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Warum bin ich ich? Wie sich die Persönlichkeit des Menschen herausbildet, ist immer noch eines der großen Rätsel der Psychologie. Welchen Anteil hat Vererbung, welchen Erziehung? Warum unterscheiden sich eineiige Zwillinge voneinander, die doch dieselben Gene besitzen und in der Regel zusammen aufwachsen? Gelehrt, geistreich und mit Witz setzt sich die Psychologin Judith Rich Harris mit den existierenden Erklärungen psychologischer, biologischer sowie neurowissenschaftlicher Schulen auseinander und entwirft eine neue und originelle Theorie der Persönlichkeit auf der Basis…mehr

Produktbeschreibung
Warum bin ich ich?
Wie sich die Persönlichkeit des Menschen herausbildet, ist immer noch eines der großen Rätsel der Psychologie. Welchen Anteil hat Vererbung, welchen Erziehung? Warum unterscheiden sich eineiige Zwillinge voneinander, die doch dieselben Gene besitzen und in der Regel zusammen aufwachsen? Gelehrt, geistreich und mit Witz setzt sich die Psychologin Judith Rich Harris mit den existierenden Erklärungen psychologischer, biologischer sowie neurowissenschaftlicher Schulen auseinander und entwirft eine neue und originelle Theorie der Persönlichkeit auf der Basis evolutionspsychologischer Erkenntnisse. Eine originelle Antwort auf die Frage nach dem, was Menschen voneinander unterscheidet. Eine wissenschaftliche Detektivgeschichte, im besten Sinne populär geschrieben.
Autorenporträt
Judith Rich Harris, geboren 1938, studierte Psychologie an den Universitäten Brandeis und Harvard. Sie arbeitet als freie Wissenschaftsautorin. Harris hat zwei Töchter und lebt mit ihrem Ehemann in New Jersey.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Warum wir auf ähnliche Weise alle sehr verschieden ticken
Judith Rich Harris spürt dem Rätsel menschlicher Individualität nach und nimmt dabei einige tief sitzende Vorstellungen aufs Korn / Von Helmut Mayer

Persönlichkeiten fallen nicht von Himmel, auch wenn der genetische Anteil unbestreitbar ist. "Umwelt" aber ist ein großes Wort: Wie sehen die Mechanismen aus, die unseren Charakter zurecht schleifen?

Menschen verhalten sich sehr unterschiedlich. Aber natürlich sind die Unterschiede nur vor dem Hintergrund vieler Ähnlichkeiten in ihren Verhaltensweisen zu konstatieren. Keiner gleicht zwar dem anderen, doch Verhaltensmuster und verschiedene Persönlichkeitsprofile lassen sich erkennen, wie sie psychologische Tests zu klassifizieren versuchen. Zwei Fragen lassen sich daran gleich knüpfen. Die eine lautet: Wie kommt es zu den Ähnlichkeiten? Und die andere: Woher kommen die Unterschiede?

Es liegt auf der Hand, dass beide Fragen miteinander zusammenhängen. Man könnte sogar meinen, dass, wer die erste Frage beantworten kann, auch schon die Antwort auf die zweite in der Tasche hat. Doch so schön symmetrisch liegt die Angelegenheit nicht. Tatsächlich ist es viel einfacher, Ähnlichkeiten von Verhaltensmustern zu erklären. Man denke etwa an die in diesem Zusammenhang oft herangezogenen eineiigen Zwillinge: Kaum verwundert, dass deren mit Standardtests erhobene Persönlichkeitsprofile einander im Durchschnitt ähnlicher sind als diejenigen von normalen Zwillingen oder Stiefgeschwistern. Und das gilt unabhängig davon, ob sie gemeinsam aufgewachsen sind oder früh getrennt wurden. Hier zeigt sich ein Effekt der identischen genetischen Ausgangsbasis.

Aber faszinierender ist doch die damit verknüpfte Beobachtung, dass sich eineiige Zwillinge trotz ihrer identischen genetischen Ausstattung oft zu durchaus unterschiedlichen Persönlichkeiten entwickeln. Sie führt deutlich vor Augen, dass Erblichkeit zwar ein Faktor für die Herausbildung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale ist, aber diese Merkmale durchaus nicht auf einen schmalen Streubereich einschränkt. Und das gilt natürlich nicht nur für eineiige Zwillinge, sondern allgemein. Macht man sich daran, den genetisch bedingten Anteil der Ähnlichkeit durch Vergleiche zwischen eineiigen Zwillingen, normalen Geschwistern und nur zufällig herausgegriffenen gleichaltrigen Personen gleichen Geschlechts herauszurechnen, so zeigt sich: Alle Gruppen weisen ungefähr dieselbe beachtliche Streuung in ihren bei Persönlichkeitstests erhobenen Werten auf. Die naheliegende Frage lautet dann: Welche Mechanismen führen zu diesen nicht genetisch verursachten Streuungen? Wieso und auf welche Weise bilden sich eigentlich, abgesehen von den verschiedenen biologischen Ausgangspositionen der Entwicklung, verschiedene Persönlichkeiten heraus?

Es ist diese Frage nach der Herkunft der Unterschiede, der spezifisch menschlichen Individualität, der die amerikanische Psychologin Judith Rich Harris in ihrem Buch nachspürt. Ihr Reiz liegt darin, dass damit ein selbstverständlich anmutendes Phänomen zum Problemfall mutiert. Sollte es auf eine so einfach gestellte Frage nicht auch eine ganz einfache Antwort geben? Es bleibt doch, wenn man erbliche Anteile halbwegs eindeutig auf die Seite gebracht hat - worüber schnell Debatten losbrechen -, als zweiter Faktor nur die Umwelt übrig, in der sich das Kind zum Erwachsenen entwickelt.

Das ist natürlich richtig, führt aber erst auf die Probleme, die Harris anvisiert. Denn was die Daten für die Autorin auch zeigen, das ist der Umstand, dass der nicht genetisch zu veranschlagende Anteil an der Streuung der Persönlichkeitsprofile sich nur zu einem äußerst kleinen Anteil den sozialen Umgebungen zuschreiben lässt, in denen die Vergleichspersonen aufgewachsen sind. Anders formuliert: Der Effekt einer geteilten sozialen Umgebung hat auf die Streuung nur einen marginalen Einfluss. Hervorstechende Beispiele liefern einmal mehr eineiige Zwillinge, und zwar diesmal solche, die zusammen aufgewachsen sind. Harris verweist auch auf ein Paar von siamesischen, also zusammengewachsenen Zwillingen, bei denen der Extremfall einer so gut wie identischen Umgebung erreicht ist - und die trotzdem nach dem Urteil ihrer Verwandten und Freunde durchaus verschiedene Persönlichkeiten entwickelten.

Geteilte soziale Umgebung - das klingt recht blass. Worum es Harris dabei vorrangig geht, ist aber ganz konkret jene Umwelt, die durch Eltern und Familie hergestellt wird. Entsprechend lautet der Befund: Die familiären Bedingungen, einschließlich des Erziehungsstils der Eltern, haben so gut wie keinen Einfluss auf die Streuungsbreite der Persönlichkeitsprofile der Kinder. Oder noch deutlicher: Eltern können eine ganze Menge für ihre Kinder tun, aber es liegt kaum direkt an ihrem Verhalten gegenüber den Kindern, wie sich deren Persönlichkeiten entwickeln.

Das heißt natürlich nicht, dass Erziehung keine Effekte hätte. So lasen manche das Buch, mit dem Harris vor einigen Jahren bekannt wurde und das zum Titel die polemische Frage hatte: "Ist Erziehung sinnlos?" Sinnlos ist sie selbstverständlich nicht, bloß lasse sich ihr Ergebnis nicht daran ablesen, dass bestimmte familiäre Bedingungen und Erziehungsstile strikt auf die Herausbildung bestimmter Persönlichkeitstypen hinausliefen.

Ist das überraschend? Es rührt zumindest an recht tief sitzende und populäre Auffassungen davon, wie sich Persönlichkeiten von Menschen herausbilden. Dass die innerfamiliären Bedingungen daran einen ziemlich großen Anteil haben, dem würden vermutlich viele zustimmen. Nicht zuletzt haben auch die Psychoanalyse und andere Therapieformen gerade für diese Vorstellung empfänglich gemacht. Sie fußt auf der Annahme, dass Kinder ihre ersten und über viele Jahre intensiven sozialen Erfahrungen auf die außerfamiliären Bereiche übertragen. Genau gegen diese Annahme wendet sich die Autorin: Erlerntes Verhalten oder erlernte Assoziationen, das gelte es einzusehen, werden nicht automatisch von einer Situation auf andere übertragen. Kinder und Jugendliche richten sich in verschiedenen sozialen Umgebungen ein, in denen ihr Verhalten in der Regel unterschiedlich ausfällt.

In Sozialisierungsprozessen außerhalb der Familie, nämlich im Umgang mit Gleichaltrigen, ortet Judith Harris denn auch die entscheidenden Mechanismen für die Herausbildung divergierender Persönlichkeitsprofile. Kandidaten für die Erklärung aus innerfamiliären Konstellationen - darunter die oft ins Spiel gebrachte Geburtenfolge unter Geschwistern - werden aus dem Weg geräumt, bevor die Autorin ihr eigenes Modell vorstellt. Dieses Modell bedient sich des Instrumentariums der Evolutionspsychologie. Es beschreibt die Funktion und Wechselwirkung von "Modulen", also jener von Evolutionspsychologen ins Spiel gebrachten mentalen Funktionseinheiten zur Lösung bestimmter Aufgaben, deren evolutionäre Herausbildung sich mehr oder minder gut plausibel machen lässt. Drei Aufgaben sieht sich nach Harris ein heranwachsendes Kind gegenüber: Es muss Beziehungen handhaben lernen, die eigene Sozialisation leisten und sich langfristige Wettbewerbsstrategien zur Positionssicherung in sozialen Kontexten zurechtlegen.

Diesen Aufgaben entsprechen bei Harris drei Module. Das erste, Beziehungssystem genannt, ist demnach damit befasst, personenbezogene Daten zu sammeln. Dank seiner Erfahrungsarchivierung entsteht eine "Kartei", auf die das zweite Modul zugreifen kann. Dieses Sozialisierungssystem ist damit befasst, das Verhalten auf bestimmte Prototypen zuzuschneiden, welche die Akzeptanz in Gruppen sicherstellen. Es sorgt deshalb auch eher für Konvergenz des Verhaltens, und erst mit dem dritten Modul, dem sogenannten Statussystem, hat Harris alle Elemente für ihre Erklärung divergenter Persönlichkeitsentwicklungen zusammen. Es ist ein System der sozialen Rückkoppelung, das es dem Individuum erlaubt, die Taxierungen seiner eigenen Person durch andere Individuen wiederum selbst zu taxieren und auf diese Weise zu einer Einschätzung seiner eigenen sozialen Position und Möglichkeiten zu gelangen.

Mit Hilfe dieses Moduls, dem die beiden anderen zuarbeiten, lassen sich Verstärkereffekte plausibel machen, die aus sehr kleinen, so gut wie immer - selbst bei siamesischen Zwillingen - unterlaufenden Differenzen im Spektrum sozialer Taxierungen durch die Umgebung Schritt für Schritt deutlich divergierende individuelle Selbsteinschätzungen und Persönlichkeitsbilder entstehen lassen. Die Pointe dieses evolutionspsychologischen Modells ist, dass es an elementare Bedingungen menschlicher Gesellschaftsbildung anschließt. Was den Menschen von seinen nächsten Verwandten unter den Primaten unterscheidet, das ist nach den Einsichten der evolutionären Anthropologie vermutlich sein Vermögen, die Gedanken und Absichten anderer Individuen seiner Art zu erkennen. Genau diese Fähigkeit bildet den Ansatzpunkt für das Spiel der sozialen Positionsbestimmung im Medium der wahrgenommenen Wahrnehmung durch die anderen.

Und wie sollte man dieses Modell einschätzen? Es führt eine Reihe von interessanten Beobachtungen und Vermutungen über Mechanismen und Genese unserer unablässigen sozialen Ortungsarbeit zusammen. Und das gilt auch dann, wenn man den Abschätzungen der Verhaltensgenetiker kritischer und den evolutionspsychologischen Spekulationen reservierter gegenübersteht als die Autorin. Ein wenig bündiger hätten einige Abschnitte zwar schon ausfallen dürfen. Aber auch Autoren haben eben ihre Persönlichkeiten.

Judith Rich Harris: "Jeder ist anders". Das Rätsel der Individualität. Aus dem Amerikanischen von Susanne Kuhlmann-Krieg. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 416 S., 10 Abb., geb., 24,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Frage, die die Psychologin Judith Rich Harris stellt, ist einfach: Warum sind Menschen so verschieden? Und zwar auch dann, wenn sie - wie eineiige oder gar siamesische Zwillinge - unter beinahe denselben Bedingungen aufwachsen? Für die Antwort darauf entwickelt sie ein Modell von drei Aufgaben, denen sich Heranwachsende gegenübersehen. Sie müssen erstens "Beziehungen handhaben lernen", zweitens "die eigene Sozialisation leisten" und drittens Wege finden, im sozialen Wettbewerb zu reüssieren. Letzteres gelingt nur über die genaue Beobachtung des eigenen Beobachtetwerdens und somit über "Rückkopplung". Erst in diesem dritten Persönlichkeitsmodul entstehen "Verstärkereffekte", die dazu führen, dass minimale Differenzen zu merklichen Persönlichkeitsunterschieden führen. Der Rezensent Helmut Mayer findet dieses Modell überzeugend, bleibt verhalten skeptisch gegenüber mancher evolutionsbiologischen Annahme der Autorin und bedauert ausdrücklich nur, dass sie gelegentlich nicht ganz so schnell auf den Punkt kommt.

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