`Scuse me while I kiss the sky - das kurze, wilde Leben des Jimi Hendrix.
Für die New York Times war er «der schwarze Elvis Presley», für Musikerkollegen wie Miles Davis und Eric Clapton eine Quelle der Inspiration. Als er beim Woodstock-Festival 1969 die US-Nationalhymne elektronisch erhöhte, wurde das der Abgesang auf den amerikanischen Traum und zugleich seine Neubegründung. James Marshall Hendrix, geboren 1942 in Seattle, war einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts. Er veröffentlichte zu Lebzeiten nur fünf offizielle Alben, doch sein innovatives und experimentelles Gitarrenspiel prägte die Rockgeschichte. Klaus Theweleit und Rainer Höltschl beschreiben Leben und Werk dieses einzigartigen Künstlers, dessen Musik bis heute nichts von ihrer Magie verloren hat.
Für die New York Times war er «der schwarze Elvis Presley», für Musikerkollegen wie Miles Davis und Eric Clapton eine Quelle der Inspiration. Als er beim Woodstock-Festival 1969 die US-Nationalhymne elektronisch erhöhte, wurde das der Abgesang auf den amerikanischen Traum und zugleich seine Neubegründung. James Marshall Hendrix, geboren 1942 in Seattle, war einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts. Er veröffentlichte zu Lebzeiten nur fünf offizielle Alben, doch sein innovatives und experimentelles Gitarrenspiel prägte die Rockgeschichte. Klaus Theweleit und Rainer Höltschl beschreiben Leben und Werk dieses einzigartigen Künstlers, dessen Musik bis heute nichts von ihrer Magie verloren hat.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.12.2008Ein Chauffeur zwischen den Welten
Das Buch eines Verehrers: Der Kulturforscher Klaus Theweleit beschäftigt sich mit Jimi Hendrix
Einer wenig bekannten Legende zufolge drückte einmal jemand dem großen Torwart Petar „Radi” Radencovic die frisch erschienene Novelle „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter” von Peter Handke in die Hand und bat den Fachmann um ein Schnellgutachten. Der „Radi”, Hüter im Tor des TSV 1860 München, verstand naturgemäß nichts von dem, was er da las (schließlich war er Fußballer und kein Literaturkritiker), und erklärte, er jedenfalls habe beim Elfer noch nie Angst verspürt. Was die Fabel lehrt? Dass es schwer ist, über das Irrationale zu reden. Fußball, Literatur, Kunst, Musik und Gott sind nicht zu fassen.
Trotzdem gibt es Unentwegte, unerschrockene Abenteurer im Lande Pop beispielsweise, die ausgerechnet die flüchtigste Erscheinung auf Gottes weitem Erdboden zu beschreiben suchen, die lilalärmende Popmusik. Das kann geschehen in Form einer Liebeserklärung durch den verzückten Fan und entsprechend triefen, es kann aber auch – warum denn nicht? – musikwissenschaftlich und entsprechend dürr ausfallen. Die Musik überlebt alles, verabschiedet sich und weht unbeeindruckt fort übers schöne Land.
Unheilbare Schwuchtel
Klaus Theweleit, der über Jimi Hendrix schreibt, nein, schwärmt, phantasiert, deliriert, ist so ein Liebender, ein hemmungslos Ergriffener, aber ganz kann er den Wissenschaftler nicht verleugnen. „Ein dritter Körper entsteht auch da, wo die Schallwellen eines Lautsprechers mit den entgegenströmenden Wellen der eigenen Körperlichkeit intensiv zusammenstoßen und sich verbinden zu einer neuen Materialität im Raum.” Ah ja. „Im Wechsel der vier Verzerrer: das Arbiter Fuzz Face und das Maestro Fuzz (nur live), das Axis Fuzz (in den Olympic-Studios und mit der Band of Gypsys), das Mosrite Fuzz (nur im Studio, 1969/70). Hinzu kam ein Vox-Wah-Wah...”. Gut, dass das mal so deutlich ausgesprochen wurde, aber vielleicht ist diese Prospekt-Prosa ja dem Co-Autor Rainer Höltschl zu verdanken.
Bei aller Liebe zur Musik kann der 66-jährige Kulturforscher Theweleit doch nicht anders, als die Generationenfrage zu stellen. „Für die nach 1940 Geborenen ist Hendrix ihr massivster Einschalter gewesen.” Und weiter und noch mal: „Hendrix ist ein Chauffeur zwischen diesen Welten; unentwegt unterwegs auf seinem Gitarrenbesen, der right in time die richtigen Steckdosen fand; eine Art gitarristisch-galileischer Existenzbeweis dessen, woraus manche Menschenkörper gemacht sind, die in oder nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden...”, assoziiert er frei vor sich hin und ist noch lang nicht zu Ende.
Er hätte natürlich einfach sagen können, dass in dem Lärm, den zu veranstalten Hendrix (nicht allein) gelang, endlich der Badenweiler Marsch und überhaupt das ganze Dschingderassabumm des Preußendeutschen unterging.
Erstaunlich deshalb, dass sich der große Körper- und Männerphantasien-Analytiker nichts aus der befleckten Empfängnis Hendrix’ macht. Seine Großmutter nämlich war vergewaltigt und davon schwanger geworden und suchte per Anzeige einen Mann. Wenn es je einen Kleist’schen Unzulänglichkeitsverzweifler gab, dann war es James Marshall Hendrix, geboren 1942 im Ghetto in Seattle, verwahrlostes Kind aus dem schwarzen Proletariat, das von den Schwarzen nicht anerkannt wurde, ein indianischer Medizinmann, um den die Indianer sich nicht scherten, ein Gitarrenzauberer, von dem die Welt noch träumen wird bis zum Jüngsten Tag. Kann so einer, der unzweifelhaft von den Himmeln war, überhaupt irdische Eltern haben? Hatte er: Lucille, die flatterhafte Tanzmaus, Al, der den Sohn nicht als eigen ansah, der seine Frau verprügelte und aus dem Haus trieb, der dann Jimis Erbe antrat und aus den lumpigsten Studioproben noch den letzten Pfennig juckelte. Aber was erklärt das schon? Glaubhafter fast die Version, die Hendrix selber gelegentlich anbot, dass ihn Außerirdische auf einer Parkbank in Birmingham abgesetzt hätten, dass er also, vaterlos, mutterlos, schwerelos, wie er war, gar nicht anders konnte als zur Gitarre zu greifen und das zu spielen, was ihm fehlte: der Weltraum, das All, das Fernferne da draußen. ’xcuse me while I kiss the sky.
Andern war er zu irdisch. Nämlich nicht so geschniegelt wie die schwarzen Doo-Whopper, deren choreographierten Bewegungen und Stücken er sein überirdisches Gitarrenspiel anpassen sollte. Nicht so vertraut-verkommen wie die britischen Mittelklassejungs, die nach Amerika herüberkamen und die Jugendbewegung mit dekadenten Andeutungen befeuerten. Carnaby-Model, wenn auch unfreiwillig.
Dem wahnsinnigen Little Richard folgte er, der sich schon vor ihm die Haare so auftoupiert hatte, dass sie sich ganz neu krausten, dazu ein Kopfputz, der indianisch sein konnte und maßgeblich wurde in Vietnam, wohin sie den jungen Soldaten beinah geschickt hätten, wenn, ja, wenn er sich nicht rechtzeitig als unheilbare Schwuchtel ausgegeben hätte. Namen von Frauen schrieb er auf seine geliebte Gitarre, spielte sie mit seinen Ringen, dem Handrücken, mit der Zunge und verbrannte sie zwei-, dreimal sogar. Und auch wenn er die Gitarre schindete wie einen Menschenkörper, war er doch nie zufrieden mit seiner Kunst. Der verstorbene Kollege Werner Burkhardt wusste, dass Hendrix von Karlheinz Stockhausen lernen wollte.
Soviel Größenwahn, so viele Drogen, so viele Frauen: – er musste sich ja verbrennen, wie die übliche Erklärung lautet. Aber steckt in diesem Wildling, der in Seattle oder bei den Fallschirmspringern bestimmt nie ein Wort von den Sagen des klassischen Altertums vernommen, steckt in diesem Götterliebling nicht etwas von Phaeton, dem Sohn des Helios, der die ihm anvertrauten Rosse des Himmelswagens so sehr antrieb, dass er dem Himmel zu nah kam (’xcuse me while I kiss the sky) und notwendig abstürzen musste?
Still den Himmel küssen
Theweleits Buch ist trotz des gelegentlichen Wirbelns mit Gitarrenbespannungen und unerhörten Akkorden das Buch eines Fans, und zwar eines Fans in seiner glücklichsten Gestalt, des Verehrers, der nicht begreift, wie das Wunder, das sich doch vor seinen Augen und Ohren abspielte, überhaupt möglich war. Nicht wenig zur Apotheose unsres Helden hat der frühe, der jämmerliche Tod beigetragen. Die Drogen, die ihn spielen ließen und brennen und fliegen, brachten ihn auch um. (Ja, ich weiß, er erstickte an seinem Erbrochenen.) Musste er sich wirklich so schnell vollenden?
Immerhin hat ihm so ein gütiges Schicksal Revival-Tourneen erspart, für die ein Auftritt als Wettpate bei Thomas Gottschalk nicht zu vermeiden gewesen wäre. Der, der den Himmel still geküsst hatte, sodass der noch immer von ihm träumen muss, Jimi Hendrix, über sechzig inzwischen, hätte dann als Wettpate mitgehalten, wenn jemand mit der Zunge am Reifen erkennen wollte, durch welche Art Dreck ein Auto zuletzt gefahren war. Aber er ist ja gestorben, vor langer Zeit schon, 1970, zum Abschluss der rauschhaften sechziger Jahre.
In dem, was man wohl eine „Coda” nennen muss, beschäftigt sich Theweleit mit Tod und Verklärung des Gitarristen und kommt auf eine ebenso verblüffende wie sogleich einleuchtende These. Sein Tod war nicht bloß nicht umsonst (wie seit Jesu Opfer am Kreuz bei jeder möglichen Gelegenheit gebetsgemahlen wird), es handelt sich um ein rituelles und keineswegs freiwilliges Opfer. Theweleit rechnet Jimi Hendrix – wie Che Guevara, wie die Gründer der RAF – zu den „Durchbruchsfiguren”, die in einem „sozialen Abführvorgang” beseitigt werden müssen, weil sie es zu weit getrieben haben und den kommensurableren Anhängern langsam peinlich, vor allem zum Hindernis fürs eigene Fortkommen werden. (So findet sich auch ein Seitenhieb gegen den „letzten Live-Rock’n’Roller” Joschka Fischer, diesen „populär gewordenen Putztruppen-Flegel”, der dann beim großen Krieg gegen Jugoslawien dabei sein musste.)
Damit die anderen, die Anhänger, die Verehrer, die Fans nicht immer daran erinnert werden, dass es vor dem Pragmatismus einmal das Irrationale gab, muss der Vorreiter, der wilde Exponent, der, der die Sache zu weit getrieben hat, möglichst gründlich wegeskamotiert und notfalls zu den Ehren der Altäre erhoben werden. Wer’s nicht glaubt, kann sich ja in die einschlägige Renegatenliteratur von Leuten vertiefen, die heute endlich so dumm sind, wie sie es 1968ff. gern gewesen wären. WILLI WINKLER
KLAUS THEWELEIT, RAINER HÖLTSCHL: Jimi Hendrix. Eine Biographie. Rowohlt Berlin 2008. 254 Seiten, 17,90 Euro.
Eine Durchbruchsfigur: Jimi Hendrix (1942 - 1970) Foto: dpa
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Das Buch eines Verehrers: Der Kulturforscher Klaus Theweleit beschäftigt sich mit Jimi Hendrix
Einer wenig bekannten Legende zufolge drückte einmal jemand dem großen Torwart Petar „Radi” Radencovic die frisch erschienene Novelle „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter” von Peter Handke in die Hand und bat den Fachmann um ein Schnellgutachten. Der „Radi”, Hüter im Tor des TSV 1860 München, verstand naturgemäß nichts von dem, was er da las (schließlich war er Fußballer und kein Literaturkritiker), und erklärte, er jedenfalls habe beim Elfer noch nie Angst verspürt. Was die Fabel lehrt? Dass es schwer ist, über das Irrationale zu reden. Fußball, Literatur, Kunst, Musik und Gott sind nicht zu fassen.
Trotzdem gibt es Unentwegte, unerschrockene Abenteurer im Lande Pop beispielsweise, die ausgerechnet die flüchtigste Erscheinung auf Gottes weitem Erdboden zu beschreiben suchen, die lilalärmende Popmusik. Das kann geschehen in Form einer Liebeserklärung durch den verzückten Fan und entsprechend triefen, es kann aber auch – warum denn nicht? – musikwissenschaftlich und entsprechend dürr ausfallen. Die Musik überlebt alles, verabschiedet sich und weht unbeeindruckt fort übers schöne Land.
Unheilbare Schwuchtel
Klaus Theweleit, der über Jimi Hendrix schreibt, nein, schwärmt, phantasiert, deliriert, ist so ein Liebender, ein hemmungslos Ergriffener, aber ganz kann er den Wissenschaftler nicht verleugnen. „Ein dritter Körper entsteht auch da, wo die Schallwellen eines Lautsprechers mit den entgegenströmenden Wellen der eigenen Körperlichkeit intensiv zusammenstoßen und sich verbinden zu einer neuen Materialität im Raum.” Ah ja. „Im Wechsel der vier Verzerrer: das Arbiter Fuzz Face und das Maestro Fuzz (nur live), das Axis Fuzz (in den Olympic-Studios und mit der Band of Gypsys), das Mosrite Fuzz (nur im Studio, 1969/70). Hinzu kam ein Vox-Wah-Wah...”. Gut, dass das mal so deutlich ausgesprochen wurde, aber vielleicht ist diese Prospekt-Prosa ja dem Co-Autor Rainer Höltschl zu verdanken.
Bei aller Liebe zur Musik kann der 66-jährige Kulturforscher Theweleit doch nicht anders, als die Generationenfrage zu stellen. „Für die nach 1940 Geborenen ist Hendrix ihr massivster Einschalter gewesen.” Und weiter und noch mal: „Hendrix ist ein Chauffeur zwischen diesen Welten; unentwegt unterwegs auf seinem Gitarrenbesen, der right in time die richtigen Steckdosen fand; eine Art gitarristisch-galileischer Existenzbeweis dessen, woraus manche Menschenkörper gemacht sind, die in oder nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden...”, assoziiert er frei vor sich hin und ist noch lang nicht zu Ende.
Er hätte natürlich einfach sagen können, dass in dem Lärm, den zu veranstalten Hendrix (nicht allein) gelang, endlich der Badenweiler Marsch und überhaupt das ganze Dschingderassabumm des Preußendeutschen unterging.
Erstaunlich deshalb, dass sich der große Körper- und Männerphantasien-Analytiker nichts aus der befleckten Empfängnis Hendrix’ macht. Seine Großmutter nämlich war vergewaltigt und davon schwanger geworden und suchte per Anzeige einen Mann. Wenn es je einen Kleist’schen Unzulänglichkeitsverzweifler gab, dann war es James Marshall Hendrix, geboren 1942 im Ghetto in Seattle, verwahrlostes Kind aus dem schwarzen Proletariat, das von den Schwarzen nicht anerkannt wurde, ein indianischer Medizinmann, um den die Indianer sich nicht scherten, ein Gitarrenzauberer, von dem die Welt noch träumen wird bis zum Jüngsten Tag. Kann so einer, der unzweifelhaft von den Himmeln war, überhaupt irdische Eltern haben? Hatte er: Lucille, die flatterhafte Tanzmaus, Al, der den Sohn nicht als eigen ansah, der seine Frau verprügelte und aus dem Haus trieb, der dann Jimis Erbe antrat und aus den lumpigsten Studioproben noch den letzten Pfennig juckelte. Aber was erklärt das schon? Glaubhafter fast die Version, die Hendrix selber gelegentlich anbot, dass ihn Außerirdische auf einer Parkbank in Birmingham abgesetzt hätten, dass er also, vaterlos, mutterlos, schwerelos, wie er war, gar nicht anders konnte als zur Gitarre zu greifen und das zu spielen, was ihm fehlte: der Weltraum, das All, das Fernferne da draußen. ’xcuse me while I kiss the sky.
Andern war er zu irdisch. Nämlich nicht so geschniegelt wie die schwarzen Doo-Whopper, deren choreographierten Bewegungen und Stücken er sein überirdisches Gitarrenspiel anpassen sollte. Nicht so vertraut-verkommen wie die britischen Mittelklassejungs, die nach Amerika herüberkamen und die Jugendbewegung mit dekadenten Andeutungen befeuerten. Carnaby-Model, wenn auch unfreiwillig.
Dem wahnsinnigen Little Richard folgte er, der sich schon vor ihm die Haare so auftoupiert hatte, dass sie sich ganz neu krausten, dazu ein Kopfputz, der indianisch sein konnte und maßgeblich wurde in Vietnam, wohin sie den jungen Soldaten beinah geschickt hätten, wenn, ja, wenn er sich nicht rechtzeitig als unheilbare Schwuchtel ausgegeben hätte. Namen von Frauen schrieb er auf seine geliebte Gitarre, spielte sie mit seinen Ringen, dem Handrücken, mit der Zunge und verbrannte sie zwei-, dreimal sogar. Und auch wenn er die Gitarre schindete wie einen Menschenkörper, war er doch nie zufrieden mit seiner Kunst. Der verstorbene Kollege Werner Burkhardt wusste, dass Hendrix von Karlheinz Stockhausen lernen wollte.
Soviel Größenwahn, so viele Drogen, so viele Frauen: – er musste sich ja verbrennen, wie die übliche Erklärung lautet. Aber steckt in diesem Wildling, der in Seattle oder bei den Fallschirmspringern bestimmt nie ein Wort von den Sagen des klassischen Altertums vernommen, steckt in diesem Götterliebling nicht etwas von Phaeton, dem Sohn des Helios, der die ihm anvertrauten Rosse des Himmelswagens so sehr antrieb, dass er dem Himmel zu nah kam (’xcuse me while I kiss the sky) und notwendig abstürzen musste?
Still den Himmel küssen
Theweleits Buch ist trotz des gelegentlichen Wirbelns mit Gitarrenbespannungen und unerhörten Akkorden das Buch eines Fans, und zwar eines Fans in seiner glücklichsten Gestalt, des Verehrers, der nicht begreift, wie das Wunder, das sich doch vor seinen Augen und Ohren abspielte, überhaupt möglich war. Nicht wenig zur Apotheose unsres Helden hat der frühe, der jämmerliche Tod beigetragen. Die Drogen, die ihn spielen ließen und brennen und fliegen, brachten ihn auch um. (Ja, ich weiß, er erstickte an seinem Erbrochenen.) Musste er sich wirklich so schnell vollenden?
Immerhin hat ihm so ein gütiges Schicksal Revival-Tourneen erspart, für die ein Auftritt als Wettpate bei Thomas Gottschalk nicht zu vermeiden gewesen wäre. Der, der den Himmel still geküsst hatte, sodass der noch immer von ihm träumen muss, Jimi Hendrix, über sechzig inzwischen, hätte dann als Wettpate mitgehalten, wenn jemand mit der Zunge am Reifen erkennen wollte, durch welche Art Dreck ein Auto zuletzt gefahren war. Aber er ist ja gestorben, vor langer Zeit schon, 1970, zum Abschluss der rauschhaften sechziger Jahre.
In dem, was man wohl eine „Coda” nennen muss, beschäftigt sich Theweleit mit Tod und Verklärung des Gitarristen und kommt auf eine ebenso verblüffende wie sogleich einleuchtende These. Sein Tod war nicht bloß nicht umsonst (wie seit Jesu Opfer am Kreuz bei jeder möglichen Gelegenheit gebetsgemahlen wird), es handelt sich um ein rituelles und keineswegs freiwilliges Opfer. Theweleit rechnet Jimi Hendrix – wie Che Guevara, wie die Gründer der RAF – zu den „Durchbruchsfiguren”, die in einem „sozialen Abführvorgang” beseitigt werden müssen, weil sie es zu weit getrieben haben und den kommensurableren Anhängern langsam peinlich, vor allem zum Hindernis fürs eigene Fortkommen werden. (So findet sich auch ein Seitenhieb gegen den „letzten Live-Rock’n’Roller” Joschka Fischer, diesen „populär gewordenen Putztruppen-Flegel”, der dann beim großen Krieg gegen Jugoslawien dabei sein musste.)
Damit die anderen, die Anhänger, die Verehrer, die Fans nicht immer daran erinnert werden, dass es vor dem Pragmatismus einmal das Irrationale gab, muss der Vorreiter, der wilde Exponent, der, der die Sache zu weit getrieben hat, möglichst gründlich wegeskamotiert und notfalls zu den Ehren der Altäre erhoben werden. Wer’s nicht glaubt, kann sich ja in die einschlägige Renegatenliteratur von Leuten vertiefen, die heute endlich so dumm sind, wie sie es 1968ff. gern gewesen wären. WILLI WINKLER
KLAUS THEWELEIT, RAINER HÖLTSCHL: Jimi Hendrix. Eine Biographie. Rowohlt Berlin 2008. 254 Seiten, 17,90 Euro.
Eine Durchbruchsfigur: Jimi Hendrix (1942 - 1970) Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Der Autor muss ein Fan sein, wenigstens einer der beiden Autoren, so mutmaßt der Rezensent und tippt auf Klaus Theweleit. Dem traut er zu, das eigene Nichtbegreifen der Verehrung zu zelebrieren, das Wunder Jimi Hendrix. Willi Winkler gefällt das. Dies "hemmungslos Ergriffene", das Schwärmerische, Fantasierende. Dass Theweleit, der profilierte Kulturforscher, das Phänomen Hendrix dennoch in Bezug auf die eigene Generation untersucht, dass er über den "dritten Körper" im Schallwelleninferno der Gitarre und über Tod und Verklärung und "Che Hendrix" theoretisiert, findet Winkler okay. Das bisschen Prospekt-Prosa, das sich in den Band verirrt hat, schreibt Winkler kurzerhand dem Co-Autor Rainer Höltschl zu. Winkler ist halt Theweleit-Fan.
© Perlentaucher Medien GmbH
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