Produktdetails
  • Verlag: Ammann
  • ISBN-13: 9783250601302
  • ISBN-10: 3250601306
  • Artikelnr.: 25573282
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.05.2009

Fallobst zwischen Früchten
Ernst Halter will das zwanzigste Jahrhundert ergründen

Gelungen sind die Fotografiebeschreibungen. Das klingt etwas seltsam, zumal es in der modernen Literatur längst eingeführt ist, Bilder nicht zu beschreiben, sondern einfach zu reproduzieren. Aber die Bildbeschreibung hat gegenüber dem Bild wie gegenüber einer Gegenstandsbeschreibung einen ganz eigenen Charakter. Das hängt mit dem Verhältnis zur Zeit zusammen. Auch die Gegenstandsbeschreibung hemmt den Erzählfluss, trotzdem bleiben wir in der Zeit, insofern das Auge das Objekt abtastet. Und ein Bild stellt zwar einen Augenblick dar, wählt ihn aber so, dass in ihm der ganze Handlungszusammenhang sichtbar wird. In der Bildbeschreibung dagegen wird der Augenblick des Bildes als Augenblick fixiert. Da geht nicht am 24. Januar 1915 kurz nach 13 Uhr beim Seegefecht vor der Doggerbank der Panzerkreuzer Blücher mit sechshundert Mann unter, sondern wie in einer danteschen Hölle schwimmen die einen für alle Ewigkeit, um dem zu erwartenden Sog zu entkommen, und die anderen zögern vor dem Sprung ins kalte Wasser. Und wenn bei einem großen Haufen zerfallender Schuhe die hellgrauen Flecken von Schimmelflechte, die im von Blut und Eiter durchtränkten Filz sternenförmig ausblühen, betrachtet werden, vermittelt die Beschreibung, je genauer und unparteilicher sie ist, einen Eindruck von der eigentlichen Furchtbarkeit des Lebens im GULag, seiner endlosen Dauer.

Motiviert werden die Fotografiebeschreibungen dadurch, dass der Ich-Erzähler, der mit dem Autor, Ernst Halter, identisch zu sein scheint, eine große Liebe zum Detail historischer Materialien - Landkarten, Bevölkerungsstatistiken - bekundet. Und konkret ist die erste Hauptfigur des Romans ein Fotograf. Als Alter Ego des Erzählers versucht er am Anfang des letzten Jahrhunderts, neben seiner Auftragsarbeit, die Wirklichkeit des Kantons Aargau, in der Halter lebt, zu porträtieren, die Landschaft, das harte Leben der torfstechenden Bauern, die Fabrikarbeit, das Armenhaus. Alter Ego, naive Präexistenz des Erzählers ist er obendrein in seinen ästhetischen Reflexionen. Einerseits glaubt er an die dokumentarische Fähigkeit der Fotografie, "das unwiderlegbare Vorhandengewesensein einer Konstellation von Gegenständen" festzuhalten. Andererseits weiß er, dass er selbst Lichteinfall, Blickwinkel, Stellungen vorgibt, immer auch eine Scheinwelt inszeniert. Nackt sei die Wahrheit nie, sondern hinter Schleiern von Konvention und Prätention verborgen. Ist der Schriftsteller, so muss man das wohl weiterdenken, dem Fotografen auch an Materialnähe unterlegen, hat er doch die größere Fähigkeit, den Schein zu durchschauen. "Sprache aber, die um ihre fragwürdige Existenz weiß, muss von sich selbst reden."

Und hier beginnt das ganz und gar nicht Gelungene des Romans. Der Autor möchte das Wesen des zwanzigsten Jahrhunderts erfassen. Dazu werden diverse Kapitelchen über sieben Epochen geführt: Apokalyptische Miniaturen, bei denen in Landschaften etwas Unheimliches einfällt; der erwähnte Fotograf; eine Schweizerin, die im Fernen Osten Kakaniens einen Adligen geheiratet hat; eine fiktive, mit den edelsten Geistern besetzte Gesellschaft zur Pflege eines fiktiven nationalistischen Autors; ein Feuchtgebiet am heimischen Talausgang, das später melioriert und dann renaturiert wird - das alles mit Untergangs-Motti reich bestückt, mit kursivierten Ausdrücken durchsetzt, die eine transzendente Ebene zu bezeichnen scheinen und fortschreitend durch teils fiktive, teils reale Dokumente zu Bohr, Brecht, der - hier noch so genannten - Kristallnacht, dem Warschauer Ghetto oder Seveso versehen.

Natürlich ist Polyphonie ein legitimes Verfahren. Nur muss es sich auch um echte Kontrapunkte handeln. Die Stimmen müssen verschiedene oder gar gegensätzliche Aspekte der gemeinsamen Sache darstellen. So aber sieht es aus, als habe der Autor überlegt, was denn noch in einem Roman zum zwanzigsten Jahrhundert erwähnt werden muss. Und dann läuft alles auf dasselbe Interpretament hinaus: Das zwanzigste Jahrhundert als Epoche der Grenzen. Einzig deshalb wird etwa Kakanien, nämlich als "eine aus heutiger Sicht kostbare, gefährdete und zerstörte sogenannte multikulturelle Lebensform", eingebracht. Selbst da könnte man den Autor noch verteidigen, dass Autorenmeinungen im Gefüge des Romans zu einer Position unter anderen werden. Nur dafür ist es zu nachlässig gearbeitet. Es werden eben nicht Essays in Erzählendes gemischt oder Theorien von Personen vorgetragen, sondern die erzählenden entgleiten zu theoretisierenden Passagen, oder ein längeres Referat endet plötzlich als Personenrede. Man weiß oft nicht, wer gerade doziert. Und was er doziert, will man nicht wissen, weil es Leerformeln sind. "Die Grenzen der technischen Machbarkeit liegen in der wachsenden Komplexität der Technik und der Fehlbarkeit des Menschen." "Zeit war jetzt Tempo und, sobald man an einem Ort zu Hause war, Verlust." "Je länger dieses Jahrhundert dauerte, desto zahlreicher waren die gewesen, welche wussten, dass es keine Rückkehr gab."

Teils wird der Autor los, was er immer schon mal sagen wollte. "Leider wurde Canettis Masse und Macht bei seinem Erscheinen nicht nach Verdienst wahrgenommen." "Ich bin Hans Jonas dankbar, dass er sich als Philosoph wieder ernsthaft mit dem Bösen beschäftigt und feststellt, dass die von Hannah Arendt erkannte Banalität nur eine seiner möglichen Erscheinungsformen ist." "Sie können das im Detail bei Golo Mann nachlesen." Teils stellt er sich als geistig tollen Hecht dar. "Ich hatte verlernt, Ideologien und verwandten Seuchen zu erliegen." "Er fragte sich, ob es überhaupt noch Menschen gab, denen der Blick in den Kern geblieben war." "Er hatte Abscheu vor jeglicher besserwisserischer Engstirnigkeit." Und zu allem und jedem gibt es ein wertendes Wort. Von der Entossifizierung ist die Rede, von der "Globisierung, sorry Globalisierung", vom "kraftmeierischen Schwachsinn" und der "gepinselten Lüge" des "Sozrealismus", vom "Weisen vom Todtnauberg" und vom "Meister aus Oggersheim". Die Geschmacklosigkeit der Celan-Anspielung mag ein Versehen sein, gibt doch der Autor "Du sprichst ein großes Wort gelassen aus" als Schillerspruch aus.

Wie denn überhaupt einiges nicht recht stimmt. Hans Schwerte wäre 1968 in keiner nationalistischen Vereinigung mehr gewesen (er war damals im Gegenteil ein Begründer der kritischen Germanistik), und Spengler wäre nicht 1910 zum Herausgeber ernannt worden (erst 1918 machte das Erscheinen des Hauptwerks ihn bekannt). Plessner wäre überhaupt nie in diesen Verein eingetreten, und 1917 hätte man ihn auch nicht genommen.

Das alles wäre nicht der Analyse wert, wenn die Detailfreude des Autors nicht auch schöne Funde brächte. "Die Versorgungslage im Reich war derart schlecht, dass wir sämtliches Fallobst, selbst angefaultes, für den Export am Bahnhof in Benzenschwil abliefern konnten." Und es gibt auch ein paar gelungene Szenen, so wenn die Schweizer Kakanierin ein orthodoxes Weihnachtsfest auf dem Dorf besucht oder wenn der Erzähler-Autor seinen dementen Vater im Heim abliefert. Beides hat seinen Reiz darin, dass eigentlich nichts geschieht. Die Adlige wird müde, der Vater ist friedlich. Das heißt, in der Beschreibung wird aus der vielleicht für die Moderne charakteristischen Schwierigkeit zu erzählen, Kapital geschlagen. Der Griff zum modernistischen Formklischee des polyphonen Romans dagegen füllt die Lücken mit etwas, was man nicht anders als Geschwafel nennen kann.

GUSTAV FALKE

Ernst Halter: "Jahrhundertschnee". Roman. Ammann Verlag, Zürich 2009. 448 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2009

Staubblind, rußverkrustet, blau verstrichen
Poesie der Vergänglichkeit, vereint mit politischer Wachheit: Ernst Halters große Roman-Collage über das 20. Jahrhundert 
  Als Ernst Halter, da es die DDR noch gab, in den achtziger Jahren eine Reportagereise durch das Land unternahm, fühlte er sich wie in eine vergangene Welt versetzt. Das Land war hochindustrialisiert, doch waren die Anlagen antiquiert und heruntergekommen. Halter schien es, als fahre er durch ein gigantisches Freilichtmuseum: All die „Halbruinen, aus deren staubblinden, rußverkrusteten, blau verstrichenen Fenstern es noch flackerte und hämmerte, deren Rohre tropften oder spuckten, deren Ventile säuferten und zischten”, machten ihm den Eindruck, als habe es ihn in ein „von unserer Zeit abgekoppeltes, vom WC-Gestank der Leuna-Düngerwerke eingenebeltes, von Braunkohlenrauch durchduftetes, armes, schrecklich heimeliges Märchen” verschlagen.
  Vergeblich versuchte er, die zuständige Obrigkeit dafür zu gewinnen, das alles zu dokumentieren. Den Bildband, den er damals gern herausgegeben hätte, durfte es nicht geben. Halter blieb nichts übrig als zu beschreiben, was ihm als „realexistierende Poesie” vorkam. Das Kapitel ist ein kleiner Baustein in seiner großangelegten, aus vielen Episoden zusammengesetzten Collage des 20. Jahrhunderts. Es ist in verschiedener Hinsicht typisch: Halter ist politisch wach, doch moralisiert er nicht. Er ist ein melancholischer Beobachter der Vergänglichkeit, der die traurige Vermutung hegt, dass viele Dinge nicht besser werden, sondern nur anders.  
Der Erzähler Halter ähnelt einem seiner Protagonisten, dem Schweizer Fotografen Jakob Lanz, der zu Beginn der „Jahrhundertschnee”-Epoche erstmals auftritt. Lanz will sich nicht darauf beschränken, Hochzeiten, Taufen, Kommunionsfeiern und Vereinsfeste zu fotografieren. Er sucht mit der Kamera die Wahrheit, „seine” Wahrheit, und die liegt in dem, was die Konvention verachtet. Jakob Lanz glaubt, dass eine kleine Enttäuschung ihn dazu bewogen habe, Fotograf zu werden: Noch ein Kind, hatte er in einem Bach gestanden und versucht, eine Forelle zu packen. Aber der Fisch war seiner Hand entwischt: „Die Forelle war die Wahrheit, denn sie war wirklich, und er hatte danebengegriffen.”
So begann Lanz in einem Beruf, in dem er Fortune dabei haben würde, Dinge festzuhalten. Er fotografiert die Insassen eines Armenhauses, Geistesgestörte, bitterarme Torfstecher bei der Arbeit, einmal sogar die menschlichen „Monster” in einem Wanderzirkus. Und dann, mit neunzig Jahren, macht er sich auf ins deutsche Freiburg, wo er aufnehmen will, was in der Reichspogromnacht verbrochen wurde. So wird er vom Bewahrer zum Zeugen.
Ernst Halter hält es mit den einfachen Menschen, vor allem mit den Bauern. Der 1938 geborene Schweizer Schriftsteller kennt das Landleben; und was er nicht wusste, hat er in Erfahrung gebracht. Die über die Jahrzehnte wechselnden Bewohner des kleinen Gehöfts „Im Winkel”, das seine Eigner mehr schlecht als recht ernährt, lässt er immer mal wieder zu Wort kommen. Das beginnt mit Paula, die gern mehr gelernt hätte und immerhin mit Genugtuung daran denkt, ihren Kindern alle Vierteljahr eine neue Zahnbürste gekauft zu haben. Das endet mit der Aussteigerin Stefanie, einer begabten Mathematikerin, die gegen Ende des Jahrhunderts den Hof übernimmt und lieber ihren Schafen das Rechnen beibringen als Finanzanalysen erstellen will.
Dumpfdeutsche und die Ironie
  Von Leben und Tagewerk der Landleute erzählt Halter, auch von Büroangestellten, vertriebenen Aristokraten, Emigranten und Asylanten; zumeist lässt er sie selbst davon erzählen, auf die ihnen gemäße Weise. Sein Vokabular dürfte die Kenntnisse der Leser überfordern. Daran wird sich indes nur stoßen, wer auch „Moby Dick” nicht mag, weil darin so viele unbekannte Begriffe aus der Segelschifffahrt vorkommen. Ernst Halter hat eine eigene, unverwechselbare Sprache. Sie ist knorrig wie viele ihrer Gegenstände. Wenige deutschsprachige Gegenwartsschriftsteller vermögen wie er Natur und Landschaft so zu schildern, dass dabei mehr entsteht als die Skizze eines Hintergrundes. Halter liebt und respektiert die Natur zu sehr, als dass er beim Klischee hängenbliebe. Der Moment kurz nach einem Gewitter zum Beispiel wird sehr oft so beschrieben: „Die ersten Sonnenstrahlen brachen durch die Wolken.” Halter sagt stattdessen kurz und bündig: „Wolkendecke auf Sonnenstelzen”.
Dem Grauen des Ersten Weltkriegs und dem Weltverbrechen der Nationalsozialisten nähert er sich mit Scheu. Lieber lässt er Joseph Goebbels das Urteil über sich selbst sprechen, indem er aus einer Sportpalastrede zitiert, als dass er neue Worte für das „absolute Böse” suchte. Wohl kommen diese und andere Schreckensereignisse des 20. Jahrhunderts in der einen oder anderen Episode vor, doch im Ganzen geht es Halter nicht um eine literarische Abbildung der Ereignisgeschichte. Menschenschicksale sind sein Thema und das Mit- und Gegeneinander von Mensch und Natur. Aus dieser Perspektive erzählt, gelingt ihm zum Beispiel eine einprägsame Episode über den GAU in Tschernobyl, über den doch so vieles schon gesagt ist.
Mit den Figuren seines Buchs geht der Autor liebevoll um, tut es selbst dann, wenn etwa ein Tiefbauspezialist den abartigen Wunsch hegt, dass in seinem stillen Heimattal eine vierspurige Schnellstraße gebaut werde. Halter ist ein großer Ironiker, doch anders als Thomas Mann setzt er seine Ironie nicht zur Erniedrigung der Figuren ein, sondern zum höheren Amüsement des Lesers und um seinen Standpunkt deutlich zu machen.
Das gilt sogar für den in verschiedenen Episoden wiederaufgenommenen Erzählstrang, der dem Schicksal der grässlichen „S. A. Thorwaldt-Gesellschaft” gewidmet ist. Siegbert Armin Thorwaldt ist eine der wenigen Gestalten in diesem Roman, die es garantiert nicht gegeben hat: Er ist wirklicher als die Wirklichkeit, er ist nämlich ein Verschnitt der deutschtümelnden Autoren des 19. Jahrhunderts. Zu Beginn des 20. finden viele illustre Gestalten in der S.A. Thorwaldt-Gesellschaft zusammen, darunter Oswald Spengler, Gerhart Hauptmann, Max Weber, Ernst Jünger und Carl Schmitt. Man will Thorwaldts anscheinend unermessliches Schrifttum „über die kulturelle, moralische und wissenschaftliche Mission des Deutschtums” edieren.
Die Fährnisse dieser Gesellschaft begleitet Halter durch die Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus und bis in die Gegenwart. Der Duktus dieser Kapitel entspricht stets dem jeweils gängigen Jargon – Halter ist nebenbei auch ein vorzüglicher Parodist. 1968 ist der dumpfdeutsche Schwätzer Thorwaldt in der Bundesrepublik untragbar geworden, woraufhin seine Schriften in die DDR abgeschoben werden, deren eifrige, dialektisch versierte, von historischen Kenntnissen unbeleckte Philologen mühelos klassenkämpferisches und emanzipatorisches Gedankengut darin entdecken. Nach 1989, als diese Karte ausgereizt ist, stellen die Funktionäre kurzerhand „auf Nachtbetrieb um” und gründen in Weimar die „S.A.-Thorwaldt-Wach-und Schließgesellschaft”. Die Buchstaben S.A. kommen gut an.
Ernst Halters ungewöhnlicher, in jeder Hinsicht faszinierender und glänzend konzipierter Roman endet mit wehmütigen Reflexionen über die Zeit und den Wind, der über alles hinweggeht. Einzig die neu gegründete S. A. Thorwald-Gesellschaft feiert kurz vor Schluss des Buchs einen überraschenden Triumph – einen Triumph, wie er eigentlich diesem Roman gebührt. FRANZISKA AUGSTEIN
 
ERNST HALTER: Jahrhundertschnee. Roman. Ammann Verlag, Zürich 2009. 435 Seiten, 22,95 Euro.
Sein Triumph: Der Schweizer Schriftsteller Ernst Halter Foto: Alois Lang
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dem Buch gönnt Franziska Augstein einen Triumph. Derart politisch wach und dennoch ohne zu moralisieren hat sie das 20. Jahrhundert in einem Roman kaum je präsentiert bekommen. Dabei nimmt Ernst Halter vor allem die einfachen Leute in den Blick und das Leben auf dem Lande. Doch wenn Halter, seinen Helden, den Schweizer Fotografen Lanz, Bauern, Büroangestellte, Asylbewerbern oder Emigranten "auf die ihnen gemäße Weise" zu Wort kommen lässt, vernimmt Augstein Menschenschicksale. Faszinierend erscheint ihr, wie der Autor Mensch und Natur in unverwechselbarer Sprache mit- und gegeneinander antreten lässt. Nicht jeder seiner Begriffe muss ihr dabei geläufig sein. Halters Ironie schätzt Augstein höher als diejenige Thomas Manns, weil der Autor sie nicht benutzt, wie sie versichert, um seine Figuren vorzuführen, sondern um seinen Standpunkt zu verdeutlichen und den Leser auf hohem Niveau zu amüsieren.

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