38,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in über 4 Wochen
  • Gebundenes Buch

1930 veröffentlichte der aus Russland stammende jüdische Gelehrte im Jüdischen Verlag sein Buch über Jesus von Nazareth. Er hatte das Buch in den Jahren zuvor in Jerusalem verfasst, um Jesus als Juden zu zeigen und eine Erklärung dafür zu finden, dass »Israel als Volk« das aus dem Judentum entstandene Christentum »mit aller Macht zurückgestoßen« habe. 1919 war der Zionist Joseph Klausner nach Palästina ausgewandert und lehrte an der 1925 neu eröffneten Hebräischen Universität in Jerusalem hebräische Literatur. Er deutet aus nationaljüdischer Perspektive Jesus als zwiespältige Gestalt: als eng…mehr

Produktbeschreibung
1930 veröffentlichte der aus Russland stammende jüdische Gelehrte im Jüdischen Verlag sein Buch über Jesus von Nazareth. Er hatte das Buch in den Jahren zuvor in Jerusalem verfasst, um Jesus als Juden zu zeigen und eine Erklärung dafür zu finden, dass »Israel als Volk« das aus dem Judentum entstandene Christentum »mit aller Macht zurückgestoßen« habe. 1919 war der Zionist Joseph Klausner nach Palästina ausgewandert und lehrte an der 1925 neu eröffneten Hebräischen Universität in Jerusalem hebräische Literatur. Er deutet aus nationaljüdischer Perspektive Jesus als zwiespältige Gestalt: als eng mit Palästina verbundenen »Nationaljuden«, dessen sittliche Botschaft auch für die moderne zionistische Geschichte von Bedeutung sei, und als Propheten, dem »das politische Verständnis und die Gabe der nationalen Tröstung und Aufrichtung« fehlte und aus dessen Lehre sich daher eine »unjüdische« Religion entwickeln konnte.

Dieses Buch sorgte über Jahrzehnte für Kontroversen zwischen jüdischen wie christlichen Zeitgenossen. Es birgt ein spannendes Kapitel jüdisch-christlicher Zeitgeschichte. Amos Oz hat seinem Onkel in seinem letzten großen Roman Judas ein bleibendes Denkmal gesetzt. Joseph Klausner starb 1958 in Jerusalem.

In seinem Nachwort zeigt der Herausgeber Christian Wiese, Inhaber der Martin Buber-Professur an der Goethe-Universität in Frankfurt, Klausners Werk in den religionsgeschichtlichen Debatten über die neutestamentliche Zeitgeschichte und das Verhältnis von Judentum und Christentum angesichts der einen entscheidenden Frage nach Jesus als Jude und Begründer der christlichen Religion.

»Und Onkel Joseph lächelte unter seinem Schnurrbart und sagte: Wenn Juden und Christen gleichermaßen unzufrieden sind, habe ich vielleicht etwas richtig gemacht.«
Amos Oz über Joseph Klausner, 2017
Autorenporträt
Joseph Klausner, geboren 1874 in Litauen, studierte Philosophie und Semitische Sprachen in Heidelberg. Er war überzeugter Zionist und wanderte 1919 nach Palästina aus. Joseph Klausner starb 1958 in Jerusalem. Christian Wiese, geboren 1961, Studium der Ev. Theologie und Judaistik in Tübingen, Bonn, Jerusalem und Heidelberg, Promotion 1997 in Frankfurt a.M., Habilitation 2006 in Erfurt. 2007-2010 Professor für jüdische Geschichte und Direktor des Centre for German-Jewish Studies an der University of Sussex. Vorher Stationen als Wiss. Mitarbeiter am Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte in Duisburg und Wiss. Assistent am Lehrstuhl für Judaistik an der Universität Erfurt. Sein Forschungsgebiet ist die moderne jüdische Geschichte und Philosophie, die Geschichte des Zionismus sowie die Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehungen der Neuzeit. Gastprofessuren in Montreal, Dublin, am Dartmouth College, New Hampshire, an der University of Pennsylvania (Philadelphia) und an der ETH Zürich. Seit 2010 Inhaber der Martin-Buber-Professur für Jüdische Religionsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt, seit 2021 Direktor des Frankfurter Buber-Rosenzeig-Instituts für jüdische Geistes- und Kulturgeschichte der Moderne und Gegenwart.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Johann Hinrich Claussen empfiehlt das Jesus-Buch des jüdischen Gelehrten Joseph Klausner von 1922 weniger seiner Thesen wegen, als aufgrund seines Wertes als Dokument einer so toleranten wie streitfähigen Debattenkultur vor der Nazibarbarei. Nach einer Einweisung durch das Nachwort folgt Claussen den Ausführungen des Autors zu Jesus und erkennt darin sowohl die Positionen eines "rechtsliberalen Kulturzionisten" wie auch Klausners Beschäftigung mit Abraham Geiger und Leo Baeck. Als jüdisch-christlicher Dialog kündet der Text laut Claussen nicht zuletzt von der "weitherzigen" Gelehrsamkeit seines Autors.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.09.2021

Warmherzige Gelehrsamkeit
Suhrkamp hat die große Jesus-Biografie des jüdischen Gelehrten Joseph Klausner neu aufgelegt
Dieses Buch wirkt wie aus der Zeit gefallen, dennoch nimmt man es mit Freude in die Hand und liest darin, allerdings mit wachsender Wehmut. Als Joseph Klausner es 1922 in Jerusalem veröffentlichte, war es das erste Buch eines jüdischen Gelehrten in hebräischer Sprache für ein allgemeines Publikum über Jesus von Nazareth. Es erregte Aufsehen, sorgte für intensive Debatten, erntete Widerspruch von Juden und Christen gleichermaßen, wurde in viele Sprachen übersetzt, dann aber war es kaum mehr erhältlich. Nun hat der Jüdische Verlag es gewagt, die deutsche Übersetzung der dritten Auflage von 1952 erneut aufzulegen. Der ausgewiesene Kenner Christian Wiese hat ein ausführliches Nachwort beigesteuert, das die nötigen Hintergrundinformationen liefert.
Klausner wurde 1874 in der Nähe von Vilnius geboren. Sein Weg führte ihn ins russische Odessa, dann fort von seiner traditionell-jüdischen Familie, unter anderem zum Studium nach Heidelberg, wo er auch bei Max Weber studierte. Anschließend wanderte er 1919 nach Palästina aus. In Jerusalem erhielt er an der von ihm mitgegründeten Universität eine Professur zunächst für jüdische Literatur, dann auch für die Epoche des Zweiten Tempels. Dort starb er 1958.
Wollte man seine Position beschreiben, würde man ihn wohl am besten als rechtsliberalen Kulturzionisten bezeichnen. Klausner hoffte, dass aus Palästina ein neues Israel, also die Heimat einer jüdischen Nation werden würde. Diese sollte weniger durch orthodoxe Frömmigkeit als durch ihre Kultur und Sprache bestimmt sein. Diese Vision besaß eine eigene religiöse Prägung: Durch die Rückkehr aus dem Exil in die Heimat sollte das jüdische Volk die messianische Idee des Gottesreiches in einem eigenen Staatswesen verwirklichen und so zum „Licht der Völker“ werden. In dieser Perspektive widmete Klausner sich der Gestalt Jesu. Dabei war das Ziel seines Buches, „eine Vorstellung von dem Anderssein und der Verschiedenheit von Judentum und Christentum“ zu gewinnen. Seine Beschäftigung mit Jesus diente dazu, das Eigene im Gegenüber zum signifikant Anderen zu bestimmen, ohne letzteres abzuwerten. Deshalb vertiefte Klausner sich in die Traditionen der liberalprotestantischen Theologie und ihrer „Leben-Jesu-Forschung“, nahm aber auch Einsichten von jüdischen Gelehrten auf, etwa die Jesus-Deutungen von Abraham Geiger und Leo Baeck. So führte Klausner in seinem Jesus-Buch eine Art jüdisch-christlichen Dialog, der aber nicht auf Harmonisierung zielte, sondern auf ein historisch-theologisch solides Selbst- und Fremdverstehen. Das Bedeutsame und Tiefsympathische dieser Differenz-Theologie war sein unverbrüchlicher Sinn für Fairness.
Ausgangspunkt war für Klausner eine Einsicht, die der christliche Bibelwissenschaftler Julius Wellhausen schon 1905 formuliert hatte: „Jesus war kein Christ, sondern Jude.“ Wie aber konnte es geschehen, dass dieser durch und durch jüdische Jesus von seinem eigenen Volk nicht anerkannt, sondern zur Stiftergestalt einer neuen Religion wurde? Klausner suchte darauf eine Antwort, indem er Jesus in seinem geschichtlichen Kontext betrachtete und die Bruchstellen markierte, an denen er von dem abwich, was – in Klausners Augen – für das Judentum wesentlich sei. Für Klausner war Jesus ein herausragender „Lehrer der Sittlichkeit“, der zurecht das Zeremonialgesetz zurückgestuft hatte, aber leider eine rein spirituell ausgerichtete Ethik gepredigt habe, die nur für Einzelne gelten konnte, aber für die Wirklichkeit eines nationalen Judentums unbrauchbar war. Wäre Israel ihm gefolgt, wäre dies das Ende seiner Existenz als eigenständiges Volk gewesen.
Die meisten von Klausners historischen und theologischen Thesen dürften heute als überholt gelten. Auch hat sein Kulturzionismus erheblich an Strahlkraft verloren. Dennoch ist sein Jesus-Buch noch lesenswert – als Dokument einer gebildeten, toleranten und zugleich streitfähigen Gesprächskultur, die es damals durchaus gegeben hat, bevor die deutschen Menschheitsverbrechen auch sie zerstörten.
Das schönste Zeugnis für Klausners weitherzige Gelehrsamkeit ist von seinem Großneffen Amos Oz: „Einmal sagte Onkel Joseph zu mir: ‚In deiner Schule wird man dich gewiss lehren, diesen tragischen und wunderbaren Juden Jesus zu verabscheuen, und ich hoffe nur, man bringt dir nicht auch noch bei, auszuspucken, wann immer du seinem Bildnis begegnest. Wenn du einmal groß bist, lies bitte deinen Lehrern zum Trotz das Neue Testament, und du wirst entdecken, dass er von unserem Fleisch und Blut gewesen ist, durch und durch eine Art Zaddik oder Wundertäter. Zwar war er ein Träumer ohne jeglichen Sinn für Politisches, aber es gebührt ihm ein Platz im Pantheon der Großen Israels.“
JOHANN HINRICH CLAUSSEN
Joseph Klausner: Jesus von Nazareth. Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre. Hrsg. von Christian Wiese. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 718 Seiten, 38 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
»Das erste Buch eines jüdischen Gelehrten ... für ein allgemeines Publikum über Jesus von Nazareth. Dieses Buch ... nimmt man mit Freude zur Hand.« Johann Hinrich Claussen Süddeutsche Zeitung 20210917