Dunkle Mächte, Wesen jenseits des Begreiflichen im aufgeklärten München des Jahres 1867, nisten in der Stadt der Denker, Forscher und Modernisierer. Die Creme de la Creme aus Wissenschaft und Kultur, Freigeister und Visionäre, verkehren im Hause des angesehenen Professor Lybratte, nach dem dieser
sich neu vermählt hat. Eine hochexklusive Gesellschaft, in der es keinen Platz für Catty gibt. Die…mehrDunkle Mächte, Wesen jenseits des Begreiflichen im aufgeklärten München des Jahres 1867, nisten in der Stadt der Denker, Forscher und Modernisierer. Die Creme de la Creme aus Wissenschaft und Kultur, Freigeister und Visionäre, verkehren im Hause des angesehenen Professor Lybratte, nach dem dieser sich neu vermählt hat. Eine hochexklusive Gesellschaft, in der es keinen Platz für Catty gibt. Die neue, allseits geliebte und geachtete, Dame an der Seite ihres Vaters überhäuft Catty mit Unterricht, Aufgaben und Verboten. Cattys Welt wird zusehend enger und schwärzer. Ihre Lebendigkeit bekommt ein Korsett verpasst, das Atmen unmöglich macht und an den Rändern ihres Blickfeldes bewegt sich etwas, lauernd und bedrohlich…
Das Königreich Bayern und sein vergleichsweise offener und moderner Staat sind Handlungsort in Ju Honischs phantastischem Meisterwerk Jenseits des Karussells. Schnell wird dem Leser deutlich das hier nicht beliebig ein Ort auserkoren wurde, sondern das die Autorin ihr München als sehr genau recherchiert hat und authentisch dargestellt. Sprachweisen, gesellschaftliche Normen und Tabus, Verhaltensweisen und Umgang in den höheren Kreisen, all dies ist Bestandteil einer faszinierenden Welt, die in diesem Roman beherrbergt ist und zum Anfassen detailgetreu und plastisch wirkt. Dementsprechend vielschichtig und stark entwickelt sich eine Atmosphäre in dem Buch, die zwischen dem Flair, einer Zeit der Aufklärung und der fortschrittlichen Gesellschaft und dem, für sie undenkbaren, düsterem Übernatürlichen, pendelt.
Was hier nicht geboten wird ist Hau Ruck Phantastik.
Ju Honisch vollführt ihre Geschichte in filigraner Weise und entspinnt ein vielfältiges Netz des Phantastischen, welches nur als höchst aussergewöhnlich beschrieben werden kann. Sämtliche Figuren in Jenseits des Karussells bestechen durch ein feinfühlig gestaltetes Höchstmass an Individualität und Tiefe, die den Leser einladen, das Abenteuer ihrer Lebenswege nachzuvollziehen. Wundervoll geschrieben ist Ju Honischs vierter Roman, eine Geschichte die sich in sämtlichen ihrer Facetten an der Perfektion versucht und nicht scheitert. Man mag Jenseits des Karussells als historische Urban Fantasy kategoriseren und wird ihm dadurch doch ungerecht, da dieser Definition häufig nicht die Möglichkeit zugesprochen wird auch wirklich grosse Literatur zu sein. Allen Skeptikern der phantastischen Literatur, allen Naserümpfern, die von ihrem hohen Ross der vermeintlich anspruchsvollen Gegenwartsliteratur auf die Phantastik hinab blicken, sei dieses Werk in die Hand gedrückt und ihr Erstaunen dürfte Gewissheit sein.
Mit Jenseits des Karussells liegt ein durchgehend spannender, brillant geschrieben und feinfühlig ausgearbeiteter Fantasy Roman vor, der sowohl Kammerspiel, als auch ein Abenteuer in den Weiten einer bedrohlichen Welt, jenseits der Unseren ist. Mit gekonnt gezeichneter Magie, grossen Gefühlen und schlichtweg begeisternden Charakteren ist dieser Roman eine der besten phantastischen Veröffentlichungen 2010 und es es kann nur mit Unverständnis auf den Umstand geblickt werden, das Jenseits des Karussells keinen Spitzenplatz in den Bestsellerlisten ergattern konnte.
Ju Honisch: Jenseits des Karussells – Historische Fantasy vom Feinsten, ungewöhnlich, gewitzt, ausdrucksstark, detailverliebt in seinen Handlungsorten, gefühlvoll in seinen Figuren und absolut genial und bedrohlich in seinen düsteren Wesen. Ein Ausnahmewerk.