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Jazztime erzählt die Geschichte des Revolutionärs und Auftragskillers Henry Smart, der Frau und Tochter in Irland zurückläßt und nach New York flüchtet. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es flotte Frauen, Gefahren, Geschäftsleute mit rüden Methoden - und neue Musik. Smart, gutaussehend, frech und charmant, zynisch, unmoralisch und mit unerschütterlichem Selbstvertrauen ausgestattet, wird von der Mafia aus New York vertrieben und landet im Chicago des Jazz-Zeitalters, wo er sich mit dessen größtem und hellstem Stern anfreundet und hilft, ihn zu beschützen: Louis Armstrong.

Produktbeschreibung
Jazztime erzählt die Geschichte des Revolutionärs und Auftragskillers Henry Smart, der Frau und Tochter in Irland zurückläßt und nach New York flüchtet. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es flotte Frauen, Gefahren, Geschäftsleute mit rüden Methoden - und neue Musik. Smart, gutaussehend, frech und charmant, zynisch, unmoralisch und mit unerschütterlichem Selbstvertrauen ausgestattet, wird von der Mafia aus New York vertrieben und landet im Chicago des Jazz-Zeitalters, wo er sich mit dessen größtem und hellstem Stern anfreundet und hilft, ihn zu beschützen: Louis Armstrong.
Autorenporträt
Roddy Doyle, geb. 1958 in Dublin, ist einer der bekanntesten Vertreter der neueren irischen Literatur. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Dublin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2006

Pferde stehlen mit Satchmo
Ein Ire in Amerika: Roddy Doyle erzählt von einer Selbstfindung

"She die? - No. - Where she now? - Don't know. - Care? - Yeah." Roddy Doyle stopft den Dämpfer in die Trompete, wenn er von der großen Liebe tönt, und selbst ein Raymond Carver klingt dagegen wie ein vollbesetztes Sinfonieorchester. Dieser hardboiled sound aus Irland ist härter und weicher, als die deutsche Sprache es je sein kann, und so rettet sich die (im übrigen bemerkenswerte) Übersetzerin Renate Orth-Guttmann schließlich in den O-Ton. "Ist sie gestorben? - Nein. - Wo ist sie jetzt? - Weiß nicht. - Tut's weh? - Yeah."

Eine "Jazztime" ist kein Musikantenstadl, und Doyle, einst Englischlehrer aus einer Dubliner Vorstadt, weiß, wie man die Wörter swingen läßt. Und den Titel singen: "Oh, Play That Thing" heißt sein jüngster Roman emphatisch nach einer Platte von King Oliver und Louis Armstrong aus dem Jahr 1923. In der deutschen Fassung modulierte man diesen Kornettstoß allerdings zum beziehungsreich-bilderarmen Begriff "Jazztime" um. Und benannte damit eine Crux des Buches: Es bleibt ein Quentchen konstruiert, ein Quentchen bilderarm, dieses erste Werk des Bookerpreisträgers von 1993, das weg von der Heimat und bis über den großen Teich führt.

Sein Held, Henry Smart, ist Ire, einer von denen, die sich vom hungrigen Gossenkind zum hungrigen Guerrillero gekämpft haben. Von seinen ersten zwanzig Lebensjahren erzählt "A Star Called Henry" ("Henry der Held"), die erste Folge von Doyles mehrbändigem Projekt "The Last Roundup". Dort muß der IRA-Mörder am Schluß vor seinen eigenen Auftraggebern fliehen. Er läßt Frau und Kind und alle Vaterlandsphantasien hinter sich und hat im März 1924 - zu Beginn des zweiten Henry-Romans "Jazztime" - die Freiheitsstatue vor sich. "Hier konnte man abtauchen, konnte, wenn man wollte, sterben und zu einem tollen, temporeichen Leben wiedergeboren werden. - Ich war angekommen." Und schon legt er los.

Er läuft als Sandwich-Board-Man mit Reklame durch den Asphaltdschungel, klaut die Bretter, macht sein eigenes wanderndes Marketinggeschäft auf und mischt außerdem in dieser Zeit der Prohibition im Alkoholgeschäft mit. Kurz, er ist ein kleiner, aber wortgewaltiger König der Straße, hat Frauen, Fusel, Erfolg. "Ich verkaufte Worte, nicht das Produkt. Die Story, den Zauber. Und den Sex-Appeal." Genau wie sein Erfinder Roddy Doyle, der literarische Streetworker, der Spezialist für harte Pflaster, sei's auf der Grünen Insel oder im Big Apple. Das Leben der Figuren spielt ganz unten, doch der Groove ihrer Geschichte kickt sie - und, zeitweilig, auch die Leser - ganz nach oben.

Daß Henry auf diese Weise Feinde bekommen würde und einen Haufen Ärger, war klar; daß ihn die IRA noch immer jagen würde, nicht. So oder so geht die Flucht weiter, in die Provinz, wo Henry den Bauern Löcher in die Zähne redet, um sie dann zu ziehen. Und weiter, in die Fleischpackerhölle Chicagos, wo er sich eine neue Geliebte erquasselt - eine Farbige - und eine neue Liebe ihn beinah zum Schweigen bringt: Louis Armstrong. "Endlich war ich kein Ire mehr. Als ich sie zum erstenmal hörte, noch ehe sie mir richtig ins Ohr gegangen war, stand das für mich fest ... Diese Musik war frei und ohne Worte, und der Mann mit der Trompete trieb sie voran und sah nicht zurück. Furios war sie, lustvoll und tödlich für jede andere Art von Musik. Funkelnagelneu. Wie ich ... Die Band hörte plötzlich auf zu spielen, und der Mann mit der Trompete schrie: ,Oh, play that thing!'"

Nach 180 Seiten, im zweiten von vier Teilen, trompetet der Roman den Knack- und Knickpunkt fortissimo heraus: Henry feiert seine Wiedergeburt aus dem Geiste der Musik Louis Armstrongs. Der Rest ist, na ja, Romantik. Keine Sonnenuntergangsromantik zwar, sondern Rauhbein-Romantik im Doyle-Schnodderton und wunderbar jazzig akkompagniert, aber nicht ohne Augenrollen und Wimperklimpern. Der weiße Flüchtling hilft dem schwarzen Opfer und umgekehrt; ein "Ofay" und ein "Nigger" stehen füreinander ein. Henry wird Armstrongs Anstandswauwau, und wenn die Kasse nicht stimmt, räumen sie gemeinsam Häuser aus. Bei einem dieser Einbrüche stößt Henry auf seine verschollen geglaubte irische Frau samt Tochter, zieht dann aber doch lieber mit Satchmo zurück nach New York. Dort geht einiges schief, Armstrongs - gut recherchierter - Aufstieg ist Henrys Niedergang; und immer noch jagen den irischen Killer die irischen Killer.

Ein paar Hollywood-Wendungen später - wir schreiben mittlerweile das Jahr 1946 - steht Henry in der Wüste, allein, mit einem Holzbein, wie einst sein Vater eins hatte - und wird vom Film entdeckt. "Wie ein irischer Rebell hier gelandet ist. Die wahre irische Geschichte . . . Diese Geschichte werden wir erzählen." Und der Flüchtling wie der Roman verfangen sich im amerikanischen Traum. Dabei wurde in "Jazztime" anfänglich zum unsentimentalen Gesang über New Yorks kalte Nächte aufgespielt und dann eine heißblütige Hommage an Satchmo und seine blutenden Lippen intoniert. Oh, play that thing!

ALEXANDRA KEDVES

Roddy Doyle: "Jazztime". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Renate Orth-Guttmann. Hanser Verlag, München 2006. 480 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Hardboiled sound aus Irland" meint die Rezensentin Alexandra Kedves, sei die Prosa des Dubliners und vergangenen Bookerpreisträgers Roddy Doyle. Und deshalb habe man bei dem so gar nicht swingenden eingedeutschten Titel "Jazztime" zwar einerseits danebengegriffen, andererseits transportiere er das Quentchen Konstruiertheit, das im Roman zu finden sei. Erzählt wird die Geschichte des ehemaligen IRA-Sympathisanten Henry Smart, der Anfang der zwanziger Jahre Irland verlässt und sein Glück in New York versucht, wo er es zum "wortgewaltigen König der Straße bringt. In New York entdeckt Henry seine Liebe zum Jazz in Gestalt von Louis Armstrong und damit hat der Roman leider seinen dramaturgischen Höhepunkt etwas zu früh erreicht, bedauert die Rezensentin. Der Rest sei "Raubein-Romantik im Doyle-Schnodderton", verknüpfe Armstrongs Karriere mit Henrys Niedergang und verfange sich im amerikanischen Traum.

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