Im Jahre 1894 wird im französischen Teil Lothringens, in der Stadt Nancy die grausam zugerichtete Leiche eines männlichen Säuglings gefunden. Dessen Eltern behaupten, ein jüdischer Hausierer hätte das Kind gestohlen, umgebracht und ausgeweidet. Genügend politischer Zündstoff, befindet sich
Frankreich doch mitten in der so genannten Dreyfus-Affäre in der ein jüdischer Offizier verdächtigt wird, für…mehrIm Jahre 1894 wird im französischen Teil Lothringens, in der Stadt Nancy die grausam zugerichtete Leiche eines männlichen Säuglings gefunden. Dessen Eltern behaupten, ein jüdischer Hausierer hätte das Kind gestohlen, umgebracht und ausgeweidet. Genügend politischer Zündstoff, befindet sich Frankreich doch mitten in der so genannten Dreyfus-Affäre in der ein jüdischer Offizier verdächtigt wird, für die Deutschen spioniert zu haben.
Der Richter, dem der Fall des Säuglingsmordes übertragen wird ist ebenfalls Juden und schreckt zu Recht vor dieser Aufgabe zurück. Er bittet seinen Freund, Richter Martin, um Übernahme des Falles. Nach anfänglichen zögern willigt dieser ein, trotz der prekären Zwickmühle in der er sich privat befindet. Aber nicht nur die Schwangerschaft seiner Frau und der baldige Geburtstermin des Kindes, sondern auch die Blockaden seines Freundes, der wider erwarten möglichst wenig Hintergrundinformationen über seinen jüdischen Glauben preisgeben will, lassen Martin schier verzweifeln an seinem neuen Fall. Für seinen Freund steht hingegen nur fest, „Ein Jude bringt keinen Juden um“. Und dann werden doch zwei hoch angesehene und reiche Juden ermordet. Ein antesemitisches Pulverfass…
Ein wirklich sehr explosiver (nimmt man das Beispiel der Deutsche Geschichte nur rund 40 Jahre später) aber auch sehr langatmiger Kriminalroman. Die Rolle des jüdischen Richters gefiel mir nicht ganz so, enthebt die Autorin in doch von jedem Verdacht, dass auch Juden zu Untaten fähig sind. Dabei sind Juden, wie wir alle, Menschen mit Schwächen und Fehlern und auch unter ihnen gibt es schwarze Schafe. Wie in jeder Religion, denn im Namen derer mussten schon viele Menschen ihr Leben über Jahrhunderte hinweg lassen. Die Szenen in der der Mob wahllos auf Juden (oder hier noch als Israeliten bezeichnet) vorgeht, ist erschreckend realistisch dargestellt. Geradezu beängstigend, wie sich die Massen durch gezielte Provokationen, gestreute Lügen und Unwahrheiten aufwiegeln lässt.
Eine Sache, die mir an historischen Romanen immer schwer zu vermitteln ist, ist die Rolle der Frau. Auch in diesem Roman hat sich die Frau nur ums Heim, ums Kinder bekommen und Krankheiten zu lindern, zu kümmern. So etwas ist halt Sache der Frauen, damit sich die Männer fast gleichgültig was Familientragödien angeht, wieder in die Arbeit stürzen können. Wobei hier die Frau des Richters Martin fast schon eine Feministin ist, ist sie doch Lehrerin für die höheren Töchter. Geradezu fortschrittlich und deshalb von allen Nur- Ehefrauen fast geächtet. Eine klaustrophobisch wirkende Szene ist hierbei das geschäftliche Abendessen, das die Martins besuchen. Sehr gut beschreibt die Autorin wie die damaligen Frauen noch sehr von ihren Männern abhängig waren, und diese Abhängigkeit auch gar nicht störend empfanden. Ein sehr interessanter Kriminalroman, der bis auf ein paar zähe Stellen und der eher willkürlichen Fahndung nach dem Täter, in einem durchaus plausiblen Finale endet.
Ein kleines Manko ist in meinen Augen die Illustration des Buches, sie sagt so gar nichts über dessen Inhalt aus.