EIN DORF DECKT EINEN TÄTER
In Niederthann gärt eine dunkle Vergangenheit. Das beschauliche Dorf in Oberbayern war in den 1970er Jahren Schauplatz eines Verbrechens, das als Lehrstück für Alltagsrassismus und seine verhängnisvollen Konsequenzen dienen kann: Eine junge Romni verlor ihr Leben, eine andere blieb schwer verletzt zurück. Hans Woller hat den Kriminalfall rekonstruiert und erzählt eine Geschichte voller Abgründe und rassistischer Ressentiments, die uns fern erscheint, aber doch so nahe ist. Denn Fragen wie diese sind nach wie vor brandaktuell: Die Schüsse von Niederthann - könnten sie wieder fallen, wen würden sie diesmal treffen, und würde die Gesellschaft heute anders darauf reagieren als damals, als man den Täter zum Opfer erklärte und den Opfern mit ebenso kaltherziger wie herabsetzender Gehässigkeit begegnete?
In Niederthann fielen 1972 vier Schüsse. Keiner ging daneben. Die Bilanz war schauerlich: eine schwer verletzte Romni und eine tote Romni, die ein Kind im Leibe trug. Sie flohen bereits aus dem Bauernhof, in dem sie überrascht worden waren. Der Todesschütze kam vor Gericht glimpflich davon. Alle standen zu ihm: die Polizei, die Justiz, die katholische Kirche, die CSU, überhaupt die ganze «anständige» Gesellschaft, die sich auch finanziell nicht lumpen ließ. Zahlreiche Kreisräte und Bürgermeister der CSU beteiligten sich ebenso an der Hilfsaktion wie ein Minister, der zusammen mit zwei Kollegen die Hand über den Täter hielt. Um die Opfer und ihre Angehörigen kümmerte sich niemand. SIe waren ja nur «Zigeuner» und sie blieben es, von Empathie bis heute keine Spur. Hans Woller schildert die Hintergründe und Folgewirkungen dieses Kriminalfalles, der als «Zigeuner-Krieg» für Schlagzeilen sorgte.
Der "Zigeunerkrieg" von Niederthann Der Kriminalfall jährt sich in diesem Jahr zum 50. Mal Wenn die Opfer für Täter gehalten werden Wie wird die Wahrnehmung eines Verbrechens durch alltägliche Stereotypen überdeckt? Einblicke in die Mechanik des Alltagsrassismus
In Niederthann gärt eine dunkle Vergangenheit. Das beschauliche Dorf in Oberbayern war in den 1970er Jahren Schauplatz eines Verbrechens, das als Lehrstück für Alltagsrassismus und seine verhängnisvollen Konsequenzen dienen kann: Eine junge Romni verlor ihr Leben, eine andere blieb schwer verletzt zurück. Hans Woller hat den Kriminalfall rekonstruiert und erzählt eine Geschichte voller Abgründe und rassistischer Ressentiments, die uns fern erscheint, aber doch so nahe ist. Denn Fragen wie diese sind nach wie vor brandaktuell: Die Schüsse von Niederthann - könnten sie wieder fallen, wen würden sie diesmal treffen, und würde die Gesellschaft heute anders darauf reagieren als damals, als man den Täter zum Opfer erklärte und den Opfern mit ebenso kaltherziger wie herabsetzender Gehässigkeit begegnete?
In Niederthann fielen 1972 vier Schüsse. Keiner ging daneben. Die Bilanz war schauerlich: eine schwer verletzte Romni und eine tote Romni, die ein Kind im Leibe trug. Sie flohen bereits aus dem Bauernhof, in dem sie überrascht worden waren. Der Todesschütze kam vor Gericht glimpflich davon. Alle standen zu ihm: die Polizei, die Justiz, die katholische Kirche, die CSU, überhaupt die ganze «anständige» Gesellschaft, die sich auch finanziell nicht lumpen ließ. Zahlreiche Kreisräte und Bürgermeister der CSU beteiligten sich ebenso an der Hilfsaktion wie ein Minister, der zusammen mit zwei Kollegen die Hand über den Täter hielt. Um die Opfer und ihre Angehörigen kümmerte sich niemand. SIe waren ja nur «Zigeuner» und sie blieben es, von Empathie bis heute keine Spur. Hans Woller schildert die Hintergründe und Folgewirkungen dieses Kriminalfalles, der als «Zigeuner-Krieg» für Schlagzeilen sorgte.
Der "Zigeunerkrieg" von Niederthann Der Kriminalfall jährt sich in diesem Jahr zum 50. Mal Wenn die Opfer für Täter gehalten werden Wie wird die Wahrnehmung eines Verbrechens durch alltägliche Stereotypen überdeckt? Einblicke in die Mechanik des Alltagsrassismus
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2023Ihr Schicksal interessierte keinen
Hans Woller arbeitet in seinem Buch „Jagdszenen aus Niederthann“ nicht nur einen Kriminalfall auf,
sondern zeigt, wie tief verwurzelt die Ressentiments gegen Sinti und Roma in unserer Gesellschaft sind
VON SABINE REITHMAIER
Vielleicht war es eine mit Faszination gemischte Urangst vor „Zigeunern“, ererbt von Mutter und Großmutter, die Hans Woller bewogen hat, die „Jagdszenen aus Niederthann“ zu schreiben, mehr als ein halbes Jahrhundert nach Martin Sperrs Volkstück „Jagdszenen aus Niederbayern“ (1966), in dem um das Schicksal eines homosexuellen Außenseiters in einer verlogenen Dorfgemeinschaft geht. Vielleicht verleitete Woller aber auch die Affinität zu den „Abgründen der bayerischen Provinz“, aus der er stammt, eine Art Vergangenheitsbewältigung in eigener Sache also.
Ganz genau weiß der Historiker nicht, warum ihn der SZ-Artikel aus dem Jahr 1972 über den „Zigeuner-Krieg“ in Niederthann, auf den er während einer anderen Recherche stieß, so elektrisierte. Jedenfalls beschloss er, der Sache nachzugehen. Entstanden ist ein fabelhaftes Buch über Antiziganismus, nüchtern, klar und immens spannend geschrieben, das dem Leser unentwegt verdeutlicht, wie tief verwurzelt die Ressentiments gegen Sinti und Roma in unserer Gesellschaft sind.
Das „Lehrstück über Rassismus“, so der Untertitel, setzt am Nachmittag des 5. November 1972 ein. Nachmittags gegen 15 Uhr tauchen fünf junge Romnja in Niederthann auf, einem kleinen Dorf in der Nähe von Pfaffenhofen. Sie wollen Lebensmittel für ihre Leute kaufen, Geld haben sie dabei. Als in einem Bauernhof am Ortsrand die Haustür offensteht, betreten die Fünf das Haus, steigen die Treppen hoch bis zum Dachboden. Und ergreifen sofort die Flucht, als die Bauernfamilie die Eindringlinge bemerkt. Den drei jüngeren gelingt es, das Haus unbeschadet zu verlassen. Im Gegensatz zu den beiden anderen, denen der angetrunkene Bauer hinterherschießt. Er tötet mit zwei Schüssen die 18-jährige schwangere Anka Denisov und verletzt die 16-jährige Milena Ivanov schwer.
Woller fächert diesen Kriminalfall in vielen Facetten auf, beleuchtet die Begleitumstände, analysiert die Folgen bis in die Gegenwart. Sinti und Roma Zigeuner zu nennen, war in den Siebzigerjahren quer durch alle Schichten und Medien eine Selbstverständlichkeit. Die Polizei stellt sich nach der Tat auf die Seite des Todesschützen – Woller gibt ihm den fiktiven Namen Max Brunnwieser – und verhaftet die unverletzten Mädchen, zehn, 14 und 15 Jahre alt. Statt den Täter festzunehmen, bringt sie ihn und seine Familie zum Schutz vor der rachsüchtigen „Zigeunersippe“ auf dem Hof seiner Schwägerin im benachbarten Aufham unter, verunsichert die Bevölkerung mit ihren Vermutungen über eine mögliche Blutrache. Erst am Tag darauf nehmen die Polizisten Brunnwieser auf Drängen der Staatsanwaltschaft in München fest.
Das Dorf stellt sich geschlossen auf die Seite ihres Mitbürgers. Für die Einwohner ist klar, dass Brunnwieser nur seine Familie und den Hof verteidigt hat. Vermutlich gab es auch damals Menschen, die darüber nachdachten, dass der Landwirt auf flüchtende Mädchen geschossen hatte, von Notwehr also keine Rede sein konnte. Doch die Skeptiker, die solche Überlegungen anstellten, behielten ihre Zweifel für sich, schreibt Woller. „Exponieren wollte sich keiner.“ Für das Schicksal der Romnja interessierte sich keiner, weder die örtlichen Pfarrer noch die Politiker, die sich ausschließlich für das bis dahin unbescholtene CSU-Mitglied einsetzten. Sowohl Bürgermeister als auch Landrat, beide CSU, organisierten Spendenaktionen und Tombolas, um die Familie zu unterstützen. Sogar der Roider Jackl, der sonst so kritische Volkssänger, trat zugunsten der Familie auf, spendete seine Gage den Brunnwiesers. Der Landwirt jedenfalls konnte sich drei Spitzenanwälte leisten, darunter Erich Schmidt-Leichner, der wenige Jahre zuvor SS-Größen verteidigt hatte und nicht davor zurückschreckte, die Angehörigen Anka Denisovs übelst zu verunglimpfen.
Brunnwieser wurde 1974 zu sieben Jahre Gefängnis wegen Totschlags verurteilt, sehr zur Empörung seiner wütenden Mitbürger, die die Strafe als viel zu hoch empfanden. In der Revision verkürzte das Gericht die Strafe auf drei Jahre. Doch nach eineinhalb Jahren wurde der Bauer nach einer Intervention von Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann freigelassen.
Kein Geld, keine Unterstützung erhielt dagegen die Familie der getöteten Anka Denisov. Sie hinterließ einen Mann und zwei Söhne, damals zwölf Monate und drei Jahre alt. Daran konnte auch Staranwalt Rolf Bossi, der als Nebenkläger die Interessen der Roma vertrat, nichts ändern. Bei Brunnwieser, den er aufforderte, als Zeichen seiner Reue die Begräbniskosten zu übernehmen, biss er auf Granit. Dass Bossi Sinti und Roma als Klienten vertrat – und auch während des Prozesses auf die Verfolgung derselben während der Diktatur der Nationalsozialisten hinwies – hängt mit seiner Lebensgeschichte zusammen: Sein Vater, ein naturalisierter Italiener, war von den Nazis wegen Wehrkraftzersetzung hingerichtet worden.
Bossis Versuche, Entschädigung für die Familie der Toten zu erstreiten, scheiterten an zynisch anmutenden Spitzfindigkeiten: Anka und ihr Mann waren nicht nach deutschem Recht verheiratet, sondern nur nach „Zigeunerart“. Daher existierten weder eine Heiratsurkunde noch die Geburtsurkunden der Kinder. Die Angehörigen gingen bis heute leer aus.
Woller ist es gelungen, zu Nedelko Slavic, dem älteren, inzwischen in den Niederlanden lebenden Sohn von Anka Denisov Kontakt aufzunehmen. Dessen Leben war kein besonders glückliches; Slavic erzählte Woller von Beschimpfungen, Diskriminierungen, Zurücksetzungen, die er zeitlebens erlebt hat – nicht nur in Deutschland. „Sinti und Roma begegnen auch heute noch fast überall einer Mischung aus Gleichgültigkeit, Ablehnung und offener Feindseligkeit“, schreibt Woller, trotz aller Fortschritte, die der Historiker ebenfalls darstellt. Aber immer noch belegen Untersuchungen die negativen Einstellungen gegenüber den in Deutschland als nationale Minderheit anerkannten Sinti und Roma. Immerhin glaubt Nedelko Slavic, dass die Zukunft für seine Kinder und Enkelkinder besser aussieht, als es sein Leben war. Hoffentlich behält er recht.
Jagdszenen aus Niederthann. Ein Lehrstück über Rassismus (C.H. Beck Verlag). Autor Hans Woller im Gespräch mit Radoslav Ganev. Mittwoch, 1.2., 19 Uhr, Literaturhaus München (Saal)
Ein fabelhaftes Buch über
Antiziganismus, nüchtern, klar
und spannend geschrieben
Kein Geld, keine Unterstützung
erhielt die Familie
der getöteten Anka Denisov
Historiker Hans Woller hat sich intensiv mit den Ereignissen in
Niederthann beschäftigt. Dort wurde im November 1972 eine junge Romnja erschossen, eine weitere schwer verletzt. Das Foto rechts zeigt Romnja mit ihren Kindern im besetzten Russland während des Zweiten Weltkriegs.
Fotos: Ester Jaroschka,
SZ Photo/Scherl
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Hans Woller arbeitet in seinem Buch „Jagdszenen aus Niederthann“ nicht nur einen Kriminalfall auf,
sondern zeigt, wie tief verwurzelt die Ressentiments gegen Sinti und Roma in unserer Gesellschaft sind
VON SABINE REITHMAIER
Vielleicht war es eine mit Faszination gemischte Urangst vor „Zigeunern“, ererbt von Mutter und Großmutter, die Hans Woller bewogen hat, die „Jagdszenen aus Niederthann“ zu schreiben, mehr als ein halbes Jahrhundert nach Martin Sperrs Volkstück „Jagdszenen aus Niederbayern“ (1966), in dem um das Schicksal eines homosexuellen Außenseiters in einer verlogenen Dorfgemeinschaft geht. Vielleicht verleitete Woller aber auch die Affinität zu den „Abgründen der bayerischen Provinz“, aus der er stammt, eine Art Vergangenheitsbewältigung in eigener Sache also.
Ganz genau weiß der Historiker nicht, warum ihn der SZ-Artikel aus dem Jahr 1972 über den „Zigeuner-Krieg“ in Niederthann, auf den er während einer anderen Recherche stieß, so elektrisierte. Jedenfalls beschloss er, der Sache nachzugehen. Entstanden ist ein fabelhaftes Buch über Antiziganismus, nüchtern, klar und immens spannend geschrieben, das dem Leser unentwegt verdeutlicht, wie tief verwurzelt die Ressentiments gegen Sinti und Roma in unserer Gesellschaft sind.
Das „Lehrstück über Rassismus“, so der Untertitel, setzt am Nachmittag des 5. November 1972 ein. Nachmittags gegen 15 Uhr tauchen fünf junge Romnja in Niederthann auf, einem kleinen Dorf in der Nähe von Pfaffenhofen. Sie wollen Lebensmittel für ihre Leute kaufen, Geld haben sie dabei. Als in einem Bauernhof am Ortsrand die Haustür offensteht, betreten die Fünf das Haus, steigen die Treppen hoch bis zum Dachboden. Und ergreifen sofort die Flucht, als die Bauernfamilie die Eindringlinge bemerkt. Den drei jüngeren gelingt es, das Haus unbeschadet zu verlassen. Im Gegensatz zu den beiden anderen, denen der angetrunkene Bauer hinterherschießt. Er tötet mit zwei Schüssen die 18-jährige schwangere Anka Denisov und verletzt die 16-jährige Milena Ivanov schwer.
Woller fächert diesen Kriminalfall in vielen Facetten auf, beleuchtet die Begleitumstände, analysiert die Folgen bis in die Gegenwart. Sinti und Roma Zigeuner zu nennen, war in den Siebzigerjahren quer durch alle Schichten und Medien eine Selbstverständlichkeit. Die Polizei stellt sich nach der Tat auf die Seite des Todesschützen – Woller gibt ihm den fiktiven Namen Max Brunnwieser – und verhaftet die unverletzten Mädchen, zehn, 14 und 15 Jahre alt. Statt den Täter festzunehmen, bringt sie ihn und seine Familie zum Schutz vor der rachsüchtigen „Zigeunersippe“ auf dem Hof seiner Schwägerin im benachbarten Aufham unter, verunsichert die Bevölkerung mit ihren Vermutungen über eine mögliche Blutrache. Erst am Tag darauf nehmen die Polizisten Brunnwieser auf Drängen der Staatsanwaltschaft in München fest.
Das Dorf stellt sich geschlossen auf die Seite ihres Mitbürgers. Für die Einwohner ist klar, dass Brunnwieser nur seine Familie und den Hof verteidigt hat. Vermutlich gab es auch damals Menschen, die darüber nachdachten, dass der Landwirt auf flüchtende Mädchen geschossen hatte, von Notwehr also keine Rede sein konnte. Doch die Skeptiker, die solche Überlegungen anstellten, behielten ihre Zweifel für sich, schreibt Woller. „Exponieren wollte sich keiner.“ Für das Schicksal der Romnja interessierte sich keiner, weder die örtlichen Pfarrer noch die Politiker, die sich ausschließlich für das bis dahin unbescholtene CSU-Mitglied einsetzten. Sowohl Bürgermeister als auch Landrat, beide CSU, organisierten Spendenaktionen und Tombolas, um die Familie zu unterstützen. Sogar der Roider Jackl, der sonst so kritische Volkssänger, trat zugunsten der Familie auf, spendete seine Gage den Brunnwiesers. Der Landwirt jedenfalls konnte sich drei Spitzenanwälte leisten, darunter Erich Schmidt-Leichner, der wenige Jahre zuvor SS-Größen verteidigt hatte und nicht davor zurückschreckte, die Angehörigen Anka Denisovs übelst zu verunglimpfen.
Brunnwieser wurde 1974 zu sieben Jahre Gefängnis wegen Totschlags verurteilt, sehr zur Empörung seiner wütenden Mitbürger, die die Strafe als viel zu hoch empfanden. In der Revision verkürzte das Gericht die Strafe auf drei Jahre. Doch nach eineinhalb Jahren wurde der Bauer nach einer Intervention von Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann freigelassen.
Kein Geld, keine Unterstützung erhielt dagegen die Familie der getöteten Anka Denisov. Sie hinterließ einen Mann und zwei Söhne, damals zwölf Monate und drei Jahre alt. Daran konnte auch Staranwalt Rolf Bossi, der als Nebenkläger die Interessen der Roma vertrat, nichts ändern. Bei Brunnwieser, den er aufforderte, als Zeichen seiner Reue die Begräbniskosten zu übernehmen, biss er auf Granit. Dass Bossi Sinti und Roma als Klienten vertrat – und auch während des Prozesses auf die Verfolgung derselben während der Diktatur der Nationalsozialisten hinwies – hängt mit seiner Lebensgeschichte zusammen: Sein Vater, ein naturalisierter Italiener, war von den Nazis wegen Wehrkraftzersetzung hingerichtet worden.
Bossis Versuche, Entschädigung für die Familie der Toten zu erstreiten, scheiterten an zynisch anmutenden Spitzfindigkeiten: Anka und ihr Mann waren nicht nach deutschem Recht verheiratet, sondern nur nach „Zigeunerart“. Daher existierten weder eine Heiratsurkunde noch die Geburtsurkunden der Kinder. Die Angehörigen gingen bis heute leer aus.
Woller ist es gelungen, zu Nedelko Slavic, dem älteren, inzwischen in den Niederlanden lebenden Sohn von Anka Denisov Kontakt aufzunehmen. Dessen Leben war kein besonders glückliches; Slavic erzählte Woller von Beschimpfungen, Diskriminierungen, Zurücksetzungen, die er zeitlebens erlebt hat – nicht nur in Deutschland. „Sinti und Roma begegnen auch heute noch fast überall einer Mischung aus Gleichgültigkeit, Ablehnung und offener Feindseligkeit“, schreibt Woller, trotz aller Fortschritte, die der Historiker ebenfalls darstellt. Aber immer noch belegen Untersuchungen die negativen Einstellungen gegenüber den in Deutschland als nationale Minderheit anerkannten Sinti und Roma. Immerhin glaubt Nedelko Slavic, dass die Zukunft für seine Kinder und Enkelkinder besser aussieht, als es sein Leben war. Hoffentlich behält er recht.
Jagdszenen aus Niederthann. Ein Lehrstück über Rassismus (C.H. Beck Verlag). Autor Hans Woller im Gespräch mit Radoslav Ganev. Mittwoch, 1.2., 19 Uhr, Literaturhaus München (Saal)
Ein fabelhaftes Buch über
Antiziganismus, nüchtern, klar
und spannend geschrieben
Kein Geld, keine Unterstützung
erhielt die Familie
der getöteten Anka Denisov
Historiker Hans Woller hat sich intensiv mit den Ereignissen in
Niederthann beschäftigt. Dort wurde im November 1972 eine junge Romnja erschossen, eine weitere schwer verletzt. Das Foto rechts zeigt Romnja mit ihren Kindern im besetzten Russland während des Zweiten Weltkriegs.
Fotos: Ester Jaroschka,
SZ Photo/Scherl
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
"Ein fabelhaftes Buch über Antiziganismus, nüchtern, klar und immens spannend geschrieben, das dem Leser unentwegt verdeutlicht, wie tief verwurzelt die Ressentiments gegen Sinti und Roma in unserer Gesellschaft sind."
Süddeutsche Zeitung, Sabine Reithmaier
"Das Buch arbeitet die Tat und ihre Folgen in True-Crime Manier auf."
Süddeutsche Zeitung, Moritz Baumstieger
"Hervorragende Quellenrecherche und brandaktuelle Fragen gehen Hand in Hand."
Neue Passauer Presse, Stefan Rammer
"In einer minutiös recherchierten Studie rollt der Historiker Hans Woller die bis heute nicht restlos geklärten Ereignisse neu auf, die vor 50 Jahren in Bayern zum Tod einer jungen Romni führten."
Die Furche, Christian Jostmann
Süddeutsche Zeitung, Sabine Reithmaier
"Das Buch arbeitet die Tat und ihre Folgen in True-Crime Manier auf."
Süddeutsche Zeitung, Moritz Baumstieger
"Hervorragende Quellenrecherche und brandaktuelle Fragen gehen Hand in Hand."
Neue Passauer Presse, Stefan Rammer
"In einer minutiös recherchierten Studie rollt der Historiker Hans Woller die bis heute nicht restlos geklärten Ereignisse neu auf, die vor 50 Jahren in Bayern zum Tod einer jungen Romni führten."
Die Furche, Christian Jostmann