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Die hochwertige Geschenkausgabe
Joseph Ratzinger Benedikt XVI. Jesus von Nazareth Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung
Mit Glossar und Register Format 13,9 x 21,4 cm, 448 Seiten, gebunden in Feinleinen, mit zwei Zeichenbänder, mit Silber- und Goldprägung, mit Faksimile einer Original-Manuskriptseite sowie einem Farbfoto des Papstes, in einem hochwertigen Schmuckschuber
EUR 44,- /SFr 73.- /EUR(A) 45,30 ISBN 978-3-451-29862-2

Produktbeschreibung
Die hochwertige Geschenkausgabe

Joseph Ratzinger
Benedikt XVI.
Jesus von Nazareth
Von der Taufe im Jordan
bis zur Verklärung

Mit Glossar und Register
Format 13,9 x 21,4 cm,
448 Seiten, gebunden in Feinleinen,
mit zwei Zeichenbänder,
mit Silber- und Goldprägung,
mit Faksimile einer Original-Manuskriptseite
sowie einem Farbfoto des Papstes,
in einem hochwertigen Schmuckschuber

EUR 44,- /SFr 73.- /EUR(A) 45,30
ISBN 978-3-451-29862-2
Autorenporträt
Joseph Ratzinger (1927-2022), Studium der katholischen Theologie und Philosophie an der Philosophisch-theologischen Hochschule Freising und an der Universität in München; Priesterweihe 1951, 1953 Promotion zum Dr. theol., 1957 Habilitation, theologische Professuren in Freising, Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg, Konzilsberater des Erzbischofs von Köln, Josef Kardinal Frings, Peritus, 1977-1982 Erzbischof von München und Freising, 1977-2005 Kardinal, 1981-2005 Präfekt der Glaubenskongregation, Präsident der Päpstlichen Bibelkommission und der Internationalen Theologenkommission, 2002-2005 Dekan des Kardinalskollegiums, 2005-2013 Papst Benedikt XVI., Autor des Weltbestsellers "Jesus von Nazareth".

Dominik Baltes, geb. 1978, Dr. theol., Promotion mit vorliegender Studie an der Universität Freiburg i.Br.; derzeit Studienreferendar für das höhere Lehramt an beruflichen Schulen sowie Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2007

Ein dramatischer Befund
Auf diese Debatte darf man gespannt sein: Der Papst hat als Privatmann ein Buch über das Leben Jesu geschrieben

Heute wird in Rom das Buch "Jesus von Nazareth" vorgestellt, eine Biographie des christlichen Religionsstifters, die Joseph Ratzinger schon vor seinem Pontifikat zu schreiben begonnen hatte. Das Buch dürfte für die Verständigung der Religionen ein Schrittmacher werden.

Der literarische Kunstgriff des Papstes besteht darin, ein Buch über "Jesus von Nazareth" (Herder Verlag) gleichsam als Privatgelehrter verfasst zu haben, also nicht als Benedikt XVI., sondern als Joseph Ratzinger. Geht das überhaupt? Dem Autor scheint klar zu sein, dass das nur zur Hälfte geht. Sein Vorwort hat er jedenfalls vorsichtshalber mit beiden Namen unterschrieben, mit dem bürgerlichen und dem päpstlichen, in dieser Reihenfolge. "Gewiss brauche ich nicht eigens zu sagen, dass dieses Buch in keiner Weise ein lehramtlicher Akt ist", erklärt Ratzinger-Benedikt. "Es steht daher jedermann frei, mir zu widersprechen. Ich bitte die Leserinnen und Leser nur um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt." Eine gewinnende Demutsgeste? Ein souveränes Vertrauen darauf, dass dieses Buch auch ohne das Siegel päpstlicher Lehrautorität auskommt, dass es so oder so eine Debatte über die Historizität des christlichen Religionsstifters entfachen wird, innerhalb und außerhalb des Christentums?

Man könnte es auch genau andersherum sehen. Man könnte sagen: Es ging gar nicht anders, als aus diesem Buch - dem ersten Teil einer auf zwei Bände geplanten Publikation - ein Privatbuch zu machen. Ein Buch, das Ratzinger vor Antritt seines Pontifikats im Sommer 2003 begann und für dessen Fertigstellung er nach seiner Wahl "alle freien Augenblicke genutzt" hat. Warum also als Ratzinger und nicht als Benedikt? Wer im Jahre 2007, nach all den Jahrzehnten textkritischer Dekonstruktion der Jesus-Gestalt, seinen Lesern ein flammendes "Und ich traue den Evangelien doch" entgegenschleudert, der kann das nicht als Papst tun. Der kann das, sofern er breitenwirksam gehört werden und in der Sache überzeugen will, nur als Privatgelehrter tun. Denn zu groß ist die Entzweiung zwischen Lehramt und breiten Strömungen der Theologie gerade in der Frage, wer Jesus überhaupt sein soll. Die spezifische Verklemmung, die man in theologischen Milieus bisweilen wahrzunehmen meint, hat ja nicht zuletzt damit zu tun, dass nicht wenige Theologen, wenn es um die Historizität Jesu geht, ihre Worte mit einem Augenzwinkern zu begleiten scheinen. Stillschweigend scheinen sie einem zu verstehen geben zu wollen: Wir wissen ja selbst am besten, welches intellektuelle Sakrificium wir hier bringen.

Ratzinger zeichnet einen für seine Religion dramatischen Befund. Als gemeinsames Ergebnis der jüngeren Versuche, den authentischen Jesus zu rekonstruieren, so schreibt er, "ist der Eindruck zurückgeblieben, dass wir jedenfalls wenig Sicheres über Jesus wissen und das der Glaube an seine Gottheit erst nachträglich sein Bild geformt habe. Dieser Eindruck ist inzwischen weit ins allgemeine Bewusstsein der Christenheit vorgedrungen. Eine solche Situation ist dramatisch für den Glauben, weil sein eigentlicher Bezugspunkt unsicher wird." Der dramatische Befund hat schon rein wissenssoziologisch etwas Einleuchtendes: Wo sich der Gegenstand der Glaubens historistisch buchstäblich von selbst erledigt, kann keiner mehr wissen, was bei entsprechender Glaubensbereitschaft überhaupt zu glauben wäre. In dieser Situation greift Ratzinger auf die alte List aller Historismus-Kritiker zurück, indem er dazu einlädt, den Historismus mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen

Sein Buch zielt, wenn man so will, in die Mitte der aktuellen theologischen Verklemmung. Dem Autor geht es um den Nachweis, dass man nicht gegen den Apparat der historisch-kritischen Methode, sondern mit diesem Apparat zu Jesus als dem Fleisch gewordenen Gott kommen kann. "Wenn uns die Zeugen Jesu bekunden, dass Jesus der Sohn ist, dann ist das nicht im mythologischen oder im politischen Sinn gemeint", schreibt Ratzinger gegen eine bloß historisch-kritische, weiter nicht theologisch ausgreifende Bibel-Lektüre. "Es ist ganz wörtlich zu verstehen: Ja, in Gott selbst gibt es ewig den Dialog von Vater und Sohn, die beide im Heiligen Geist wirklich ein und derselbe Gott sind."

Die Methoden der modernen Bibelexegese, welche penibel jesuanische Worte von Jesus nur zugeschriebenen Worten scheiden und jedenfalls die verschiedenen Redaktionen hinter den Evangelisten sichtbar machen möchte - diese Methoden der historisch-kritischen Textarbeit bekräftigt der Autor als "unverzichtbar", schildert sie im Blick auf eine "eigentlich theologische Interpretation der Bibel" aber zugleich als ergänzungsbedürftig. Das heißt bei Ratzinger nichts anderes als: Der Christus des Glaubens ist der Jesus der Geschichte - und umgekehrt. Wie sich dieser theologische "Konstruktionspunkt" so sichern lässt, dass er der historisch-kritischen Methode zumindest nicht widerspricht - das ist die Frage, um die es in dem Buch geht.

Der Autor beruft sich hier zumal auf das vor dreißig Jahren in Amerika entwickelte Projekt der "kanonischen Exegese", "deren Absicht im Lesen der einzelnen Texte im Ganzen der einen Schrift besteht, wodurch alle einzelnen Texte in ein neues Licht rücken". So bleibe immer die ganze Bibel als für die Interpretation der einzelnen Stelle maßgebend und zerfalle nicht in zusammenhanglose Texte. Letztlich geht es Ratzinger einmal mehr darum, die Bibel selbst als ein Produkt der mündlichen Tradition auszuweisen. Insofern sei sie in ihrer Auslegung auf die Kirche als das historische "Subjekt" dieses Überlieferungsgeschehens angewiesen.

Würde Ratzinger in dieser für die Substanz des Christentums erheblichen Sache als Papst sprechen, wäre sein Plädoyer wahrscheinlich schnell als Rollenprosa verpufft. Spricht er jedoch, wie er es hier tut, mit dem Lautsprecher des päpstlichen Amtes lediglich als ein Gelehrter unter Gelehrten, der Seinesgleichen ausdrücklich zum Widerspruch einlädt, so ist die Debatte, die er in dieser Frage anstoßen will, umso wahrscheinlicher. Ratzingers literarischer Kunstgriff erweist sich, so gesehen, als ein eminent politischer. Der typisch katholische Zirkel kann und soll mit diesem Kunstgriff nicht verdeckt werden. Dieser Zirkel besteht darin, dem historisch-kritisch schillernden Bibeltext mit einer kirchlichen Auslegungsinstanz sichern zu wollen, welche in ihrem Kern selbst wiederum der historisch-kritischen Zerbröselung enthoben sein soll. Das Buch verhehlt nicht, macht im Gegenteil stark, dass genau im Auge dieses Zirkels der Glaube sitzt. Die zentrale These des Buches lautet hier: "Gewiss, die christologische Hermeneutik, die in Jesus Christus den Schlüssel des ganzen sieht und von ihm her die Bibel als Einheit zu verstehen lernt, setzt einen Glaubensentscheid voraus und kann nicht aus purer historischer Methode hervorkommen. Aber dieser Glaubensentscheid trägt Vernunft - historische Vernunft - in sich."

Zirkel hin, Zirkel her: Tatsächlich wird man, was die Einschätzung des Buches angeht, sich an das Kriterium halten können, das der Autor selbst bekräftigt hat: die kontroverse fachtheologische Debatte. Sie wird man abwarten müssen. Auf sie wird man gespannt sein dürfen.

Schon heute freilich ist zu erwarten, dass diese Debatte unter dem deutschen Pontifikat populären Schwung gewinnen und so nicht nur für die Selbstverständigung des Christentums, sondern auch für den Dialog der Religionen neue inhaltliche Maßstäbe setzen wird. Ratzingers Buch, das der Gestalt Jesu im Durchgang durch die Lebensstationen bis zur Verklärung auf dem Berg Tabor Kontur verleiht, könnte sich als ein Schrittmacher für das Toleranzverständnis der zusammenwachsenden Kulturen entpuppen. Für ein Toleranzverständnis, das bei allem Suchen nach Gemeinsamkeiten die Unterschiede der Positionen gerade nicht verwischt, sondern ausstellt.

"Jesus von Nazareth" ist ein Buch, dem man zweierlei wird nachsagen können: Es belebt die Auseinandersetzung um die Substanz einer Weltreligion, reißt diese Weltreligion aus den Verflachungen eines sich bloß humanitär und ethisch begreifenden Projekts heraus. Der metaphysische Ernst von Religion erhält wieder einen Bezugspunkt. Das ist ein nicht hoch genug zu veranschlagendes Verdienst dieses Buches. Mit derselben Schärfe tritt freilich auch das Prekäre aller Versuche, den Glauben als "vernünftig" darzulegen, in den Blick. Überspitzt könnte man es womöglich so sagen: Wenn die Vernunftgemäßheit der christlichen Gottesidee jetzt von irgendwelchen neueren amerikanischen Exegesemethoden abhängen sollte, die man "kanonisch" nennt, dann spricht das vielleicht eher dafür, dass man die Vernünftigkeit des Glaubens nicht strapazieren sollte. Methoden kommen und gehen. Ein Gott stört sich nicht weiter dran.

CHRISTIAN GEYER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.04.2007

Verachtet mir die Pharisäer nicht!
Der Papst als Theologe: Benedikt XVI. fordert in seinem Buch „Jesus von Nazareth” eine neue Ernsthaftigkeit
Für die bisher größten Verwerfungen im Pontifikat Benedikts XVI. sorgte ein Zitat. Weil Manuel II. Palaeologos einen Perser fragte, ob Mohammed nur Schlechtes und Inhumanes gebracht habe, und weil Benedikt diese Frage in seiner Regensburger Vorlesung zitierte, schien der Weltfriede in Gefahr. Auch in seinem neuen, ausdrücklich als Resultat persönlichen Suchens bezeichneten Buch „Jesus von Nazareth” ist ein Zitat von zentraler Bedeutung. Und vielleicht werden nun nicht zornige Muslime, sondern wütende Theologen, solche aus Tübingen zumal, ihre Stimme erheben. Satan persönlich habe nämlich von der Universität Tübingen den Ehrendoktor der Theologie erhalten – schreibt Wladimir Solowjew in seiner „Kurzen Erzählung vom Antichrist”. Benedikt zitiert die Parabel und fügt hinzu: „Bibelauslegung kann in der Tat zum Instrument des Antichrist werden.”
Die Pointe zählt zum Kernbestand des Ratzingerschen Zitatenschatzkästleins. Oft gab er sie zum Besten, zuletzt 2004 in New York. Schon 1978 warf er der historisch-kritischen Methode vor, sie gebe „das Seziermesser des Literaturkritikers für die Grundform der Erkenntnisse der Geheimnisse Gottes aus”. Der biblische Glaube sei „nicht im Gegenüber zwischen einem Buch und der analytischen Einzelvernunft angesiedelt.” Glaube sei die „Entgrenzung der Einzelvernunft wie der Einzelexistenz”: Man glaubt und theologisiert nur in der Gemeinschaft ganz, in der Kirche. Wenn Benedikt jetzt bekräftigt, Jesus sprenge das „strenge Modell professoralen Denkens”, die Schriftkundigen blieben „im Dickicht ihrer Detailkenntnisse stecken”, bewegt er sich in vertrauten Bahnen.
Dennoch ist das 400 Seiten starke Buch, entstanden zwischen 2003 und 2006, ein Solitär. Zum ersten Mal legt ein amtierender Papst eine dezidiert theologische Studie vor. Johannes Paul II., ein homo politicus von hohen Graden, hinterließ Gedichte, Erinnerungen, Appelle. Sein vor der Wahl geschriebenes Hauptwerk „Person und Tat” war eine Auseinandersetzung mit Individualismus und Totalitarismus; seine zwischen 1979 und 1984 entwickelte „Theologie des Leibes” harrt noch der Diskurse. Benedikt argumentiert nun strikt als Theologe. Er will „den Evangelien trauen”, will „einfach den wichtigsten Texten zuhören”.
Um „den Schleier der Zukunft” versuchsweise zu heben, bedient er sich des Vergangenen. Das Ältere ist hier buchstäblich das Vorgängige, das Alte Testament. Joseph Ratzinger bekennt sich zur jüdischen Genese des Christentums mit einer Leidenschaft, wie sie noch keinem Papst aus der Feder floss. Über viele Seiten hinweg referiert er zustimmend die Auslegungen eines jüdischen Gelehrten unserer Tage. Kapitel um Kapitel legt er dar, weshalb „der Gott Israels, der ja der einzige Gott selber ist,” Juden und Christen ewig aufeinander verweist.
Seit den achtziger Jahren vertritt Ratzinger entschieden eine „Theologie des Einen Bundes”. Zuvor gab er den nicht unproblematischen Commonsense katholischer Dogmatik, den der Katechismus 1992 modifizierte, so wieder: „Die Parteinahme Gottes für Jesus gegen die amtliche Auslegung des Alten Testaments durch die zuständigen jüdischen Instanzen” eröffne die „Freiheit vom Buchstaben des Gesetzes”. Dieser Dualismus ist Geschichte. Wie schon in der Rede vom Februar 1994 über „Israel, die Kirche und die Welt” ist Benedikts Augenmerk jetzt auf Jesu „Zugehörigkeit zum Glaubens- und Lebenserbe Israels” gerichtet.
Kaum zu überschätzen ist die Bedeutung einer solchen Neubestimmung. Jeder klerikale Antijudaismus verbietet sich endgültig. Die Rede von der über die Synagoge triumphierenden Kirche, die noch immer beliebte Gegenüberstellung von Pharisäertum und Glaube, die Ineinssetzung von Gesetzestreue und Heuchelei haben nun den Papst gegen sich. Wenn es der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist, den Jesus „zu den Völkern der Erde” brachte, wenn die Kirche das erneuerte Israel ist, „das das alte nicht ausschließt oder aufhebt, aber überschreitet ins Universale hinein”, dann können Christen Juden nicht anders begegnen als im Geist der Geschwisterlichkeit.
Die Ehrenrettung der Pharisäer hat eine theologiekritische Spitze. Benedikt stellt sie vor als Menschen, die „der Anpassung an die hellenistisch-römische Einheitskultur entgehen” wollten. Sein Herz schlägt wohl ein wenig für die Pharisäer, weil diese jenem Geist widerstanden, dem zu widerstehen Benedikt heute aufruft: dem Geist des „Mitmachens” bei dem, was alle tun, der „Diktatur der Gewöhnlichkeit”, der „verlogenen Vergöttlichung der Macht und des Wohlstands”.
Zugleich opponiert er gegen die „übliche Auslegung” des Alten Testaments. Jesus sei kein „Vorläufer des christlichen Liberalismus”, mit dem die Juden brachen, weil er ihren „verknöcherten Legalismus” ablehnte. Genüsslich erinnert er an das Bonmot, niemand würde einen Lehrer kreuzigen, der nur gefällige Geschichten erzähle. Nein, insistiert Benedikt, Jesus bleibe die „lebendige Tora Gottes”. Nicht die Nähe oder Ferne zum Gesetz der Väter markiert demnach die Grenze, sondern einzig der Anspruch Jesu, mit göttlicher Autorität zu handeln. Der von Benedikt ausführlich zitierte New Yorker Rabbiner Jacob Neusner fand hierfür die Formulierung: „Christus nimmt den Platz der Tora ein”. Ihm zu folgen, fährt Benedikt fort, sei dann kein Ungehorsam gegen Gottes Gebot, wenn er „in der Vollmacht des Sohnes spricht, wenn seine Auslegung Anfang einer neuen Gemeinschaft eines neuen freien Gehorsams ist”. Die Person Jesu trennt demnach Juden und Christen, sonst nichts.
Die jüdischen Pioniere des Dialogs – Abraham Geiger, Leo Baeck, Schalom Ben-Chorin – hätten es kaum anders formuliert. „Jesus von Nazareth” ist ein Gesprächsangebot von stellenweise zärtlichem Charakter. Und es ist wie die Rede über „Israel, die Kirche und die Welt” eine Kampfansage an „liberale und moderne Darstellungen”, wonach die jüdischen Autoritäten „von der Unterdrückung der anderen lebten. Man stellt sich diesen Interpretationen gemäß auf die Seite Jesu und ficht seinen Kampf, indem man gegen Priestermacht in der Kirche und law and order im Staat auftritt.” So sprach Ratzinger 1994, nun nennt Benedikt die „Abstoßung von Mose und Propheten” eine „große Versuchung der Neuzeit”. In der Nachfolge Harnacks wolle man „die Christenheit von der Last des Alten Testaments befreien”.
Symptomatisch ist die Deutung des Gleichnisses vom Weinberg. Dessen Pächter ermorden den Sohn des Besitzers, um Grund und Boden zu behalten. Jesus schließt die Bilderrede mit der Ankündigung, nun werde der Besitzer kommen, die Pächter töten, den Weinberg in andere Hände geben. Laut Benedikt betrifft diese „Drohung-Verheißung” nicht nur die herrschenden jüdischen Kreise damals, „sie gilt auch im neuen Gottesvolk”. Christen können ihr Erbe verspielen, können Ansehen, Einfluss, Präsenz verlieren. Kein Zufall ist es da, dass Benedikt das Schrumpfen der Volkskirche als Chance begreift: „Immer wieder bedarf die Kirche, bedarf der Einzelne der Reinigung. Die eigene Größe des Menschen wie auch der Institutionen muss weggeschnitten werden; was allzu groß geworden ist, muss wieder in die Einfachheit und Armut des Herrn selbst zurückgeführt werden. Nur durch solche Vorgänge des Absterbens hindurch bleibt und erneuert sich die Fruchtbarkeit.”
Benedikt tadelt auch die Verwechslung von Liebe und Lieblichkeit. So wie „die Nachfolge Christi nicht bequem” sei, dürfe die Kirche vor unbequemen Wahrheiten nicht zurückschrecken. Liebe bedeute die „schmerzvolle Umwandlung unserer selbst”. Wachzuhalten sei das Bewusstsein, „zuallererst vom Gehorsam gegen Gottes Wort” zu leben. Nur der „mit Gott und sich selbst versöhnte Mensch” könne Frieden stiften, denn „wo Gott nicht gesehen wird, verfällt der Mensch und verfällt die Welt.”
Ein solcher Ton der Unbedingtheit ist sonst aus der Theologie vertrieben. Indem Benedikt in einfachen Sätzen die Realität von Heil oder Unheil, Verwerfung oder Errettung behauptet, sorgt er in Theologenkreisen für größere Zerrüttung als durch die Anekdote vom Antichrist. Dass bei deren Erwähnung biographische Aspekte eine Rolle gespielt haben, scheint plausibel. Ratzinger lehrte von 1966 bis 1969 in Tübingen. Dort erlebte er „die Zerstörung der Theologie durch ihre Politisierung im Sinne des marxistischen Messianismus”. Ist an diese Zeilen aus den Lebenserinnerungen zu denken, wenn Benedikt klagt, „aus scheinbaren Ergebnissen der wissenschaftlichen Exegese sind die schlimmsten Bücher der Zerstörung der Gestalt Jesu (. . .) geflochten worden”? Oder hat er – jenseits der oft genannten Harnack und Bultmann – den religionspluralistischen Ansatz im Sinn? Fußnoten fehlen.
Womöglich führt eine zweite Spur zurück an den Neckar. Dass Ratzinger das „Weltethos”-Projekt des ehemaligen Tübinger Kollegen Hans Küng ablehnt, ist bekannt. „Utopistisches Gerede”, eine „nachchristliche Vision” erblickt er nun in der „heutigen Theorie”, jeder möge bei seiner Religion bleiben, damit man zusammenwirke für „eine Welt, in der Friede, Gerechtigkeit und Respekt vor der Schöpfung bestimmend sind.” Eine solche Allverbrüderung müsse scheitern, denn „wer sagt uns eigentlich, was Gerechtigkeit ist, was in der konkreten Situation der Gerechtigkeit dient, wie Friede geschaffen wird?” Wer sich dem „wirklichen Jesus” öffne – das meint: dem gottgleichen, rettenden und richtenden Menschensohn –, dessen Hunger nach Gerechtigkeit werde gestillt.
Eindringlich sind jene Passagen, in denen die Illusion einer heilen Welt als „Betrug Satans” bezeichnet wird. Der GAU von Tschernobyl ist Benedikt „erschütternder Ausdruck der im Gottesdunkel verknechteten Schöpfung”, der Westen habe die Völker Afrikas „ausgeplündert und seelisch verletzt”, die „Grausamkeiten eines Kapitalismus, der den Menschen zur Ware degradiert”, hielten die Welt im Würgegriff. Sextourismus, Armut, Waffenhandel seien zu überwinden, wenn jeder Mensch „von innen her das Wagnis der Güte neu erlernt”. Eine grundsätzlich gewandelte Welt erwartet Benedikt folglich kaum. Leid und Gewalt werden des Menschen Gefährten bleiben. Ratzingers eschatologischer Realismus duldet keine Abmilderung.
Benedikt XVI. war angetreten, um die Deutungen Jesu als eines genialen Menschen, liberalen Rabbis oder politischen Barrikadenkämpfers als unbiblisch zu überführen. „Die neue Güte des Herrn”, heißt es, „ist kein Zuckerwasser. Ohne einen Untergang des bloß Eigenen gibt es keine Gottesgemeinschaft und keine Erlösung.” Entstanden ist ein Buch, das in seiner radikalen Ernsthaftigkeit, seinem unerbittlichen inneren Anspruch, seinem kompromisslos moralischen Grundton quer steht zu den Tendenzen der Zeit wie der Theologie. Entstanden ist ein kirchenkritisches Plädoyer für die Verankerung des Christentums in der Tora. Und entstanden ist ein sehr deutsches Buch, das so nie wieder wird geschrieben werden können – ein Buch, mit dem ein Papst die kämpferische, angreifende und angreifbare Summe zieht eines Jahrhunderts deutscher Theologiegeschichte. ALEXANDER KISSLER
Niemand würde einen Lehrer kreuzigen, der nur gefällige Geschichten erzählt
Die neue Güte des Herrn ist kein Zuckerwasser
Gleichsam als Privatgelehrter hat Benedikt XVI. in den letzten Jahren ein Buch über Jesus geschrieben. Foto: GAMMA
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