Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2004Der Koch als Superstar
Jamie Oliver ist bisher ein Popstar gewesen, der kocht. Jetzt ist er ein Koch, der nebenbei Popstar ist. Mit diesem Buch, seinem vierten und bisher opulentesten, beginnt er sich von der Rolle des hochbegabten Hampelmanns am Herd zu emanzipieren. Er will nicht die Britney Spears der Küche werden, die ihre Karriere wie im Schnellkochtopf absolviert und mit Anfang Zwanzig schon so weich gekocht ist wie Janis Joplin kurz vor Schluß. Oliver, dessen Bücher sich in aller Welt wie warme Semmeln verkaufen und dessen Fernsehsendungen allein in Großbritannien im Durchschnitt sechs Millionen Menschen sehen, will als "chef", nicht als modisches Phänomen ernst und wahrgenommen werden. Mit "Jamie's Kitchen" hat er den entscheidenden Schritt getan, zwar vorsichtig, fast subversiv, um sein treues Publikum nicht zu verschrecken, aber doch unmißverständlich. In seinen bisherigen Büchern ging es vor allem darum, schnell, unkompliziert und dennoch gut zu kochen. Es waren fabelhafte Rezepte für Menschen, die zwar gerne essen, aber deswegen noch lange nicht sechs Stunden in der Küche verbringen wollen. Jetzt, mit achtundzwanzig, ist Oliver pädagogisch geworden - was vielleicht auch daran liegt, daß "Jamie's Kitchen" auf den Erfahrungen in seinem Londoner Restaurant "Fifteen" basiert, in dem er arbeitslose Jugendliche von der Straße holt, um sie zu Köchen auszubilden. Nun erklärt er Schneidetechniken von Gemüse, das richtige Filetieren eines Huhnes oder das gekonnte Enthäuten von Tomaten. Er interessiert sich für die Geschichte des Kochens, wägt die Vorzüge des Pochierens gegenüber denen des Dämpfens ab und wird bei vielen Rezepten küchenphilosophisch. Daß einige seiner Kreationen nicht eben originell sind - geschmortes Kaninchen mit Rosmarin, Oliven und Tomaten kennt man überall rund um das Mittelmeer -, daß er wiederum die Selbstinszenierung mit allerhand Vorabendserienstarfotos und lustigen Bildern aus dem Familienalbum übertreibt und daß die Reihenfolge der nach Garmethoden geordneten Rezepte so wirr ist wie Olivers prinzipiell ungekämmtes Haar, das alles sieht man ihm nach. Denn man spürt seine fanatische Liebe zum Essen bei jedem Wort, man merkt, daß es ihm ernst ist und er nichts als Koch sein will. Und das ist ein Glück für uns alle.
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"Jamie's Kitchen - Neue geniale Rezepte vom Naked Chef" von Jamie Oliver. Dorling Kindersley Verlag, Starnberg 2003. 336 Seiten, zahlreiche Fotografien. Gebunden, 29,90 Euro. ISBN 3-8310-0447-1.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jamie Oliver ist bisher ein Popstar gewesen, der kocht. Jetzt ist er ein Koch, der nebenbei Popstar ist. Mit diesem Buch, seinem vierten und bisher opulentesten, beginnt er sich von der Rolle des hochbegabten Hampelmanns am Herd zu emanzipieren. Er will nicht die Britney Spears der Küche werden, die ihre Karriere wie im Schnellkochtopf absolviert und mit Anfang Zwanzig schon so weich gekocht ist wie Janis Joplin kurz vor Schluß. Oliver, dessen Bücher sich in aller Welt wie warme Semmeln verkaufen und dessen Fernsehsendungen allein in Großbritannien im Durchschnitt sechs Millionen Menschen sehen, will als "chef", nicht als modisches Phänomen ernst und wahrgenommen werden. Mit "Jamie's Kitchen" hat er den entscheidenden Schritt getan, zwar vorsichtig, fast subversiv, um sein treues Publikum nicht zu verschrecken, aber doch unmißverständlich. In seinen bisherigen Büchern ging es vor allem darum, schnell, unkompliziert und dennoch gut zu kochen. Es waren fabelhafte Rezepte für Menschen, die zwar gerne essen, aber deswegen noch lange nicht sechs Stunden in der Küche verbringen wollen. Jetzt, mit achtundzwanzig, ist Oliver pädagogisch geworden - was vielleicht auch daran liegt, daß "Jamie's Kitchen" auf den Erfahrungen in seinem Londoner Restaurant "Fifteen" basiert, in dem er arbeitslose Jugendliche von der Straße holt, um sie zu Köchen auszubilden. Nun erklärt er Schneidetechniken von Gemüse, das richtige Filetieren eines Huhnes oder das gekonnte Enthäuten von Tomaten. Er interessiert sich für die Geschichte des Kochens, wägt die Vorzüge des Pochierens gegenüber denen des Dämpfens ab und wird bei vielen Rezepten küchenphilosophisch. Daß einige seiner Kreationen nicht eben originell sind - geschmortes Kaninchen mit Rosmarin, Oliven und Tomaten kennt man überall rund um das Mittelmeer -, daß er wiederum die Selbstinszenierung mit allerhand Vorabendserienstarfotos und lustigen Bildern aus dem Familienalbum übertreibt und daß die Reihenfolge der nach Garmethoden geordneten Rezepte so wirr ist wie Olivers prinzipiell ungekämmtes Haar, das alles sieht man ihm nach. Denn man spürt seine fanatische Liebe zum Essen bei jedem Wort, man merkt, daß es ihm ernst ist und er nichts als Koch sein will. Und das ist ein Glück für uns alle.
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"Jamie's Kitchen - Neue geniale Rezepte vom Naked Chef" von Jamie Oliver. Dorling Kindersley Verlag, Starnberg 2003. 336 Seiten, zahlreiche Fotografien. Gebunden, 29,90 Euro. ISBN 3-8310-0447-1.
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