Johan Melchior Goeze (1717-1786) war der wirkungsmächtigste Vertreter der protestantischen Orthodoxie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das Buch stellt seinen Lebensweg dar, der ihn nach dem Studium in Jena und Halle und der Tätigkeit als Pastor in Aschersleben und Magdeburg schließlich 1755 nach Hamburg führte. 31 Jahre lang hatte er dort eine der angesehensten Stellen im protestantischen Deutschland inne: die des Hauptpastors an St. Katherinen. Von 1760 bis 1770 war er sogar Senior der Hamburger Kirche.Seine zahlreichen Auseinandersetzungen - etwa mit Johann Bernhard Basedow, Carl Friedrich Bahrdt oder Gotthold Ephraim Lessing - haben ihm den Ruf eines streitsüchtigen Mannes eingetragen, der, getrieben vom Geist der Gegenaufklärung, sich jeder Neuerung in Kunst und Poesie, Wissenschaft und Theologie in den Weg stellte. Aber trifft dieses Urteil wirklich zu? Indem der Verfasser Goezes Wirken in die theologischen und politischen Auseinandersetzungen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stellt, gelingt es ihm, ein differenzierteres Bild dieses Mannes zu zeichnen, als es bisher verbreitet war.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Sorgfalt und faire Distanz bescheinigt Rezensent Robert Leicht Ernst-Peter Wieckenbergs Biografie über Lessings Gegenspieler Johan Melchior Goeze. Das ist aus Sicht des Rezensenten vor allem verdienstvoll, weil Goeze bisher als Knallcharge der protestantischen Kirchengeschichte galt. Auch Wieckenberg macht Leichts Ausführungen zufolge aus einem Frosch nun keinen Prinzen. Trotzdem erhalte Goeze zum ersten Mal ein menschliches, wenn auch tragisches Gesicht, gestehe sein Biograf ihm beachtliche theologische Kompetenz zu und mache so die Motive seines anti-aufklärerischen Denkens transparent. Interessant macht das Buch wohl besonders die Nachzeichnung der Entwicklung Goezes vom "scharfsinnigen und auf der Basis zeitgenössischer Kirchenpolitik" angetretenen Lessingkritiker zum aggressiven Wächter der reinen Lehre.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH