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Als Bella vom gewaltsamen Tod ihres Bruders Aar bei einem terroristischen Anschlag in Mogadischu erfährt, bricht die erfolgsverwöhnte Modefotografin umgehend auf, um sich der halbwüchsigen Kinder des Bruders anzunehmen. In Nairobi, wo Aar mit den Kindern lebte, übernimmt sie tatkräftig die Verantwortung, denn Valerie, die Mutter der Kinder, hat die Familie bereits vor Jahren verlassen, um mit einer anderen Frau ein neues Leben zu beginnen. Jetzt aber erhebt sie ihre eigenen Ansprüche, und zwischen den Frauen entspinnt sich ein gnadenloser Machtkampf ... In seinem neuen großen Roman erzählt der…mehr

Produktbeschreibung
Als Bella vom gewaltsamen Tod ihres Bruders Aar bei einem terroristischen Anschlag in Mogadischu erfährt, bricht die erfolgsverwöhnte Modefotografin umgehend auf, um sich der halbwüchsigen Kinder des Bruders anzunehmen. In Nairobi, wo Aar mit den Kindern lebte, übernimmt sie tatkräftig die Verantwortung, denn Valerie, die Mutter der Kinder, hat die Familie bereits vor Jahren verlassen, um mit einer anderen Frau ein neues Leben zu beginnen. Jetzt aber erhebt sie ihre eigenen Ansprüche, und zwischen den Frauen entspinnt sich ein gnadenloser Machtkampf ... In seinem neuen großen Roman erzählt der Nobelpreiskandidat Nuruddin Farah das bewegende Schicksal einer Familie in Zeiten des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs.
Autorenporträt
Farah, NuruddinNuruddin Farah wurde am 24. November 1945 im südsomalischen Baidoa geboren. Er gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller Afrikas und veröffentlichte unter anderem einen Romanzyklus über seine somalische Heimat, den er mit seinem 2013 erschienenen Roman Gekapert abschloss. Heute lebt Farah in Kapstadt.

Urban, SusannSusann Urban studierte Germanistik, Anglistik und Politikwissenschaft. Sie übersetzt u. a. John Steinbeck, Nadifa Mohamed, Nuruddin Farah und Edwidge Danticat.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Nicole Henneberg zeigt sich schwer beeindruckt von Nuruddin Farahs Roman über die Schwierigkeiten eines selbstbestimmten Lebens in Afrika, genauer Nairobi. Die Geschichte seiner alleinerziehenden Hauptfigur Bella erzählt ihr der Autor zwar mitunter allzu prototypisch, doch spannend und subtil genug, wenn es um das Dilemma zwischen sexueller Freiheit und sozialer Verantwortung geht, meint sie. Laut Henneberg schlägt der Autor im Ton existenzialistische Saiten an, erzählt im Präsens und in einer klaren Sprache, genau und faktenreich, kühl und kunstvoll zugleich.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2016

Zerstörte Heimat
Überleben und Sterben in Somalia: Der neue Roman von Nuruddin Farah

Immer stärker macht eine neue Weltliteratur auf sich aufmerksam, die keinem Kontinent mehr zuzuordnen ist. Sie wird von Migranten geschrieben, in Sprachen, zu denen die Autoren oft eher zufällig kamen, so wie Nuruddin Farah, der fünf Sprachen spricht und die Wahl des Englischen als Schreibsprache mit dem Fund einer amerikanischen Schreibmaschine erklärt. Sein neuer Roman, der zwölfte, heißt auf Deutsch "Jenes andere Leben", wobei der Originaltitel "Hiding in Plain Sight" dessen zentralem Thema näherkommt - geht es doch um existentielle Zweifel und hart erkämpfte Selbstbestimmung. Und um Somalia, das zerstörte Heimatland des Autors. Von einem Aufenthalt in London kehrte der damals dreißigjährige Autor nicht zurück, nachdem der Diktator Siad Barre den Regimekritiker in Abwesenheit zum Tode verurteilen ließ. Farahs Romane kursierten fortan als Samisdat-Drucke.

Sein Land lebendig zu erhalten, indem er darüber schreibt, das ist Farahs Hauptantrieb. Er möchte den europäischen Lesern ein differenziertes Bild dieses komplexen und, wie er sagt, in Europa missverstandenen Landes bieten. Ihre Kraft beziehen seine Bücher nicht nur aus dem gewaltigen Stoff: einem geschundenen Land mit brutalisierten und verelendeten Bewohnern, sondern auch aus den widersprüchlichen und sprachgewaltigen Gefühlen, die seine Heimat bis heute in Farah auslöst.

Die Hauptfigur Bella, die nach der Ermordung ihres Bruders Aar dessen halbwüchsige Kinder versorgt, ist eindrucksvoll. Sie macht aus ihrer Zerrissenheit, ihren Selbstzweifeln und ihrer Traurigkeit kein Hehl und ist doch stark genug, die beiden Teenager davon nichts merken zu lassen. Als Fotografin ist sie rastlos in der Welt unterwegs, und was sie am meisten interessiert, ist das verborgene Gesicht der Menschen, ihre unbedachten instinktiven Gesten. Als unterbewusste Beschäftigung mit dem Tod hatte Roland Barthes die Fotografie charakterisiert, und dieser Satz ist Bellas Credo. Die Flucht vor den Shabaab-Milizen ist ihr noch genau im Gedächtnis, auch das unfassbare Glück, später bildende Kunst und Fotografie für sich entdeckt zu haben.

Farah legt seine Figuren, vor allem die weiblichen, prototypisch an. Das ist mitunter eine Schwäche seiner Romane, weil die Figuren zu viel erklären und sich stellenweise eine übergeordnete Kommentarstimme einzumischen scheint, die über individuelle Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung als demokratischen Akt doziert. Aber der Machtkampf, der sich nach Aars Tod zwischen Bella und dessen Exfrau Valerie entspannt, steckt genau im Dilemma zwischen sexueller Freiheit und sozialer Verantwortung und ist spannend und subtil erzählt.

Die Geschichte spielt in Kenias Hauptstadt Nairobi, einem halbwegs sicheren Ort, an dem Aars Kinder ein Internat besuchen. Er hatte dort in einer bewachten Wohnanlage ein Haus gekauft, und in den ausgeklügelten Alarmanlagen steckt die ganze Tragik des Ortes. Regelrecht apokalyptisch wirkt dagegen Mogadischu, wo Aar, der somalische UN-Mitarbeiter, nach einer Morddrohung der al Shabaab regelrecht hingerichtet wurde. Aar wusste, dass in Mogadischu niemand ist, was er scheint, und man als Außenstehender niemandem trauen darf. Denn es ist sein eigener Wachmann, der im Auftrag der Terroristen mordet. Der Besuch zweier Wachen in seinem hochgesicherten Apartment kurz vor der Tat liest sich qualvoll, gerade weil er so kühl und kunstvoll geschildert wird. Dazu gibt es einen autobiographischen Hintergrund: Die Lieblingsschwester von Farah arbeitete für Unicef und starb, während er den Roman schrieb, bei einem Attentat in Kabul.

Seit dem Existentialismus hat Literatur nicht mehr mit so persönlicher Dringlichkeit erzählt, und es ist kein Zufall dass sein bester Vertreter, Albert Camus, ein sogenannter pied-noir war, ein Algerier mit französischem Pass. Wie für dessen "Fremden" namens Meursault ist auch für Bella jeder Tag eine lebensbedrohliche Zerreißprobe: Valeries herausfordernder Leichtsinn, mit dem sie ihre lesbische Sexualität in Kenia auslebt, während sie Bella vorwirft, sie zu diskriminieren; die verstörend vielen geheimen Leben von Aar, die Bella auf seinem Computer entdeckt; die bodenlose und bockige Trauer der Kinder. Farah erzählt im Präsens, in einer klaren, von Susann Urban souverän übersetzten schnörkellosen Sprache, genau und faktenreich. Es sind bescheidene Dinge, die Bella schließlich retten: Sie richtet den Kindern eine Dunkelkammer ein, von der sie begeistert sind. Sie kocht jeden Tag, oft auch für Freunde. In einem Interview hat der Autor gesagt: "Somalische Männer sind selten imstande, den Alltag zu bewältigen. Viele können nicht einmal kochen: Töten ist ja viel leichter als kochen."

NICOLE HENNEBERG

Nuruddin Farah:

"Jenes andere Leben". Roman.

Aus dem Englischen

von Susann Urban. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 383 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Farah erzählt im Präsens, in einer klaren, von Susann Urban souverän übersetzten, schnörkellosen Sprache, genau und faktenreich.« Nicole Henneberg Frankfurter Allgemeine Zeitung 20160714