Wenige berühmte Städte waren im Lauf ihrer Geschichte so umstritten wie Jerusalem. Selten wurde die Stadt von Herrschern aus ihren Reihen regiert. Lang ist die Liste der fremden Mächte, die über sie geherrscht haben, schon in biblischer Zeit. Ägypter, Assyrer, Babylonier, Perser, Ptolemäer, Seleukiden und Römer haben einander abgelöst. Immer wieder stellte sich die drängende Frage, wie man sich den neuen Herrschern und ihrer Kultur gegenüber verhalten soll. Unterschiedlichste Formen von Anpassung und Widerstand wurden praktiziert. Seine weltgeschichtliche Bedeutung verdankt die Stadt aber nicht den turbulenten politischen Auseinandersetzungen, dem Wachsen und Schrumpfen ihres Territoriums, sondern der Tatsache, der Geburtsort jenes Monotheismus geworden zu sein, der zu einem wesentlichen Element des Judentums, des Christentums und des Islam wurde. Diese monotheistischen Religionen erfreuen sich heute nicht eines besonders guten Rufs. In breiten Kreisen genießen polytheistische Systeme mit ihrer Vielzahl von Gottheiten mehr Sympathie.Der seit 50 Jahren wissenschaftlich tätige Othmar Keel skizziert in knappen Strichen, wie der israelitisch-jüdische Monotheismus bei seiner Entstehung viele Erfahrungen, Symbole und Erkenntnisse polytheistischer Religionen aufgenommen und in seine globale Vision integriert hat. Das zu zeigen verwendet Keel ebenso souverän biblische wie außerbiblische Texte, archäologische wie neueste ikonographische Funde. Besonders letztere kommen in seiner Darstellung stark zum Zug und führen wiederholt zu überraschend neuen Einsichten.