Nach vierzig Jahren als Kriminalbeamter wird Tom Kettle in seinem neuen Zuhause angespült, einer kleinen Einliegerwohnung im Anbau einer viktorianischen Burg, mit Blick auf den Coliemore Harbour und die Irische See. Am liebsten sitzt er in seinem Korbsessel, raucht Zigarillos und schaut durchs Panoramafenster aufs Meer. Sich nicht zu rühren, glücklich und nutzlos zu sein, ist für ihn Sinn und Zweck des Ruhestands. Schon seit Monaten hat er kaum eine Menschenseele gesehen, als an einem stürmischen Frühlingsnachmittag zwei ehemalige Kollegen an seine Tür klopfen und ihn zu einem alten Mordfall befragen wollen. Ein traumatischer Fall, der alte Wunden aufreißt, denn »nichts war so, wie behauptet wurde. Die Wahrheit eingeschlossen. Die Gardaí. Das Land«.Tom Kettle ist ein unzuverlässiger Zeuge und ein unzuverlässiger Erzähler. Seine Welt ist ein Ort voller Trauer und leisem Humor. Hier verweilen die Geister seiner Frau und seiner Kinder, verschwimmen Pflicht und Gerechtigkeit, geht die Erinnerung ganz eigene, verschlungene Wege.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dass Sebastian Barrys neuer Roman mit einem gemütlichen Blick auf die irische See beginnt, führt in die Irre, warnt Rezensentin Sieglinde Geisel, denn es geht spannungsreich, literarisch gekonnt und vor allem abgründig zu in der Geschichte um den pensionierten Polizisten Tom Kettle. Dass jüngere Kollegen mit ihm über einen ungelösten Fall reden wollen, der dreißig Jahre zurückliegt, ist der Anlass, dass Kettle sich Gedanken macht über den "systematischen Kindesmissbrauch" der katholischen Kirche im Irland der Sechziger, für den der unaufgeklärte Mord eine Art Rache war, wie Geisel verrät. Barry ist ein "Meister des Informationsmanagements", versichert die Kritikerin, die begierig den Bröckchen folgt, die ihr der Autor streut und das Buch vor Spannung kaum aus der Hand legen kann, wie sie abschließend versichert, auch wenn es seinen Lesern einiges abverlange.
© Perlentaucher Medien GmbH
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