete: Vielmehr hatte es sich, wie David Bellos anhand der ihm von Tatis 2001 verstorbener Tochter Sophie zur Verfügung gestellten Dokumente belegt, in Paris herumgesprochen, dass er keine Verantwortung für seine uneheliche Tochter Helga übernahm.
Helga war das Ergebnis einer Affäre Tatis mit einer Tänzerin, die mit einem jüdischen Freund aus Wien geflohen war. Die Pariser Künstlerszene verschwor sich gegen Jacques Tati, er musste abhauen. Als ihm auf dem Land das Geld ausging, auch das belegen Bellos Recherchen, fuhr er nach Berlin, um sich mit Lachnummern für Nazi-Offiziere etwas zu verdienen. Nach dem Krieg kehrte Tati dann noch einmal nach Sainte-Sévère-sur-Indre zurück und drehte dort mit Dorfbewohnern und Schauspielern seinen ersten Langfilm „Jour de fête“ – bis heute ein Meisterwerk der Komödie. Geplant war „Jour de fête“ als erster französischer Farbfilm, doch nach der Pleite der Firma Thomsoncolor konnte er nur in Schwarz-Weiß aufgeführt werden.
Was dann folgte, ist bekannt: „Les vacances de Monsieur Hulot“ (1953) wurde zum Kassenschlager und erhielt beim Filmfestival in Cannes den „Preis der internationalen Kritik“ sowie eine Oscarnominierung für das beste Drehbuch. „Mon Oncle“ (1958) wurde in Cannes mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet und bekam den Oscar als „Bester fremdsprachiger Film“. Für „Playtime“, eine absurde Breitwand-Dystopie, ließ Tati Mitte der Sechziger in Paris eine ganze Stadt als Kulisse bauen. Doch als sein Film kurz vor den Studentenunruhen herauskaum, interessierte sich kaum jemand dafür. Tati geriet in finanzielle Nöte, während der Dreharbeiten zu „Trafic“ ging ihm das Geld ganz aus. Bitter beschreibt Bellos, wie sein filmisches Gesamtwerk an einen italienischen Immobilienspekulanten „ohne jegliche Erfahrung in der Filmbranche und bis dahin ohne ein besonderes Interesse am Film“ überging. Und so dokumentiert Bellos’ Buch vor allem die menschliche Tragödie, angereichert mit Gossip: Weil sich Tati in ein bayerisches Au-pair-Mädchen verliebte, besetzte er sie auch in „Playtime“. Von seiner Frau trennte er sich nicht.
In den letzten Jahren seines Lebens litt Jacques Tati unter Depressionen. Auch eine fürchterlich schlechte TV-Produktion, die er dem schwedischen Fernsehen noch verkaufen konnte, linderte seine Lebenskrise nicht. Zu einem von ihm erhofften Don-Quijote-Projekt mit Federico Fellini kam es nie. Allein seine Freundschaft zum Zeichner Jean-Jacques Sempé, die in Bellos’ Buch leider zu kurz kommt, baute ihn auf. Sempé, Meister des Wimmelbilds und heiterer Interpret der menschlichen Ameisenhaftigkeit, war vielleicht der größte Tati-Versteher.
In Sainte-Sévère-sur-Indre (wo Tati den Postboten François spielte) gibt es noch heute ein „Jour de fête“-Museum, in Saint-Marc-sur-Mer (wo Hulots Faltboot immer wieder zusammenklappte) existiert weiter das Strandhotel, auch ein Platz und eine Statue erinnern an den Mann, dessen Werk auch Woody Allen, Loriot und Rowan Atkinson prägte. Privat blieb Jacques Tati aber ein tragischer Held. Noch trauriger liest sich nur die Geschichte seiner 1942 geborenen, unehelichen Tochter Helga, der Bellos ein eigens für die deutsche Ausgabe verfasstes Nachwort widmet. Jahrelang hatte Helga, wie der Autor herausfand, den Kontakt zu ihrem Erzeuger gesucht – erfolglos. Tati starb im Jahr 1982. Helga, die nach England auswanderte, 2023.
Finanzielle Sicherheit
erlangte Tati erst
durch seine Heirat
Als Filmemacher wurde
Jacques Tati gefeiert, privat
blieb er ein trauriger Held
David Bellos: Jacques Tati. Sein Leben und seine Kunst. Aus dem Englischen von Angelika Arend.
Mitteldeutscher Verlag,
Halle/Saale 2024.
544 Seiten, 32 Euro.
Zwischen Tradition und Moderne: Jacques Tati in „Mon Oncle“, für den er 1959 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film bekam.
Foto: Imago
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