Johann Bernhard Fischer von Erlach hat Wien und der KuK-Monarchie seinen bleibenden Stempel aufgesetzt. Für den Wiener Hofadel entwarf er prunkvolle Paläste, von denen das Winterpalais des Prinzen Eugen, die Palais Clam-Gallas, Trautson, und Batthyany-Schönborn, sowie die Böhmische Hofkanzlei
zumindest äußerlich weitgehend authentisch erhalten sind, und er schuf die Hofstallungen und…mehrJohann Bernhard Fischer von Erlach hat Wien und der KuK-Monarchie seinen bleibenden Stempel aufgesetzt. Für den Wiener Hofadel entwarf er prunkvolle Paläste, von denen das Winterpalais des Prinzen Eugen, die Palais Clam-Gallas, Trautson, und Batthyany-Schönborn, sowie die Böhmische Hofkanzlei zumindest äußerlich weitgehend authentisch erhalten sind, und er schuf die Hofstallungen und Hofbibliothek. Zu den von ihm entworfenen religiösen Bauwerken gehört die architektonisch ungewöhnliche Kollegienkirche in Salzburg und natürlich die Karlskirche in Wien. Neben diesen Leuchtturmprojekten gibt es noch zahlreiche weitere profane und religiöse Bauten, die ihm mehr oder weniger sicher zugeschrieben werden können. Leider sind selbst für die hochherrschaftlichen Palais nur in wenigen Fällen Bauunterlagen oder Rechnungen erhalten geblieben, die Fischer von Erlachs Beiträge quellentechnisch sauber belegen, aber es gibt genügend indirekte Hinweise aus der Korrespondenz, die durch stilistische Vergleiche und eigenhändige Skizzen Fischers untermauert werden.
Es mag diese etwas lückenhafte Quellenlage sein, die die Bauforschung über Fischer von Erlach gehemmt hat, aber mit der vorliegenden Monografie wird der aktuelle Forschungsstand aus vielen Blickwinkeln aufgearbeitet und zum Teil ergänzt. Exzellent illustriert und von den Experten ihres Faches geschrieben, werden sowohl die Einflüsse aus der italienischen, französischen und englischen Architektur vom Ende des 17. Jahrhunderts entschlüsselt, als auch die Wirkung von Fischer von Erlachs neuartigen architektonischen Lösungen auf seine Nachfolger. Er entwickelt die in der Renaissance begonnene Rückbesinnung auf die Antike technisch und künstlerisch zum Klassizismus fort und öffnet die Innenräume für eine raffinierte Lichtregie, wobei ihm seine Ausbildung als Bildhauer zur Hilfe kommt. Seine Innenräume sind skulptural gegliedert, strukturiert durch Stuckornamente und Materialien, weniger jedoch durch Malerei, die er, wenn überhaupt, nur in Maßen einsetzt, wodurch sie besonders wirkungsvoll bleibt. Sein Leben lang war er auch aktiv als Bildhauer tätig, trotz seiner offiziellen Position als Oberinspektor aller Hof- und Lustgebäude.
Der Band ist nicht nur biografisch interessant (auch hier gibt es immer noch erhebliche Wissenslücken), sondern hat seinen besonderen Fokus auf der Bau- und Architekturgeschichte. Mit Hilfe zahlreicher Illustrationen werden historische Ansichten, Skizzen und rezente Zustände von Fischer von Erlachs Bauten verglichen und später auch in einen internationalen Kontext gesetzt. Die Ausführungen erlauben es, seine unverwechselbare „Handschrift“ lesen zu lernen, die zwar keine direkten Nachahmer fand, im Detail aber in ganz Europa Spuren hinterließ.
Johann Bernhard Fischer von Erlach steht sowohl im Ruf eines singulären Genies als auch eines weit überschätzten Dilettanten, was beides nicht der Wahrheit entspricht. Diese Monografie sucht für den Architekten und Baumeister einen angemessenen Platz in der Architekturgeschichte, fasst den aktuellen Forschungsstand kritisch zusammen und weist auf offene Forschungsfragen und quellentechnische Interpretationsschwierigkeiten hin. Die Beiträge nutzen zwar gelegentlich die architektonische Fachsprache, sind aber auch für ein Laienpublikum ohne weiteres verständlich.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)