Klaus Merz erzählt von einer Familie, deren Lebenswege immer wieder in Abgründe und Hinterhalte führen.
Der komprimierte Roman begeisterte die Kritiker, eroberte mehrere Bestenlisten und erlebte mehrere Auflagen. Merz erhielt dafür den Hermann-Hesse-Literaturpreis. Gunhild Kübler schloß als Sprecherin der Jury ihre Laudatio mit den Worten: "Dieses Buch ist ein Wunder!"
Der komprimierte Roman begeisterte die Kritiker, eroberte mehrere Bestenlisten und erlebte mehrere Auflagen. Merz erhielt dafür den Hermann-Hesse-Literaturpreis. Gunhild Kübler schloß als Sprecherin der Jury ihre Laudatio mit den Worten: "Dieses Buch ist ein Wunder!"
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.1997Familie Unglück
"Jakob schläft" von Klaus Merz
Der Schweizer Klaus Merz hat sich in den letzten zehn Jahren mit einigen schmalen Büchern den Ruf eines lakonischen, aber tiefgründigen Erzählers erworben. Auch sein neues Buch zählt nur fünfundsiebzig Seiten, abzüglich der Titelei achtundsechzig, abzüglich der sechs Bilderseiten noch zweiundsechzig. Man liest es bequem in zwei Stunden; aber lange noch geht einem das Gelesene durch den Kopf.
In einer Bäckerfamilie sind alle Mitglieder mit "Bresten" verschiedener Art behaftet. Der Vater des Erzählers wird von epileptischen Anfällen heimgesucht; die Mutter leidet unter Depressionen; der kleine Bruder hat einen Wasserkopf; der Onkel ist ein Abenteurer und findet ein unglückliches Ende. Hinzu kommen die beengten Verhältnisse der Nachkriegszeit und der Zwang zu harter Arbeit. Entsprechend dunkel ballen sich die Figuren von Heinz Eggers Zeichnungen. Und doch wird dieses Leben nicht im Ton des Jammers als niederdrückende Misere geschildert; vielmehr zeigt der Autor, wieviel Erfahrung von Glück auch unter diesen Umständen möglich war.
Aber nicht nur die ungewöhnliche Verschränkung von Leidens- und Glücksbericht läßt diese Familiengeschichte einnehmend und merkwürdig werden. Dafür sorgt auch der poetische, bisweilen fast lyrische Ton, in dem diese Abbreviatur eines Romans gehalten ist. Für alle "Bresten" und Unglücksfälle, für die Anfälle des Vaters wie für den Wasserkopf des Bruders, findet der Erzähler Namen und Bilder von eindrucksvoller, wenn auch beklemmender Schönheit. Das weckt zunächst ein gewisses Unbehagen. Man fürchtet, daß es dem Verfasser nur um die ästhetische Ausbeutung des Leids oder um den aufmerksamkeitheischenden Effekt der Groteske gehen könnte. Doch immer deutlicher wird spürbar, daß sich die Poesie dieses Büchleins unbefangener Zuwendung verdankt und Ausdruck liebevollen Eingedenkens ist. HELMUTH KIESEL
Klaus Merz: "Jakob schläft". Eigentlich ein Roman. Mit Zeichnungen von Heinz Egger. Haymon Verlag, Innsbruck 1997. 75 S., geb., 29,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Jakob schläft" von Klaus Merz
Der Schweizer Klaus Merz hat sich in den letzten zehn Jahren mit einigen schmalen Büchern den Ruf eines lakonischen, aber tiefgründigen Erzählers erworben. Auch sein neues Buch zählt nur fünfundsiebzig Seiten, abzüglich der Titelei achtundsechzig, abzüglich der sechs Bilderseiten noch zweiundsechzig. Man liest es bequem in zwei Stunden; aber lange noch geht einem das Gelesene durch den Kopf.
In einer Bäckerfamilie sind alle Mitglieder mit "Bresten" verschiedener Art behaftet. Der Vater des Erzählers wird von epileptischen Anfällen heimgesucht; die Mutter leidet unter Depressionen; der kleine Bruder hat einen Wasserkopf; der Onkel ist ein Abenteurer und findet ein unglückliches Ende. Hinzu kommen die beengten Verhältnisse der Nachkriegszeit und der Zwang zu harter Arbeit. Entsprechend dunkel ballen sich die Figuren von Heinz Eggers Zeichnungen. Und doch wird dieses Leben nicht im Ton des Jammers als niederdrückende Misere geschildert; vielmehr zeigt der Autor, wieviel Erfahrung von Glück auch unter diesen Umständen möglich war.
Aber nicht nur die ungewöhnliche Verschränkung von Leidens- und Glücksbericht läßt diese Familiengeschichte einnehmend und merkwürdig werden. Dafür sorgt auch der poetische, bisweilen fast lyrische Ton, in dem diese Abbreviatur eines Romans gehalten ist. Für alle "Bresten" und Unglücksfälle, für die Anfälle des Vaters wie für den Wasserkopf des Bruders, findet der Erzähler Namen und Bilder von eindrucksvoller, wenn auch beklemmender Schönheit. Das weckt zunächst ein gewisses Unbehagen. Man fürchtet, daß es dem Verfasser nur um die ästhetische Ausbeutung des Leids oder um den aufmerksamkeitheischenden Effekt der Groteske gehen könnte. Doch immer deutlicher wird spürbar, daß sich die Poesie dieses Büchleins unbefangener Zuwendung verdankt und Ausdruck liebevollen Eingedenkens ist. HELMUTH KIESEL
Klaus Merz: "Jakob schläft". Eigentlich ein Roman. Mit Zeichnungen von Heinz Egger. Haymon Verlag, Innsbruck 1997. 75 S., geb., 29,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main