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Im Qualifikationswettbewerb um die Aufnahme ins 'Who's who peinlicher Personen' ist der Andrang groß. Aber auch diesmal wurden keine Mühen gescheut, einen möglichst repräsentativen Querschnitt von besonders grotesken Gestalten aus Politik und Kultur vorzustellen, z.B. ein Schweinchen namens Guildo Horn, die Killertomate in der Welt der Triefmusik Dieter Bohlen, den Meister der Aufschneiderei Wolf Wondratschek, den Schnoddermann mit der Clownsnase Hellmuth Karasek, den mumpfelnden Politbürogartenzwerg Egon Krenz, den nicht sehr intelligenten Rolf Hochhuth, der die deutsche Sprache vor dem…mehr

Produktbeschreibung
Im Qualifikationswettbewerb um die Aufnahme ins 'Who's who peinlicher Personen' ist der Andrang groß. Aber auch diesmal wurden keine Mühen gescheut, einen möglichst repräsentativen Querschnitt von besonders grotesken Gestalten aus Politik und Kultur vorzustellen, z.B. ein Schweinchen namens Guildo Horn, die Killertomate in der Welt der Triefmusik Dieter Bohlen, den Meister der Aufschneiderei Wolf Wondratschek, den Schnoddermann mit der Clownsnase Hellmuth Karasek, den mumpfelnden Politbürogartenzwerg Egon Krenz, den nicht sehr intelligenten Rolf Hochhuth, der die deutsche Sprache vor dem Untergang retten will, den stilblütenbildenden Schriftsteller Robert Schneider, den singenden Romika-Schuh Hartmut Engler von der Gruppe Pur, die deutsche Tante Denunziante Alice Schwarzer, Peter Maffay mit dem Charme eine ökumenischen Feldgottesdienstes und viele andere mehr aus dem Horrorkabinet der eitlen Dödel.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.1998

Eine Schwadron von Schwadronierern
Der Wagen fährt gar nicht erst vor: Derrick und andere Mythen des Alltags

Zu den prägendsten Begegnungen unseres Lebens zählen, wie man auch zu ihnen stehen mag, Menschen wie Arabella Kiesbauer, Eugen Drewermann oder Erich von Däniken. Und dann? Kann man sich über sie nur ärgern, wie es der von Klaus Bittermann herausgegebene Sammelband "Warum sachlich, wenn's auch persönlich geht" nahelegt, in dem die Genannten neben 144 anderen als "peinliche Personen" figurieren? Oder haben wir es mit "Deutschen Helden" zu tun, deren 49 uns ein von Hartmut Kasper herausgegebener Sammelband auflistet? Oder ist alles ganz anders? Hat Georg Seeßlen recht, der in "Derrick und die Dorfmusikanten" Prominente wie Dietmar Schönherr, Mecki oder die Beimers für die Bewohner einer gespenstischen Welt hält, von der sich der Hades kaum unterscheiden dürfte?

In Seeßlens "Miniaturen zur deutschen Unterhaltungskultur" werden die Bewohner der "Lindenstraße" zu symbolischen Repräsentanten für die "ökonomische und kulturelle Verelendung des Kleinbürgertums". Daß so eifrig gestorben wird, erklärt er so: Diese Kleinbürger verlieren "Runde um Runde im Wettlauf mit dem Tod", und der "moralische Widerstand, den die Figuren ihrer Verelendung entgegensetzen, ihre innere Opposition gegen den Staat und die Gesellschaft der neunziger Jahre, ihre gelegentliche Solidarität mit denen, die noch mehr Opfer sind als sie selbst, die tapferen Versuche, in neuen postfamiliären Lebensformen zurechtzukommen, sind die Kehrseite ihrer Todessehnsucht".

Seeßlen sucht also nach tieferer Bedeutung. Dabei übersieht er die Form. Er vernachlässigt die melodramatische Struktur der "Lindenstraße", in der die Asylpolitik oder der Rechtsradikalismus oft austauschbare Auslöser eines banalen Spiels um Bangen und Hoffen, Verletzen und Verletztwerden sind. Doch selbst wenn Seeßlen recht hätte und diese Serie in ihren Konflikten aufs Politische zielte: Es bleibt die Frage, ob die dergestalt dramatisierte Verelendungstheorie tatsächlichen Verhältnissen entspricht oder nicht vielmehr eine linke Form der seichten Unterhaltung ist, die die Lebenslügen einer bestimmten Schicht bedient. Diese erwartet dank eines kümmerlichen Rests politischen Bewußtseins, daß die schlimme Welt einmal pro Woche im Fernsehen erscheint und dann bitte so dargestellt wird, daß sich die Zuschauer "nur als mit beschränkten Mitteln reagierende politische Subjekte" (Seeßlen) fühlen können. Diese Frage aber stellt sich Seßlen nicht. Für ihn ist die Beschäftigung mit der tieferen Bedeutung nicht das, was früher einmal Ideologiekritik hieß, sondern - was noch älter wirkt - die Suche nach geschichtsphilosophischer Wahrheit.

Bei Derrick weist uns Seeßlen zwar darauf hin, daß jener berühmte Satz "Harry, fahr schon mal den Wagen vor" nie fällt, wichtiger aber ist ihm, daß es in diesen Geschichten, die "nicht umsonst von Herbert Reinecker stammen, der seine Wurzeln im Nationalsozialismus nie verleugnen wollte", um folgendes geht: "Der überadaptierte Kleinbürger denunziert und bestraft den Vertreter einer dekadenten und psychotischen Oberschicht, deren Reichtum und Macht keinerlei moralische und soziale Deckung mehr aufweisen. Eine sterbende, mehr noch eine todesgeile Klasse." Hie bekannte, leere Phrasen; da verstreute Beobachtungen zu Personen, auf die es aber, da sie ja ohnehin nur Stichworte liefern, so sehr nicht ankommt. Trotzdem haftet Seeßlens Blick wie gebannt an den Derricks und Beimers.

Wenn ihnen aber schon nicht zu entkommen ist, kann man sie doch einfach genießen. Das gibt der Sammelband "Deutsche Helden" zu verstehen. Derrick? "Welches sind die Voraussetzungen, um Mitglied im Derrick-Fan-Club ,Gorch-Fock' zu werden?" fragt ein Interviewer ein Club-Mitglied. "Das einzige, was sein muß, ist, daß man Spaß an Derrick hat und alles nicht zu ernst nimmt und trotzdem ordentlich mitbangt." Raumschiff Orion? "Das lockere Regiment des Commanders (ein Willy Brandt des Alls?) infiziert selbst die kühle Tamara Jagellovsk, so daß sie die unendliche Reihe von Dienstvorschriften vergißt und sich in den impulsiven Cliff verliebt - am Ende der siebenteiligen Serie kriegen sich beide. Wie schön . . ." Jenseits der Kritik, so lehrt uns dieser Sammelband, regieren "Kult" und wohlwollende Ironie.

Weder listig noch subversiv ist diese Affirmation. Wohl aber distanziert, da der Impuls zum Genuß einzig vom Rezipienten ausgeht. Egal, was Luis Trenker wirklich will: "Für uns bleibt er ein Leinwandheld, der mit Sylvester Stallone mehr gemeinsam hat als beispielsweise mit Ernst Jünger." Die gespielt naiven Porträts sind keine sonderlich anregende Lektüre. Oft leiern sie lediglich biographische Daten herunter und verfallen bei einzelnen kritischen Regungen, etwa zu Pierre Brice, in kindisches Kichern. Immerhin aber demonstrieren sie, wie man es sich mit jenen omnipotenten und -präsenten Idolen nett machen kann. Dabei hilft ein ausgeprägtes Formbewußtsein, das von Inhalten absieht: Bei Arabella Kiesbauer "zählt die Performanz des Arguments, nicht seine Konsistenz. Lange Zeit war die Talk-Show ein Gesprächsclub. Erst Arabella, die Schamanin des schlechten Geschmacks, hat den Show-Charakter wirklich eingelöst."

Dennoch atmet man auf, wenn man im "Who's who peinlicher Personen" zu Arabella Kiesbauer lesen kann: "Wenn Arabella Kiesbauer über sich spricht, dann möchte sie nicht von etwas gestört werden, das sich ,Denken' nennt. Arabella Kiesbauer nennt diesen Vorgang ,einmal unreflektiert denken'. Ließe sich aber nicht auch sagen: ,Denken, ohne zu reflektieren', oder ,reflektieren, ohne zu denken'? Oder dachte Arabella Kiesbauer nicht vielmehr daran, das reflektiert so, daß ich mich gar nicht konzentrieren kann, weshalb sie dann das Licht ausknipst?" Und es tut gut, daß den zehn Autoren des Buches auch Johnny Klinke, Michael Steinbrecher und Alfred Biolek aufgefallen sind. Man kann sich gewiß fragen, warum Roger Willemsen fehlt, während Manfred Krug dabei ist, warum alle Prügel beziehen, die für ein militärisches Eingreifen im ehemaligen Jugoslawien plädiert haben, und ob es nötig war, daß die Autoren ihre Fehden mit dem Verleger Gerd Haffmans in Buchform führen müssen. All das sind kleinliche Einwände, da es doch vor allem darauf ankam, Iris Berben und Veronica Ferres, DJ Bobo und Heinz Rudolf Kunze, Helmut Markwort und Friedrich Schorlemmer einmal eins auszuwischen. Doch dabei bleibt's dann auch.

Dieses "Who's who peinlicher Personen" steht gleichsam in der Mitte zwischen Seeßlens "Miniaturen" und der Heldengalerie: Seeßlen vollführt altbekannte Drehbewegungen allegorisierender Kritik, das Heldenbuch huldigt modernistischer Affirmation. Die Autoren der Peinlichkeitsparade feuern einerseits mit schwerem stilistischen Geschütz und bemühen sich um analytische Dekonstruktion, andererseits sind sie so fixiert auf Kiesbauer und Co., daß deren Einordnung unterbleibt. Keines der drei Bücher geht vom Ansatz her fehl: Erstens muß man Medienwesen natürlich interpretieren, zweitens ganz gewiß bewußtlos genießen, drittens auf jeden Fall hassen. Sollte man also die Werke zu einem kompilieren? Dazu muß man alle drei Bücher lesen. Wer das aber tut, dem werden all jene Gestalten mit der Zeit derartig gleichgültig, daß ein ganz anderer Wunsch Gestalt annimmt: sie einfach zu vergessen. MATTHIAS KAMANN

Georg Seeßlen: "Derrick und die Dorfmusikanten". Miniaturen zur deutschen Unterhaltungskultur. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1997. 157 S., br., 19,80 DM.

Klaus Bittermann (Hrsg.): "Warum sachlich, wenn's auch persönlich geht". Das Who's who peinlicher Personen. Jahrbuch 1997. Edition Tiamat, Berlin 1997. 191 S., br., 28,- DM.

Hartmut Kasper (Hrsg.): "Deutsche Helden!" Luis Trenker, Perry Rhodan, Steffi Graf und viele andere. Reclam Verlag, Leipzig 1997. 192 S., br., 19,- DM.

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