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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.04.2012

Der Geist, der
oft verneint
Hans Küng aktiviert das
leuchtende Vorbild Jesus
Eine der pointiertesten Fragen, die Hans Küng in seinem an Fragen und vor allem rhetorischen Fragen übervollen Jesus-Buch stellt, widmet sich den Wundern, in denen der Mann aus Nazareth Blinde sehend machte, Aussätzige heilte und Tote zum Leben erweckte. Küng fragt: „War also Jesus so etwas wie ein Heilpraktiker, der eine Heil-Lehre, eine Wissenschaft des Heilens praktizierte?“ Die Antwort lautet natürlich: nein. Doch allein einen solchen Gedanken würde sich Joseph Ratzinger, der andere große Jesus-Deuter der heutigen Tage, kaum jemals erlauben. Ratzinger, alias Papst Benedikt XVI., appelliert argumentativ an den Glauben, wo der Verstand an seine Grenzen stößt. Küng betrachtet die Sache neutraler.
Die Jesus-Bücher des Papstes im Herder-Verlag haben sich prima verkauft. Das dürfte den Piper-Verlag dazu bewogen haben, auch den großen theologischen Antipoden Ratzingers noch einmal zu Wort kommen zu lassen. Dabei hat sich Küng bei einem seiner eigenen Werke bedient: Er hat die Jesus-Passagen aus seinem Buch „Christ sein“ herausgenommen, das im Jahr 1974 erschien und wegen seiner Kritik an der Kirche und ihrem Dogmatismus viel Aufsehen erregte, und für das neue Buch bearbeitet. Seit 1979 hat der inzwischen 84 Jahre alte Theologie-Professor keine kirchliche Lehrerlaubnis mehr, aber er ist noch Pfarrer.
In „Jesus“ erläutert Küng in extenso, was Jesus nicht war. Sein ständiges Operieren mit Negationen macht die Lektüre zäh. Es fängt damit an, dass er den Forschungsstand zusammenfasst mit der Feststellung: „Eine Biographie Jesu von Nazaret lässt sich nicht schreiben!“ Wegen der dürren Quellenlage. Küng ist der Geist, der oft verneint, ohne aber in jedem Fall ein „Sondern“ oder ein „Wohl aber“ hinterherzuschieben. Weil er selten auf die theologische Diskussion und schon gar nicht auf Ratzinger rekurriert, lässt sich für den theologischen Laien kaum ausmachen, ob er sich mit seinen Negationen Thesen widerlegen will oder eigene Gedankenspiele aufführt.
Christentum bedeutet für ihn die „Aktivierung der Erinnerung in Wort und Praxis“. Hier klingt er in der Theorie so akademisch wie Ratzinger – als Glaubenspraktiker aber wesentlich distanzierter. Das Göttliche an dem Mann aus Nazareth ist hier seine Eigenschaft als leuchtendes und vor allem erleuchtetes Vorbild.
RUDOLF NEUMAIER
HANS KÜNG: Jesus. Piper-Verlag, München 2012. 304 Seiten, 19,99 Euro.
„Eine Biographie Jesu
von Nazaret
lässt sich nicht schreiben!“
Neuaufleger: Hans Küng. Foto: dpa
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