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Johann Abraham Birnbaum, Dozent für Rhetorik und ein Freund Bachs, bezeugt, dass dieser "die Theile und Vortheile" der Rhetorik vollkommen kenne. Versucht man Birnbaums Zeugnis mit Inhalt zu füllen, dann ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten. Einmal hat Bach selbst nichts Theoretisches aufgeschrieben. Ein andermal trägt Johann Mattheson, der Zeitgenosse Bachs, der sich im "Vollkommenen Capellmeister" zur Dispositio der Rhetorik - auf diese bezogen sollen Birnbaums "Theile" versuchsweise verstanden werden - ausführlich äußert, eher zur Verwirrung als zur Klärung der Sachverhalte bei.…mehr

Produktbeschreibung
Johann Abraham Birnbaum, Dozent für Rhetorik und ein Freund Bachs, bezeugt, dass dieser "die Theile und Vortheile" der Rhetorik vollkommen kenne. Versucht man Birnbaums Zeugnis mit Inhalt zu füllen, dann ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten. Einmal hat Bach selbst nichts Theoretisches aufgeschrieben. Ein andermal trägt Johann Mattheson, der Zeitgenosse Bachs, der sich im "Vollkommenen Capellmeister" zur Dispositio der Rhetorik - auf diese bezogen sollen Birnbaums "Theile" versuchsweise verstanden werden - ausführlich äußert, eher zur Verwirrung als zur Klärung der Sachverhalte bei. Konzediert die Musikwissenschaft die Anwesenheit rhetorischer Gliederungen in verschiedenen Gattungen der barocken und vorbarocken Musik, so ist sie sich ebenso einig darin, dass solche Gliederungen in der Fuge nicht zu finden sind, ja nicht gefunden werden können.Im neuen Heft der Musik-Konzepte weist Manfred Peters dagegen anhand von Analysen ausgewählter Instrumentalfugen nach, dass der Thomaskantor diesen Kompositionen eine strenge, sechsteilige Dispositio als Gerüst eingezogen und diese als 'Argumentationsgebäude', also diskursiv komponiert hat. Peters geht bei seiner Untersuchung selbstverständlich von der Erkenntnis aus, dass durch Analysen Bachscher Fugen diese nicht restlos entschlüsselt sind.

Inhaltsangabe:
Manfred Peters:
- Das Zeugnis des Johann Abraham Birnbaum oder Die Form der Instrumentalfuge bei J. S. Bach
- Zwei Fugen Bachs als instrumentale Klangreden über sein christliches Verständnis des Menschen
- Die Rede über die Synkope als Verstoß gegen die Zeitordnung und deren Wiederherstellung oder Eine historische Nachricht des J. J. Froberger von J. S. Bachs vorhabender Materie
- Der Autor

Über die Reihe:
In den Heften der Reihe Musik-Konzepte stehen meist jeweils ein Komponist und sein Werk im Mittelpunkt der Diskussion. Die akribische musikwissenschaftliche Analyse wird begleitet vom ästhetisch-soziologischen Untersuchungen, Erörterungen der Rezeptionsgeschichte oder zeitgenössischen Dokumenten. Neue Erkenntnisse verändern oftmals das Gesamtbild eines Komponisten. Kontroverse und provozierende Fragestellungen geben immer wieder Anlass zu Themenheften.
Die Musik-Konzepte erscheinen mit vier Nummern im Jahr. Das Jahresabonnement kostet EUR 45.00 / SFr 75,20. Zusätzlich erhalten Abonnenten den jährlich erscheinenden Sonderband zum ermäßigten Abopreis. Alle Hefte können auch einzeln bezogen werden.
"Die Reihe nimmt eine einzigartige Stellung in der musikalischen Publizistik ein, denn sie überflügelt die eingeschliffenen Spuren des Marktes souverän: Geboten werden grundlegende Informationen zu einzelnen Komponisten, daneben werden - mitunter pionierhaft - ausgewählte Aspekte zu den Werken beleuchtet, und nicht zuletzt wird der Durchsetzung von Komponisten vorgearbeitet, die im erstarrten Musikbetrieb in Vergessenheit gerieten." (Siegfried Schibli, Basler Zeitung)
Autorenporträt
Metzger, Heinz-KlausHeinz-Klaus Metzger (1932-2009), war ein deutscher Musiktheoretiker und Musikkritiker. Er galt als einer der bedeutendsten Theoretiker der Neuen Musik nach 1945.

Riehn, RainerRainer Riehn, geb. 1941, deutscher Komponist und Dirigent sowie Mitherausgeber musikwissenschaftlicher Zeitschriften.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2002

Musik, freigelassen
Schönberg und die Folgen:
Die „Musik-Konzepte” werden 25
Wieviel Buch braucht die Musik, wieviel Lesefutter der Genuss klingender Saiten, schwingender Luft? Ob Notenanalyse, Komponisten- und Interpretenporträt oder musikhistorische Abhandlung, freies Hören ist durch nichts zu ersetzen. Und anspruchsvolle Musikbücher haben es sowieso immer schwer, über die Fachzunft hinaus sich dem Publikum anzudienen, ohne sich anzubiedern. Entweder ist man zu wissensspezifisch oder zu allgemein, zu exklusiv oder zu populär und „erfolgreich”... Aber nicht nur Musikbücher, auch Musikzeitschriften haben ihre Schicksale. Als die Erfinder – und bis heute Herausgeber – der Musik-Konzepte, Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn, für ihr Unternehmen einen Verlag suchten und die Münchner „edition text + kritik” fanden, mochten sie geahnt haben, dass das editorische Schicksal es gut mit ihnen und ihrem zwischen Buch und Zeitschrift angesiedelten Wagemut meinte.
Was da zum ersten Mal im Dezember 1977 in den Buchhandlungen lag und es nie bis zum Kiosk bringen konnte, ist sich bis heute treu geblieben: Format, typografisches Erscheinungsbild und inhaltliche Konzeption unverändert über zweieinhalb Jahrzehnte hinweg – eine rare Konstanz in Zeiten der Innovation von allem und jedem. Und so lässt sich der jüngste Doppelband 117/118, Arnold Schönbergs „Berliner Schule” gewidmet, getrost neben jenen Doppelband 1/2 des Anfangs stellen, der sich Claude Debussys angenommen hatte. Wie durch ein gewaltiges Portal betrat man die Sphäre der Moderne, einer „Neuen Musik”, die der innere Kompass der Reihe geblieben ist. Wer sie von Anfang an gesammelt hat, besitzt ein einzigartiges Kompendium der halben Musikgeschichte in Aufsätzen, die meist die Mühe ernsten Studiums lohnen.
Musik und ihre Konzepte: Der Titel war von Beginn an als Programm zu verstehen – zunächst einmal eines verantwortlichen, stringenten Umgangs mit Musik, mit Musiktheorie und Musikgeschichte. Allein schon die Auswahl der Komponisten- und Themenhefte kann sodann im Sinn einer ästhetischen Dramaturgie gelesen werden, die das Neue, das Revolutionäre in der Musikgeschichte greifbar machen will. Auf Debussy, Mozart (Streit um die „Zauberflöte” als „Machwerk”) und Alban Berg folgen Wagner (Antisemitismus), Varèse, JanáCek, Beethoven (Interpretation), Verdi, Satie, Offenbach, Schnebel und so fort. Wenig später dann Bach (das spekulative Spätwerk), Stockhausen, Nono, Mussorgskij, Bartók. Vier Bände pro Jahr, später sechs, heute wieder vier.
Neue Texte und eine sorgfältige Präsentation entlegener oder erstmals auf deutsch publizierter Aufsätze (auch Beiträge von Symposien etwa) eröffnen durchwegs ungewohnte Perspektiven auf scheinbar bekannte Phänomene. Daneben setzen Metzger, der Musikphilosoph, und Riehn, der Komponist und Dirigent, immer wieder hartnäckig auf Komponisten der Vergangenheit und Gegenwart, die sie für verschollen oder vernachlässigt halten, um deren unabgegoltenes Potential es ihnen geht: Morton Feldman, Ernst Krenek oder Guillaume Dufay, Gottfried M. Koenig, Josquin des Prés oder Henri Pousseur, Adorno als Komponist, Jean Barraqué, Max Reger, Franco Evangelisti, Eric Satie, Perotinus Magnus – um nur einige zu nennen. Auch Musikdenker wie Rudolf Kolisch oder Hans G Helms. Die Musik-Konzepte sind seit langem der Ort für die, die sich mit bequemen Hauptstraßen des Musiklebens und -denkens nicht abfinden (lassen) wollen. Kann die Bedeutung der Reihe überschätzt werden?
Aufs Geratewohl wohlgeraten
Ihr konzeptueller Kopf, Heinz-Klaus Metzger, 1932 in Konstanz geboren, ist einer der originellsten, eigenwilligsten deutschen Musiktheoretiker. Schüler Max Deutschs, also Enkelschüler Arnold Schönbergs, gehört er zu den frühen Teilnehmern der Darmstädter Ferienkurse nach ’45, zu den musikphilosophischen Gesprächspartnern Theodor W.Adornos und etlicher Komponisten wie Stockhausen, Boulez, Nono. Und Metzger betätigte sich früh als Exeget, radikaler Verfechter des Amerikaners John Cage und dessen anti- hierarchischem Komponieren.
Die Musik-Konzepte zogen mit diesem Herausgeber von Anfang an die intellektuelle Aufmerksamkeit auf sich, und Metzgers Denken, das in Adorno und Cage den Angelpunkt hat, ist originär geblieben. Im Cage- Sonderband auch wieder zugänglich gemacht – sein berühmter früher Text über „John Cage oder Die freigelassene Musik”, darin Fundstücke wie dieses: „Zufall hängt mit Glück, das einem zufällt, zusammen, wie’s Geratewohl mit dem Wohlgeratenen. Undenkbar wäre organisiertes Glück.”
Das Ausmaß der Reihe ist mittlerweile beeindruckend: Schumann und Eichendorff, Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen, Monteverdi, Skrjabin, Bruckner – nimmt man die Bände, die fast alle noch lieferbar sind, in die Hand, wird einem bewusst, was sich da angesammelt hat. Und die beiden Herausgeber sind nicht müde geworden: Im nächsten Jahr wird es Hefte geben über Johann Sebastian Bach und die alte rhetorische Wissenschaft von der „Klangrede”, einen Sonderband über Mikrotonalität, ein Bruckner-Heft zur Problematik des unvollendeten Finales der Neunten und einen zweiten Sonderband über die Darmstädter Schule. Ob danach ein Heft über Messiaen (mit dessen erstmals auf deutsch publizierten Ravel-Analysen) oder Heinrich Schütz erscheint, die Herausgeber wissen es selbst noch nicht so genau.
WOLFGANG
SCHREIBER
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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