Lavaters Schriften gewinnen zunehmend wieder an Interesse. Die Historisch-Kritische Ausgabe ausgewählter Werke in 10 Bänden, deren erste Bände im April 2001 erschienen sind, bezieht den umfangreichen, zum grössten Teil in der Zentralbibliothek Zürich deponierten Nachlass ein und bringt eine repräsentative Auswahl der theologischen, philosophisch-pädagogischen, politischen, poetischen und kritischen Schriften Lavaters. Dabei werden besonders jene Werke berücksichtigt und ediert, die wirkungsgeschichtlich von Bedeutung waren. Mit diesem Werk legte Lavater den Grundstein zu seinem Lehrgebäude vom Leben nach dem Tod. Auf Bibelstellen basierend, entwarf er in 25 Briefen an den Arzt und Freund Johann Georg Zimmermann eine Welt, die ihm selbst logisch und vernünftig, dem Zeitalter der Aufklärung aber utopisch und gewagt erschien.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Karl Pestalozzi bespricht die als zweiten Band der Ausgewählten Werke Johann Caspar Lavaters erscheinenden "Aussichten in die Ewigkeit" (1768-1773/78) und, mit einem wenig aussagekräftigen Satz allerdings nur (ermöglicht es, Lavaters Werk "im Ganzen und im Einzelnen" zu überblicken), den Ergänzungsband "Bibliographie der Werke Lavaters" (beide aus dem NZZ-Buchverlag). Lavater lesen, aber wie? Der Rezensent nimmt sich viel Zeit, uns die Aktualität des Schriftstellers Lavater auseinanderzusetzen. Den laut Pestalozzi einem heutigen Leser "zugänglichen" patriotischen und menschenkundlichen Schriften, stellt er die "gedruckten geistlichen Schriften" gegenüber, "die uns beim Lesen am meisten Geduld abverlangen" und deren spannendes Moment er herausstreicht, indem er sie uns als "bibelnahe Mimikry ... als scheinbar unverdächtiges Tarnkleid für eine von der orthodoxen reformierten Theologie abweichende, wenn nicht gar ketzerische Botschaft" vorstellt. Deren Kern ist es, den Pestalozzi in Lavaters "erstem großen Werk", den 25 Biefen der "Aussichten auf die Ewigkeit" am umfassendsten und geschlossensten dargelegt sieht. In seiner Faszination über die "überredende Sprachgewalt", vor allem aber über die "kühnen Visionen" der Lavaterschen Christologie (Christus als Urbild des Menschen), mit der der Autor vielfach "in die Nähe einer science fiction" gerät, zeigt der Rezensent sich nicht eben gottesfürchtig.
© Perlentaucher Medien GmbH
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