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Im Zentrum Berlins liegt die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes das größte Bauprojekt der BRD nach 1945 auf einer Liegenschaft, die allein 10 Hektar groß ist. Basierend auf dem Masterplan von Jan Kleihues wurde für die Gesamtliegenschaft und das funktional sehr komplexe Hauptgebäude ein Konzept umgesetzt, das sowohl der städtebaulichen Lage als auch dem Anspruch des Dienstes gerecht werden sollte. In seiner differenzierten Ausführung einer selbstbewussten Architektursprache bildet es einen markanten Baustein, der dem Ort seine wesentliche Identität verleiht. Diese Werkmonografie…mehr

Produktbeschreibung
Im Zentrum Berlins liegt die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes das größte Bauprojekt der BRD nach 1945 auf einer Liegenschaft, die allein 10 Hektar groß ist. Basierend auf dem Masterplan von Jan Kleihues wurde für die Gesamtliegenschaft und das funktional sehr komplexe Hauptgebäude ein Konzept umgesetzt, das sowohl der städtebaulichen Lage als auch dem Anspruch des Dienstes gerecht werden sollte. In seiner differenzierten Ausführung einer selbstbewussten Architektursprache bildet es einen markanten Baustein, der dem Ort seine wesentliche Identität verleiht. Diese Werkmonografie erlaubt exklusive Einblicke in ein für die Öffentlichkeit verschlossenes Gebäude. Sie zeigt, wie die herausfordernd vielschichtige Bauaufgabe im Inneren wie Äußeren gelöst wurde und gewährt den Blick auf ungeahnte Details. Anhand ausgewählter Textbeiträge werden neben Geschichte und Wettbewerb auch Entwurf und Ausführung beleuchtet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2018

Wir sehen, dass wir nichts sehen
Der BND bezieht sein neues Hauptquartier in Berlin. Erste Blicke

Fangen wir mit einem Detail an. Es sind Zaunlamellen, graue Metallprofile, schmal und tief, auf einem Steinsockel, in Gruppen zu dritt und zu fünft: Sie stehen immer orthogonal zur Achse der sich zurückziehenden, bald wieder vorspringenden Kubatur des auf 280 Meter gestreckten neuen BND-Hauptquartiers. Und weil der Bau einen Winkel zur Straße zieht, gehen die Lamellen diesen Winkel mit. Mehr als 4000 Geheimdienstler sollen einmal hier arbeiten; und man blickt immer gerade durch den Zaun auf die eckig ausgreifenden Fassaden. Wenn man weiß, dass hier der Geheimdienst sitzt, denkt man: Vielleicht schauen sie aus ihren vierzehntausend Fenstern zurück.

Ein Zaun mit einem Schein von Offenheit, freundlich krumme Kiefern, die vor einem vielfach geschützten und deshalb fensterfreien Sockel stehen. Das sind elegante Gesten. Vertreiben aber nicht die Ahnung vom Agentenwerk. Dasselbe Prinzip findet sich auch im gerade erscheinenden Bildband "BND. Die Zentrale". Es geht um Blickpolitik und Scheinbarkeit, man könnte es zusammenfassen: Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Oder zumindest nicht viel mehr als Oberflächen. Architekturpläne, Staffelung, Folge, Verortung von Räumen fehlen in dem Buch; eine Idee von der Struktur des Gebäudeinneren gibt es nur für BND-Angestellte. Deren Blick reicht weiter, je höher die Sicherheitszulassung ist.

Am Tag der Buchpremiere spricht der BND-Präsident Bruno Kahl vom "Geist des Bundesnachrichtendienstes". Dass hier agentenernste Dinge verhandelt werden, verraten Digitalbänder, die der Präsident sieht, wenn er den Blick hebt: An der Rückwand die Uhrzeit in New York, London, Berlin, Moskau. Der BND hat einen Slogan: "Die Welt im Blick".

Der BND macht also Eigenwerbung; nach Berlin sollte er, um näher an die Macht und weg von der Pullacher Nachkriegsverdruckstheit zu kommen. Um Selbstbewusstsein gehe es beim neuen Gebäude. Aber weil all das städtebaulich irritierend ist, so ein mächtiger Koloss, muss man vor der Buchvorstellung den Architekten befragen: Jan Kleihues erzählt von Ideen und Entwicklung, wie das Gebäude die Nachbarschaft belebe, dass sie keine monotone Masse aufstapeln, sondern durch das Spiel von kürzeren und längeren Flügeln das Vorbeilaufen interessanter machen wollten, dass der Dienst im festen Gehäuse flexibel bleiben müsse. Die Fenster sollen nicht dominieren, sondern "die Kubatur in den Vordergrund treten lassen". Fenster wurden oft diskutiert. "So absurd das klingt, wir sind sehr stolz drauf, dass jedes Fenster gleich aussieht." Je näher man ans Gebäude gelange, desto feiner würden Details und Material. "Es geht um Distanz und Betrachtungsweise."

Architektonisch ist das alles gelungen, wer nachfragt, darf durch gebäudehohe Atrien laufen. Elegant, weit, nie einschüchternd. Die Büros sind funktional, Teeküchencharme, Verwaltungsalltag. Man könnte vermuten, dass alles noch seriöser wäre, wenn dem BND die Baupläne nicht abhandengekommen wären; oder, auf der vielfach gesicherten Baustelle, viele Wasserhähne. Wenn man nach dem Bundesadler fragt, den jemand von der Fassade klaute, zuckt der Pressesprecher nur leicht gequält mit den Schultern. Ist halt Berlin.

"Lodenmantel" falle ihm zu Pullach ein, sagt, bei der Buchpremiere, der Schauspieler und Schriftsteller Hanns Zischler. Der BND hat sich lange Zeit hinter den Mauern von Pullach versteckt. Da verpassten sie dann einiges, zum Beispiel den Mauerbau in der DDR. Von "Hütten" spricht der Präsident, wenn er ans alte Quartier denkt. Im Vorwort des Bildbands bemängelt Ex-BND-Präsident August Hanning, dass in Deutschland dem Dienst "völlig unbegründet Misstrauen" entgegenschlage, während man in angelsächsischen Ländern oder Frankreich stolz sei: "Vordergründig kann man dies mit den historischen Erfahrungen der NS-Zeit und dem Staatssicherheitsdienst in der DDR erklären."

Vielleicht hat Hanning im Umzugstrubel vordergründig vergessen, dass der BND sogar Willy Brandt bespitzelte. Der BND lieferte über Jahre Verbindungsdaten aus Telefongesprächen, E-Mails, SMS oder Chatverläufen an die NSA. Dossiers zu Gülen-Verdächtigen an die Türkei. Im Inland las der Auslandsgeheimdienst Datenknotenpunkte aus. Während über Vorratsdatenspeicherung politisch diskutiert wurde, machte der BND schon mal. Aus August Hannings Perspektive hat Politik zu viel mit "moralisch verbrämtem Bauchgefühl" zu tun; Geheimdienstarbeit aber sei nüchterne Informationsbeschaffung für rationale Interessensabwägung.

Also geht man wieder hinaus, steht beim Zaun. Die lustig stilisierten Palmen winken nicht, bergen auch keine Überwachungstechnik: Kunst am Bau. Von hier kann man André Hahn anrufen, aus zwei Gründen: Er spielte Fußball, als hier noch das Stadion der Weltjugend stand, und kann viel darüber erzählen, wie unzureichend die parlamentarische Aufsicht über den BND funktioniert. Hahn sitzt nämlich als Bundestagsabgeordneter der Linken dem Parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der Nachrichtendienste stellvertretend vor. Hahn findet, dass Regierung und Dienste die Aufsicht recht selbstbewusst behindern: "In Großbritannien und den USA verstehen sich Parlamentarier als Schutzschild der Dienste. Das fordert der BND für sich auch." Wenn Hahn dagegen kontrollieren will, bekommt er zu hören, dass er das Behördenimage nicht ramponieren möge. Dabei, sagt er, "sind es Skandale und Pannen, die zum schlechten Ruf der Geheimdienste geführt haben". Dass Edmund Stoiber 2003 die rot-grüne Regierung um 1020 Mitarbeiter für Bayern erpresste, lässt ihn deutlich seufzen. Genau die Abteilung, die so glatt mit der NSA arbeitete, bleibt weg aus Berlin.

"Der BND", hatte Architekt Kleihues gesagt, "will aus der Geheimniskrämerei raus, sich offensiv zeigen." An der Chausseestraße hat er jetzt elegante Fassaden und durchdachte Details.

LENNART LABERENZ

Jan Kleihues / Kleihues + Kleihues: "BND. Die Zentrale". Verlag Hatje Cantz, 128 Seiten, 80 Abbildungen, 40 Euro

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