Jen ist verzweifelt: Erst stirbt Charlie, ihr Freund, und dann auch noch Ben. Für Jen ist klar: Sie ist verhext! Deshalb nennt sie sich ab jetzt "Jinx" und schwört, sich nie wieder in ihrem Leben zu verlieben. Bis eines Tages Pete auftaucht ...
Direkter und eindringlicher kann man über diese "ganze gottverdammte, schrecklich schöne Sache des Liebens und Geliebtwerdens" nicht schreiben!
Direkter und eindringlicher kann man über diese "ganze gottverdammte, schrecklich schöne Sache des Liebens und Geliebtwerdens" nicht schreiben!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2004Hinter dem Nabel liegt der Bauch
Freie Verse, peinliche Mütter: "Jinx" von Margaret Wild
Ruth weiß alles über Geologie. Zum Spaß ordnet sie ihren Freunden manchmal Steine zu. Für alle widersprüchlichen Eigenschaften scheint es im Reich der Mineralien ein katalogisiertes Pendant zu geben. Aber eindeutige Antworten darf man nicht erwarten. Als Jen von der Freundin wissen will, was ihrem Freund Charlie entspricht, wählt die ehrliche Ruth zögernd Pyrit, "Scheingold". Jen ist beleidigt - für sie ist er eindeutig Magnetit.
Wie viele Teenager mag die Mädchenclique im Roman "Jinx" der Australierin Margaret Wild Zuordnungen und Listen. Sie dienen der Selbstvergewisserung, sind eine Art Koordinatensystem und lassen sich unter Freundinnen wunderbar vergleichen. Dabei fügen sich Aufzählungen, was die Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag getan haben wollen oder was sie an ihren Müttern peinlich finden, nahtlos in die freien Verse, aus denen dieses ungewöhnliche Jugendbuch besteht. Vielstimmig, manchmal direkt den Köpfen der Personen entsprungen, dann wieder von außen beschreibend, werden wichtige und scheinbar zufällige Momentaufnahmen zur Schilderung eines Reifeprozesses zusammengefügt.
Nach dem Selbstmord ihrer ersten Liebe Charlie und dem Unfalltod ihres nächsten Verehrers Ben will Jen nur noch "Jinx", "Unglücksbringerin", heißen. Sie braucht lange, um Selbstentfremdung und Isolation zu überwinden. Dabei hilft ihr ausgerechnet Pete, der Bens Tod verursacht hat. Am Ende nimmt Jen klarer als zuvor wahr, daß alle Menschen in ihrer Umgebung eigene Sorgen und Sehnsüchte umtreiben. Die sensiblen Skizzen über ihre Eltern sowie Charlie und Ben sind eine der großen Stärken des Buches. Im Unterschied zu Jen bekommen die Leser durch sie genau mit, daß die Mutter darunter leidet, "daß es mit zweiundvierzig genauso schrecklich ist / wie mit vierzehn oder siebzehn oder zweiundzwanzig, / in jemand verliebt zu sein, / der vielleicht nicht in dich verliebt ist".
Seine lyrische Sparsamkeit gibt dem Roman Leichtigkeit und erzeugt die nötige Distanz zur hohen Problemdichte. Ein konventionell erzählter Jugendroman wäre mit Down-Syndrom, lesbischem Coming-out, Einsamkeit, mehrfacher Depression, Selbstmord und Unfalltod hoffnungslos überfrachtet. Auf dem Cover ist ein Jeansgirl abgebildet, von dem nicht mehr als Nabel und Hosenbund zu sehen sind. Selbstverständlich interessieren sich Jen, Serena, Ruth und Connie für ihren Körper, daher gibt es auch Verse über eine Beinenthaarungsaktion. Kosmetik und Klamotten sind jedoch nur Randthemen in diesem ebenso traurigen wie tröstlichen Roman. Das Bild zeigt nicht nur den Nabel, sondern auch den Bauch - und der meldet sich immer dann, wenn etwas so richtig einschlägt.
ANNETTE ZERPNER
Margaret Wild: "Jinx". Aus dem australischen Englisch übersetzt von Sophie Zeitz. Hanser Verlag, München 2003. 208 S., geb. 15,40 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Freie Verse, peinliche Mütter: "Jinx" von Margaret Wild
Ruth weiß alles über Geologie. Zum Spaß ordnet sie ihren Freunden manchmal Steine zu. Für alle widersprüchlichen Eigenschaften scheint es im Reich der Mineralien ein katalogisiertes Pendant zu geben. Aber eindeutige Antworten darf man nicht erwarten. Als Jen von der Freundin wissen will, was ihrem Freund Charlie entspricht, wählt die ehrliche Ruth zögernd Pyrit, "Scheingold". Jen ist beleidigt - für sie ist er eindeutig Magnetit.
Wie viele Teenager mag die Mädchenclique im Roman "Jinx" der Australierin Margaret Wild Zuordnungen und Listen. Sie dienen der Selbstvergewisserung, sind eine Art Koordinatensystem und lassen sich unter Freundinnen wunderbar vergleichen. Dabei fügen sich Aufzählungen, was die Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag getan haben wollen oder was sie an ihren Müttern peinlich finden, nahtlos in die freien Verse, aus denen dieses ungewöhnliche Jugendbuch besteht. Vielstimmig, manchmal direkt den Köpfen der Personen entsprungen, dann wieder von außen beschreibend, werden wichtige und scheinbar zufällige Momentaufnahmen zur Schilderung eines Reifeprozesses zusammengefügt.
Nach dem Selbstmord ihrer ersten Liebe Charlie und dem Unfalltod ihres nächsten Verehrers Ben will Jen nur noch "Jinx", "Unglücksbringerin", heißen. Sie braucht lange, um Selbstentfremdung und Isolation zu überwinden. Dabei hilft ihr ausgerechnet Pete, der Bens Tod verursacht hat. Am Ende nimmt Jen klarer als zuvor wahr, daß alle Menschen in ihrer Umgebung eigene Sorgen und Sehnsüchte umtreiben. Die sensiblen Skizzen über ihre Eltern sowie Charlie und Ben sind eine der großen Stärken des Buches. Im Unterschied zu Jen bekommen die Leser durch sie genau mit, daß die Mutter darunter leidet, "daß es mit zweiundvierzig genauso schrecklich ist / wie mit vierzehn oder siebzehn oder zweiundzwanzig, / in jemand verliebt zu sein, / der vielleicht nicht in dich verliebt ist".
Seine lyrische Sparsamkeit gibt dem Roman Leichtigkeit und erzeugt die nötige Distanz zur hohen Problemdichte. Ein konventionell erzählter Jugendroman wäre mit Down-Syndrom, lesbischem Coming-out, Einsamkeit, mehrfacher Depression, Selbstmord und Unfalltod hoffnungslos überfrachtet. Auf dem Cover ist ein Jeansgirl abgebildet, von dem nicht mehr als Nabel und Hosenbund zu sehen sind. Selbstverständlich interessieren sich Jen, Serena, Ruth und Connie für ihren Körper, daher gibt es auch Verse über eine Beinenthaarungsaktion. Kosmetik und Klamotten sind jedoch nur Randthemen in diesem ebenso traurigen wie tröstlichen Roman. Das Bild zeigt nicht nur den Nabel, sondern auch den Bauch - und der meldet sich immer dann, wenn etwas so richtig einschlägt.
ANNETTE ZERPNER
Margaret Wild: "Jinx". Aus dem australischen Englisch übersetzt von Sophie Zeitz. Hanser Verlag, München 2003. 208 S., geb. 15,40 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Booklist (starred review) Intricate, vivid language.