Im Zeitalter von Smartphone und Computer sind gedruckte Taschenkalender fast schon ein Anachronismus, aber als alter Japan-Enthusiast verwende ich den japanischen Taschenkalender seit Jahren in erster Linie nicht um Termine zu notieren, sondern als kleines Tagebuch, in dem ich die wichtigsten
Ereignisse kurz festhalte.
In seiner ästhetischen Schlichtheit und der Konzentration auf das…mehrIm Zeitalter von Smartphone und Computer sind gedruckte Taschenkalender fast schon ein Anachronismus, aber als alter Japan-Enthusiast verwende ich den japanischen Taschenkalender seit Jahren in erster Linie nicht um Termine zu notieren, sondern als kleines Tagebuch, in dem ich die wichtigsten Ereignisse kurz festhalte.
In seiner ästhetischen Schlichtheit und der Konzentration auf das Wesentliche folgt die Gestaltung den japanischen Grundtugenden. Nichts lenkt davon ab, sich intensiv mit den 53 Haiku zu beschäftigen, die den Wochenübersichten mit Tageseinträgen jeweils gegenübergestellt sind. Die Übersetzung ins Deutsche, die phonetische Transkription des japanischen Urtextes und eine Abbildung, das sind alle Elemente auf dieser Seite. Die sehr kenntnisreichen Kommentierungen auf der jeweiligen Rückseite sind von Ekkehard May mit Ergänzungen von Jörg B. Quenzer. So kann man sich zunächst eigene Gedanken machen, bevor man sich tiefer mit den kulturhistorischen Hintergründen oder den Doppelbedeutungen in der Übersetzung befasst. Gerade dieser Kontrast zwischen dem unmittelbar "Gespürten" und den fachlichen Erklärungen führt oft zu unerwarteten Erkenntnissen. Dann schrumpft eine Kulturdistanz von dreihundert Jahren und 9000 Kilometern plötzlich auf Armlänge zusammen. Für Haiku-Adepten gibt es auch die Möglichkeit, auf einer Extraseite pro Woche eigene Gedanken zu Papier zu bringen. Ich mache das jetzt schon länger und es hat sich für mich zu einer besonderen Form des Tagebuchs entwickelt.
Die 53 Haiku stammen diesmal vor allem von den Bashô -Nachfolgern des 18. Jahrhunderts, Buson und Takei Kitô, die selber Bashô zwar nicht mehr kennenlernten, aber seine Tradition fortführten. Alle Texte sind gemäß der japanischen Jahreszeiten geordnet, die teilweise um ein bis zwei Monate von unseren Einteilungen abweichen, aber diese Unterschiede werden im Vorwort gut erklärt.
Die Abbildungen stammen größtenteils aus japanischen Blockdruckbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts, darunter auch zahlreiche Zeichnungen aus der Feder Hokusais, und wurden thematisch treffend zugeordnet.
Neben der deutschen findet sich auch eine Liste japanischer Feiertage, was den Mythos der freizeitfeindlichen Japaner ein wenig korrigiert: In Japan gibt es, zumindest für staatlich Angestellte, deutlich mehr Feiertage als bei uns und sollte ein Feiertag auf ein Wochenende fallen, wird er auf den folgenden Montag verschoben. "Urlaub" machen Japaner in der Tat selten. Hält man es anders als die Japaner, kann man seinen Urlaub in der summarischen Vierteljahresübersicht eintragen.
Wer immer ein wenig Wabi und Sabi mit sich tragen möchte, für den ist dieser Taschenkalender nicht nur Organisationshilfe, sondern auch eine anregende Inspirationsquelle.
(Der Taschenkalender wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)