Joseph Roth und Stefan Zweig gehören heute zu den meistgelesenen Erzählern der deutschen Literatur. Ihr berührender Briefwechsel zeigt sie in Zeiten der Not, in den dreißiger Jahren, als die beiden jüdischen Schriftsteller angesichts der nationalsozialistischen Verfolgung emigrierten Joseph Roth nach Paris, Stefan Zweig zunächst nach London. Ihre Briefe erzählen die Geschichte einer Freundschaft, die auch an den politischen Verhältnissen zerbricht und die Geschichte zweier im Exil zerstörter Leben.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2014Lieber ungelesen als unfrei: Der Briefwechsel
zwischen Joseph Roth und Stefan Zweig
Wer Briefwechsel liest, dem blättert sich ein Leben auf. Woche für Woche, Jahr für Jahr werden einem die Schriftpartner vertrauter. Wir erfahren von Hoffnungen und Nöten, Erfolgen und Niederlagen. Es ist fraglos ein gut Teil Voyeurismus dabei. Aber der Mensch in seiner Zeit nimmt eben in unvergleichlicher Weise Gestalt an. Wie zum Beispiel die Schriftsteller Joseph Roth und Stefan Zweig.
„Jede Freundschaft mit mir ist verderblich“ lautet der Titel ihres Briefwechsels von 1927 bis 1938 – er geht zurück auf einen Brief Roths an Stefan Zweig von 1932. Er ist das bewegende Dokument einer intensiven Freundschaft in widrigsten Zeiten. Hier der alkoholabhängige und nostalgische Roth, dort der berühmte, mondäne Zweig. Themen der Briefe: Privates, das eigene Schreiben, ihr Judentum, die verheerende Politik, das Exil.
Mehr als eineinhalb Jahre liegen zwischen den ersten Briefen und einem persönlichen Treffen. Was viel aussagt über beide Romanciers. Denn bei aller Unterschiedlichkeit, Nomadenexistenzen waren beide, jeder auf seine Art. Von Zweig stammt der erste erhalten gebliebene Brief vom Januar 1929. Darin beklagt er den Erfolg, der sein gewohntes Leben zu zerstören droht. Die Sentenz – „Lieber vergessen als eine Marke werden, minder gelesen und gerühmt, aber frei!“ – scheint das Schicksal vieler kommender Weltstars vorweg zu nehmen. Roth antwortet einen Monat später: „Mich zu fixieren, ist unmöglich.“ Den Satz hat man auf das gesamte Leben zu münzen: das Wohnen in Hotels mit einer geisteskranken Frau an der Seite, die Sauferei, den verschwenderischen Umgang mit Geld. Mit zunehmender Vertrautheit beginnt Roth, den reichen Freund um Geld anzuhauen. Der großzügige Zweig hilft gerne, auch wenn er weiß: „Roth hat zum Geld das Verhältnis eines Irrsinnigen.“
Dafür zeigt Roth, anders als Stefan Zweig, in politischer Hinsicht Weitblick. Mitte Februar 1933 schreibt Joseph Roth: „Abgesehen von den privaten führt das Ganze zum neuen Krieg. Ich geben keinen Heller mehr für unser Leben.“ FLORIAN WELLE
Joseph Roth, Stefan Zweig: Jede Freundschaft mit mir ist verderblich. Briefwechsel 1927-1938. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 624 Seiten, 18,90 Euro.
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zwischen Joseph Roth und Stefan Zweig
Wer Briefwechsel liest, dem blättert sich ein Leben auf. Woche für Woche, Jahr für Jahr werden einem die Schriftpartner vertrauter. Wir erfahren von Hoffnungen und Nöten, Erfolgen und Niederlagen. Es ist fraglos ein gut Teil Voyeurismus dabei. Aber der Mensch in seiner Zeit nimmt eben in unvergleichlicher Weise Gestalt an. Wie zum Beispiel die Schriftsteller Joseph Roth und Stefan Zweig.
„Jede Freundschaft mit mir ist verderblich“ lautet der Titel ihres Briefwechsels von 1927 bis 1938 – er geht zurück auf einen Brief Roths an Stefan Zweig von 1932. Er ist das bewegende Dokument einer intensiven Freundschaft in widrigsten Zeiten. Hier der alkoholabhängige und nostalgische Roth, dort der berühmte, mondäne Zweig. Themen der Briefe: Privates, das eigene Schreiben, ihr Judentum, die verheerende Politik, das Exil.
Mehr als eineinhalb Jahre liegen zwischen den ersten Briefen und einem persönlichen Treffen. Was viel aussagt über beide Romanciers. Denn bei aller Unterschiedlichkeit, Nomadenexistenzen waren beide, jeder auf seine Art. Von Zweig stammt der erste erhalten gebliebene Brief vom Januar 1929. Darin beklagt er den Erfolg, der sein gewohntes Leben zu zerstören droht. Die Sentenz – „Lieber vergessen als eine Marke werden, minder gelesen und gerühmt, aber frei!“ – scheint das Schicksal vieler kommender Weltstars vorweg zu nehmen. Roth antwortet einen Monat später: „Mich zu fixieren, ist unmöglich.“ Den Satz hat man auf das gesamte Leben zu münzen: das Wohnen in Hotels mit einer geisteskranken Frau an der Seite, die Sauferei, den verschwenderischen Umgang mit Geld. Mit zunehmender Vertrautheit beginnt Roth, den reichen Freund um Geld anzuhauen. Der großzügige Zweig hilft gerne, auch wenn er weiß: „Roth hat zum Geld das Verhältnis eines Irrsinnigen.“
Dafür zeigt Roth, anders als Stefan Zweig, in politischer Hinsicht Weitblick. Mitte Februar 1933 schreibt Joseph Roth: „Abgesehen von den privaten führt das Ganze zum neuen Krieg. Ich geben keinen Heller mehr für unser Leben.“ FLORIAN WELLE
Joseph Roth, Stefan Zweig: Jede Freundschaft mit mir ist verderblich. Briefwechsel 1927-1938. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 624 Seiten, 18,90 Euro.
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»Das leidende und erliegende Herz ist seine Domäne. Er kann wahrhaftig erzählen, einfach und mit welcher Natürlichkeit!« Alfred Döblin