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Produktdetails
  • Verlag: Klett-Cotta
  • ISBN-13: 9783608919103
  • Artikelnr.: 07548031
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.1998

Unternehmen - Menschen wie du und ich
Wie ein früherer Shell-Manager die Zukunft retten will

Arie de Geus: Jenseits der Ökonomie. Die Verantwortung der Unternehmen. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1998, 331 Seiten, 58 DM.

Die Rollen sind verteilt: Die einen feiern den Kapitalismus, loben seine Überlegenheit gegenüber anderen Systemen, die anderen vermissen das Menschliche, halten das strikte Denken in Produktivität und Profit für nicht mehr zeitgemäß. Arie de Geus, der frühere Koordinator der internationalen Planung in der Royal Dutch/Shell-Gruppe und internationale Vortragsredner, läßt sich ohne Mühe der zweiten Gruppe zuordnen: "Die Zwillingsziele des Profitmanagements und der Maximierung des Aktionärsvermögens auf Kosten anderer Ziele sind Überreste einer veralteten Managementtradition."

In seinem Buch "Jenseits der Ökonomie" verarbeitet der Autor seine Erfahrungen, die er während seiner 38 Dienstjahre in dem britisch-holländischen Konzern gemacht hat. Der Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Beobachtung, daß die meisten Unternehmen unter einer hohen Sterblichkeitsrate leiden, daß sie ihr Potential nicht ausschöpfen. Verschiedene Studien - unter anderem der Shell-Gruppe - hätten ergeben, daß das durchschnittliche Lebensalter eines Unternehmens nur zwischen 12,5 und 50 Jahren liege. Gemessen an ihren Möglichkeiten, seien Unternehmen damit absolute Versager. Und de Geus weiß auch genau, warum das so ist: Unternehmen scheiterten, weil im Management eine Sprache und ein Denken vorherrschten, die zu eng an eine rein ökonomische Sprache und Denkweise gebunden seien. "Unternehmen sterben, weil sich ihre Führungkräfte auf die wirtschaftliche Aktivität der Waren- und Dienstleistungsproduktion konzentrieren und dabei vergessen, daß das eigentliche Wesen ihrer Organisation in der menschlichen Gemeinschaft liegt." Unternehmen seien nicht dazu da, zuallererst Gewinne zu erwirtschaften, wie es Finanzanalysten, Aktionäre und viele Unternehmensführer behaupteten. Dieses Ziel sei - auch aus der Sicht eines Unternehmens - sekundär. "Wie alle Organismen strebt auch das lebende Unternehmen in erster Linie nach Selbsterhaltung und Selbstentfaltung: Es will seine Möglichkeiten ausschöpfen und so stark wie irgend möglich werden."

Damit das lebende Unternehmen auch länger lebt als das "ökonomische Unternehmen" (de Geus), müssen natürlich bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Auch hier gibt der Autor, der in seiner Ableitung nicht selten die Biologie bemüht, hinreichend Auskunft. Vor allem müsse das lebende Unternehmen ständig lernen und der Außenwelt gegenüber offen sein, denn die Handlungsentscheidungen dieses lebenden Wesens seien das Ergebnis eines Lernprozesses. Und noch etwas bindet der Autor an seine Definition: "Ein lebendes Unternehmen ist finanziell konservativ (gemeint sind Sparsamkeit und vorsichtige Finanzierung, der Rezensent), die Mitarbeiter identifizieren sich mit der Organisation, und die Führung ist tolerant und sensibel für die Welt, in der sie lebt." Ein Unternehmen werde sich in Zukunft nur behaupten können, wenn es zuerst an die gemeinsamen Werte seiner Mitglieder, an die Selbsterhaltung und Selbstentfaltung aller denkt, und dann erst an die Gewinnerzielung. Was de Geus bei alldem aber vergißt, ist der Wettbewerb, der beides gleichzeitig verlangt. HORST DOHM

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