An dem Regionalforscher Johann Georg Martin Brückner, einem vom Protestantismus geprägten Theologen, Realschulprofessor und Archivar in Meiningen, wird deutlich, wie sich Kultur im 19. Jahrhundert zu einem Kristallisationspunkt der bürgerlichen Gesellschaft entwickelte. Eine zentrale Rolle kam dabei den Vereinen als Plattform für die Beschäftigung mit der Vergangenheit zu. Brückner steht beispielhaft für ein verstärktes kulturell-historisches Nationalbewußtsein, welches das Wohl des Vaterlandes oder der Nation als Schlüssel für das Verständnis von Kultur und Geschichte der eigenen Lebenswelt betrachtete. Einen wichtigen Aspekt in Brückners Werk stellt die Kulturgeschichte dar. In bewußter Abkehr von der bisherigen Historiographie wählten die Vertreter dieser Forschungsrichtung als Leitbegriffe das Volk und das Volksleben. Sie beschränkten sich aber nicht auf eine "Bauern-Volkskunde". Vielmehr stand im Mittelpunkt, das Volk in seinen Eigentümlichkeiten, Abhängigkeiten und wechselseitigen Einflüssen zu Staat, Religion, Kunst, Wirtschaft, Wohnung, Nahrung, Kleidung, Sitte, Brauch usw. zu erforschen. Ziel war die Schilderung der Geschichte des Volkes aus der Sicht dieses Volkes als "Geschichte von unten". Folgerichtig wurde die Quellenbasis jenseits der amtlichen Unterlagen um private und mündliche Überlieferungen erweitert. Brückner verfolgte gerade im Bereich der Erzählforschung einen durchaus modernen Ansatz. Sein Anliegen war die Erfassung mündlicher Überlieferung (Sagen, Märchen, Lieder etc.) ohne nachträgliche Veränderungen durch den Sammler.