Die wunderschöne Liebesgeschichte eines Asperger-Mädchens!
Andere Menschen zu verstehen ist für Alvie eine Herausforderung. Ihr Lieblingsbuch ist die Kaninchensaga »Unten am Fluss« und richtig wohl fühlt sie sich nur in ihrem Job im Zoo, bei den Tieren. Doch als sie Stanley kennenlernt, ist alles anders: Er interessiert sich nicht nur für Quantenphysik wie sie, sondern ist auch unendlich geduldig. Aber auch Stanley fällt es schwer, sich zu öffnen. Und es ist ein langer, zum Teil sehr komischer, manchmal trauriger und wunderschöner Weg, der sie am Ende zusammenbringt - zu so etwas Ähnlichem wie Glück.
Andere Menschen zu verstehen ist für Alvie eine Herausforderung. Ihr Lieblingsbuch ist die Kaninchensaga »Unten am Fluss« und richtig wohl fühlt sie sich nur in ihrem Job im Zoo, bei den Tieren. Doch als sie Stanley kennenlernt, ist alles anders: Er interessiert sich nicht nur für Quantenphysik wie sie, sondern ist auch unendlich geduldig. Aber auch Stanley fällt es schwer, sich zu öffnen. Und es ist ein langer, zum Teil sehr komischer, manchmal trauriger und wunderschöner Weg, der sie am Ende zusammenbringt - zu so etwas Ähnlichem wie Glück.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.01.2019Eingekapselt
Alvie hat Angst vor Überraschungen
Stanley kommt mit seiner Schmerzensgeschichte nicht klar
Eine soziale Grundsicherung wie bei uns ist in den USA unbekannt. Dort ist jeder viel stärker auf sich gestellt und beim Verlust des Arbeitsplatzes droht schnell die Obdachlosigkeit. Diese Erfahrung muss Alvie machen, als sie wegen einer unbedachten Handlung ihren Job im Tierpark verliert. Dabei hat die Siebzehnjährige, die sich für Quantenmechanik interessiert, schon genug andere Probleme: Sie hat zum Beispiel eine Abneigung gegen Berührungen, erträgt die Nähe anderer Menschen schlecht und missversteht oft deren Verhalten. Ihr Alltag ist streng geregelt, Überraschungen mag sie nicht. Stets kauft sie die gleichen Lebensmittel ein, und schaut sich Tierdokumentationen an. „Das Leben von Tieren ist so einfach: Essen, spielen, sich paaren, überleben. Sie müssen sich keine Sorgen um die Miete machen.“ Helfen all die Rituale nicht, legt Alvie sich, bis auf einen schmalen Luftspalt fest in mehrere Decken gewickelt, in die leere Badewanne. Der Druck erstickt Panik und Übelkeit und lässt das Mädchen wieder ruhig atmen.
Alvie ist überzeugt davon, nicht in die Welt der Menschen zu gehören. Sie hält sich lieber an die Tiere – deshalb die Arbeit im Zoo. Als sie elf war, starb ihre Mutter, den Vater kennt sie nicht. Sie hat also niemanden mehr, nur den Sozialarbeiter, der ihr regelmäßig einen Besuch abstattet. Nach verstörenden Erlebnissen in Pflegefamilien und Heimen ist die Jugendliche jedoch froh darüber, allein leben zu können.
Alvies gleichförmiges Einsiedlerleben durchbricht eines Tages ein humpelnder Junge, den sie eine Weile heimlich beobachtet. Er kommt immer zur gleichen Zeit in den Park, bis er sich einmal verspätet und sein Handy in den Ententeich wirft. Sie fischt es heraus und beginnt, ihm E-Mails zu schreiben. Noch weiß sie nicht, dass sie Stanley damit das Leben gerettet hat. Der 19-Jährige antwortet, will sie irgendwann sehen. Widerstrebend lässt sie sich auf ein Treffen ein – der Beginn einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte. Auch Stanley hat es bisher nicht leicht gehabt, was die Annäherung der beiden kompliziert macht. Bald wird klar: Ohne seine persönliche Schmerzgeschichte hätte er wahrscheinlich nie den Mut aufgebracht, sich auf die ebenso traumatisierte wie sozial beeinträchtigte Ich-Erzählerin einzulassen.
Die Innenansichten, die die amerikanische Autorin A.J. Steiger von Alvie entwirft, halten einen emotional gefangen. Man schlüpft regelrecht in die Haut dieses toughen, tapferen, intelligenten, schonungslos ehrlichen Mädchens.
A. J. Steiger gibt dem Leser Gelegenheit, die beiden Teenager in Ruhe kennenzulernen, ohne ihnen gleich die Etiketten „Asperger-Syndrom“ und „Glasknochenkrankheit“ anzuhängen. Gut so, denn das lenkt den Blick auf die Persönlichkeiten statt auf medizinische Diagnosen. „Jeder von uns ist ein Rätsel“ ist eine faszinierende Lektüre, was sicher auch der Verdienst der Übersetzerin Annette von der Weppen ist. Eine ganz besondere Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die anders sind und auch bleiben. (ab 14 Jahre)
VERENA HOENIG
A.J. Steiger: Jeder von uns ist ein Rätsel. Aus dem Englischen von Annette von der Weppen. Carlsen Verlag, Hamburg 2018, 397 Seiten. 18 Euro.
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Alvie hat Angst vor Überraschungen
Stanley kommt mit seiner Schmerzensgeschichte nicht klar
Eine soziale Grundsicherung wie bei uns ist in den USA unbekannt. Dort ist jeder viel stärker auf sich gestellt und beim Verlust des Arbeitsplatzes droht schnell die Obdachlosigkeit. Diese Erfahrung muss Alvie machen, als sie wegen einer unbedachten Handlung ihren Job im Tierpark verliert. Dabei hat die Siebzehnjährige, die sich für Quantenmechanik interessiert, schon genug andere Probleme: Sie hat zum Beispiel eine Abneigung gegen Berührungen, erträgt die Nähe anderer Menschen schlecht und missversteht oft deren Verhalten. Ihr Alltag ist streng geregelt, Überraschungen mag sie nicht. Stets kauft sie die gleichen Lebensmittel ein, und schaut sich Tierdokumentationen an. „Das Leben von Tieren ist so einfach: Essen, spielen, sich paaren, überleben. Sie müssen sich keine Sorgen um die Miete machen.“ Helfen all die Rituale nicht, legt Alvie sich, bis auf einen schmalen Luftspalt fest in mehrere Decken gewickelt, in die leere Badewanne. Der Druck erstickt Panik und Übelkeit und lässt das Mädchen wieder ruhig atmen.
Alvie ist überzeugt davon, nicht in die Welt der Menschen zu gehören. Sie hält sich lieber an die Tiere – deshalb die Arbeit im Zoo. Als sie elf war, starb ihre Mutter, den Vater kennt sie nicht. Sie hat also niemanden mehr, nur den Sozialarbeiter, der ihr regelmäßig einen Besuch abstattet. Nach verstörenden Erlebnissen in Pflegefamilien und Heimen ist die Jugendliche jedoch froh darüber, allein leben zu können.
Alvies gleichförmiges Einsiedlerleben durchbricht eines Tages ein humpelnder Junge, den sie eine Weile heimlich beobachtet. Er kommt immer zur gleichen Zeit in den Park, bis er sich einmal verspätet und sein Handy in den Ententeich wirft. Sie fischt es heraus und beginnt, ihm E-Mails zu schreiben. Noch weiß sie nicht, dass sie Stanley damit das Leben gerettet hat. Der 19-Jährige antwortet, will sie irgendwann sehen. Widerstrebend lässt sie sich auf ein Treffen ein – der Beginn einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte. Auch Stanley hat es bisher nicht leicht gehabt, was die Annäherung der beiden kompliziert macht. Bald wird klar: Ohne seine persönliche Schmerzgeschichte hätte er wahrscheinlich nie den Mut aufgebracht, sich auf die ebenso traumatisierte wie sozial beeinträchtigte Ich-Erzählerin einzulassen.
Die Innenansichten, die die amerikanische Autorin A.J. Steiger von Alvie entwirft, halten einen emotional gefangen. Man schlüpft regelrecht in die Haut dieses toughen, tapferen, intelligenten, schonungslos ehrlichen Mädchens.
A. J. Steiger gibt dem Leser Gelegenheit, die beiden Teenager in Ruhe kennenzulernen, ohne ihnen gleich die Etiketten „Asperger-Syndrom“ und „Glasknochenkrankheit“ anzuhängen. Gut so, denn das lenkt den Blick auf die Persönlichkeiten statt auf medizinische Diagnosen. „Jeder von uns ist ein Rätsel“ ist eine faszinierende Lektüre, was sicher auch der Verdienst der Übersetzerin Annette von der Weppen ist. Eine ganz besondere Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die anders sind und auch bleiben. (ab 14 Jahre)
VERENA HOENIG
A.J. Steiger: Jeder von uns ist ein Rätsel. Aus dem Englischen von Annette von der Weppen. Carlsen Verlag, Hamburg 2018, 397 Seiten. 18 Euro.
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»Eine umwerfende Liebesgeschichte voller Tiefe und Emotionen.« Kirkus Reviews