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In Goethes Leben und Werk geht es um Individualität, ihre Möglichkeiten und Grenzen. Von mühsamen Wandlungsprozessen und "fruchtbaren Irrtümern" ist beim Dichter und seinen Protagonisten die Rede. Doch während der männliche Held scheitert und zum Opfer seiner eigenen Maßlosigkeit wird, steht ein weiblicher Geist am Ende des Lebenswerks für eine große Vision: Steigerung ohne Selbstüberhebung.
Mühsame und oft ergebnislose Wandlungsprozesse prägen den Werdegang der Protagonisten in Goethes Werk, und mühsam, gelegentlich in "fruchtbaren Irrtümern" endend, ist oft genug auch der Weg des Johann
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Produktbeschreibung
In Goethes Leben und Werk geht es um Individualität, ihre Möglichkeiten und Grenzen. Von mühsamen Wandlungsprozessen und "fruchtbaren Irrtümern" ist beim Dichter und seinen Protagonisten die Rede. Doch während der männliche Held scheitert und zum Opfer seiner eigenen Maßlosigkeit wird, steht ein weiblicher Geist am Ende des Lebenswerks für eine große Vision: Steigerung ohne Selbstüberhebung.
Mühsame und oft ergebnislose Wandlungsprozesse prägen den Werdegang der Protagonisten in Goethes Werk, und mühsam, gelegentlich in "fruchtbaren Irrtümern" endend, ist oft genug auch der Weg des Johann Wolfgang von Goethe von Frankfurt bis Weimar. Er war ein berufstätiges Genie, dem es nie genügte, der größte lyrische Dichter der deutschen Sprache zu sein: ein Minister mit sechs Ressorts, der sich in einer Menge Verwaltungsarbeit erging, Naturforscher, Sammler, Liebender, Reisender, Maler, ein prometheischer Grenzgänger schließlich mit allen Gefährdungen, die das mit sich bringt. Mit bürgerlichem Fleiß und mit protestantischem Pflichteifer hat er den schwebenden Genius in sich geerdet. In ihrer Biographie zeichnet Sabine Appel das ereignisreiche Leben des Dichters nach und vertieft unsere Kenntnis über Goethes Menschenbild und dessen Entwicklung. In Bildern und Gegenbildern, Spiegelungen und poetischen Konfigurationen wird deutlich, wie sich seine Geschlechterkonzeption in Leben und Werk zeigt. Während Goethes männliche Protagonisten - Werther, Götz, Tasso, Egmont, Faust, Wilhelm Meister - vor allem mit dem Scheitern vertraut sind, erhöhte der Dichter die weiblichen Figuren. Nur sie verweisen in die Zukunft.
Autorenporträt
Appel, Sabine
Sabine Appel ist freie Autorin und schrieb unter anderem narrative Biographien über Madame de Stael und Arthur Schopenhauer. Sie studierte Germanistik und Philosophie und promovierte mit einer Arbeit über Thomas Mann.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.08.2009

Erste Lieb’ und Freundschaft
Wo soll der junge Leser einsteigen? Am besten bei dem jungen Goethe. Neue Bücher von Manfred Zittel, Sabine Appel und Monika Pelz
Als der französische Schriftsteller Jules Barbey d’Aurevilly 1870 im von den Deutschen belagerten Paris seinen hasserfüllten Essay „Gegen Goethe” schrieb, lautete einer der Vorwürfe: Dieses angebliche Weltgenie sei nie jung gewesen. Selbst Goethe-Liebhaber verstehen, was der französische Élegant damit gemeint haben könnte: Der Dichter, der den Schulfuchs Wagner im „Faust” ja nicht nur parodistisch gezeichnet hat, sondern sich selbst in Krisensituationen gern mit dem Ordnen von Münzschubladen beruhigte, Aktenordner über unfertige Werke anlegte, und seine geistig unendlich verschachtelte Existenz wie der Staatsminister seiner selbst regierte – ja, er war ein Pedant, der, wie Ernst Robert Curtius in seinem Essay über „Goethes Aktenführung” gezeigt hat, Bürokratie geradezu als therapeutische Lebensform eingeübt hat. Gegen jede Krise half ihm immer noch das Sammeln und Sichten.
Aber niemals jung? Das ist lächerlich, und zu diesem Vorwurf müssen Barbey seine französische Werkausgaben verführt haben. Denn man kann im Gegenteil sagen: Goethe hat das Jungsein im emphatischen, literarischen Sinn geradezu erfunden. Seit dem späten 19. Jahrhundert gibt es eigene Werkausgaben unter dem Titel „Der junge Goethe”, die alles vor der Weimarer Zeit von ihm Geschriebene, vor allem auch die Briefe, sammeln und damit einen Sprachstand dokumentieren, den man als Ausbund literarischer Jugendlichkeit auch linguistisch beschreiben und von Goethes Altersstil mit seiner Freude am syntaktischen Zeremoniell abheben könnte.
Was in der Weltliteratur soll jugendlich sein, wenn nicht der „Werther”, die großen Hymnen, die Gedichte aus Sesenheim, die Beschwörungen des Straßburger Münsters oder Shakespeares – Texte, die die erste Jugendbewegung der deutschen Literatur, den „Sturm und Drang” befeuerten? Werther wurde, so zeigt es der „Anton Reiser” von Karl Philipp Moritz, zur Identifikationsfigur der Halbwüchsigen, die sich als Außenseiter der verzopften Gesellschaft des deutschen Spätabsolutismus empfanden.
Die Distanz zum alten Goethe ist so groß, dass es nicht wenige Goethe-Liebhaber gibt, die nur einen von beiden ertragen: den jungen oder den alten. Es ist fast, als hätte man es mit zwei verschiedenen Autoren zu tun. Denn es gibt eben auch einen alle Genres übergreifenden Goetheschen Altersstil, der sich am reinsten in den hintersinnigen Sammelsurien seiner selbstgeschriebenen Zeitschrift „Über Kunst und Alterthum” ausprägt, aber natürlich in Briefe, Erzähltexte und den zweiten Teil des „Faust” ausstrahlt.
Dieser oft konstatierte, jede Nachwelt verwirrende Reichtum bedeutet allerdings auch eine Erschwerung, nicht nur für Biographen und Philologen, sondern auch für Anfänger. Das beginnt damit, dass es kaum Bücher über den ganzen Goethe gibt, die zugleich gut und kurz sind. Das Genre des „kurzen Goethe-Buches” wäre eine eigene Betrachtung wert und sie müsste Namen wie Ernst Benz, Victor Lange, Hans Mayer, Günther Müller und Dorothea Hölscher-Lohmeyer behandeln und würde zu dem Resultat kommen, dass diese Bücher meist entweder sehr trocken oder recht unbefriedigend, weil einseitig sind. Es gibt diesseits des 500-Seiten-Wälzers kaum Bücher, die man jungen Lesern zum Einsteigen empfehlen kann. Gemessen an der Schwierigkeit ist der jüngste Versuch in dieser Richtung, eine 300-Seiten-Biographie der jungen Literaturwissenschaftlerin Sabine Appel gar nicht so übel. Appel beschränkt sich auf das Leben des Dichters und des Liebenden, sie lässt den Politiker und Wissenschaftler Goethe weitgehend weg, sie setzt nichts voraus und hat die berühmtesten Zitate griffbereit, die wichtigsten Tatsachen des äußeren Lebens sind zuverlässig dargestellt.
Da so unendlich viel Material verfügbar ist, wird man auf jeder Seite etwas Interessantes finden. Allein, Appels lockerer Ton verstimmt je länger desto mehr. Goethes Rolle am Weimarer Hof der Geniezeit mit „Shooting-Star” zu beschreiben, ist ein schaler Witz. Und nachdem die Autorin sich lustvoll mit den orthographischen Eigenwilligkeiten von Goethes späterer Frau Christiane beschäftigt hat – „Iphigenie” gab sie als „Efijenige” wieder – erklärt sie uns: „Die Privatsprache der beiden erstreckte sich besonders auf den Intimbereich, und der war ziemlich wichtig, wie man ja an der Formulierung Christianes erkennt, dass sie gerade sehr ,hasig’ sei.” So unerotisch – das passt weder zu Christiane noch zu Goethe.
Aber Appels Biographie ist immer noch lebhafter geschrieben, vor allem zitiert sie reizvoller als ein Büchlein, das sich ausdrücklich an junge Leser wendet. Monika Pelz’ „Lebensgeschichte” unter dem anspruchsvollen Titel „Den Blick auf das Herz der Welt” enthält zu viel bemühte Literaturwissenschaft, um auf Dauer zu fesseln. So befindet Pelz, die „theoretische Ausbeute” von Goethes Bildungsprozess in Italien sei „mager” gewesen: „Das Wesen der Kunst, auch das Geheimnis seiner eigenen Kunst vermag er für sich selber nicht zu entschlüsseln und anderen nicht zu erklären.” Und das immerhin mit Verweis auf die Abhandlung „Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil”! Gut also, dass wir Pelz haben, die uns zur Versfassung der „Iphigenie” erklärt: „Die Sprache des Dramas ist eine Folge bezwingender Metaphern und Bilder. (...) Alte Mythen vereinen sich mit neuen Sinneseindrücken.” Vor allem enthält Pelz ihren jungen Lesern einen idealen Anknüpfungspunkt vor: den jungen Goethe in seiner ersten Lebenskrise.
Ihn schildert aus den wohlbekannten Quellen ganz vorzüglich Manfred Zittel in einer Studie über Goethes Leipziger Jahre. Das junge Genie ist 16 und zum ersten Mal von zu Hause weg – was damals, mit einem Briefverkehr, bei dem es hin und her nicht unter acht Tagen ging, bedeutete: ganz auf sich gestellt. Zittel, der Pädagoge ist, liest Goethes unter stilistischen Gesichtspunkten oft untersuchte Leipziger Briefe – hier lernte er schreiben und entwickelte die Voraussetzungen des „Werther”-Stils – als Zeugnisse einer schweren Pubertätskrise.
Entscheidend ist dabei die Doppelung im Titel: Es geht nicht nur um „erste Lieb’”, sondern auch um „erste Freundschaft”, und so rückt Zittel zum ersten Mal die Bedeutung des Adressaten der wichtigsten Leipziger Briefe, jenes in „Dichtung und Wahrheit” etwas stiefmütterlich behandelten Ernst Wolfgang Behrisch, in ein helles Licht. Er war der Erste einer Reihe von Erziehern und Anregern, die der junge Goethe sich suchte – Herder wurde später der berühmteste. Zittel arbeitet mit den vollen Texten der Briefe, der junge Leser gerät mitten in die dramatische Sprache des jungen Goethe und ist danach reif für den „Werther”, am besten in der bei Reclam soeben wieder vorgelegten Urfassung. Warum nicht hier beginnen mit Goethe? GUSTAV SEIBT
MANFRED ZITTEL: Erste Lieb’ und Freundschaft. Goethes Leipziger Jahre. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2008. 245 Seiten, 18 Euro.
SABINE APPEL: Johann Wolfgang von Goethe. Ein Porträt. Böhlau Verlag, Köln-Weimar 2009. 346 S., 22,90 Euro.
MONIKA PELZ: Den Blick auf das Herz der Welt. Die Lebensgeschichte des Johann Wolfgang Goethe. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2009, 288 S., 18 Euro.
Er wurde zur Identifikationsfigur der Außenseiter in verzopfter Welt
Da gerät der Leser mitten in die dramatische Sprache des Genies
Der junge Goethe. Er hat das Jungsein im emphatischen Sinn geradezu erfunden. Abb.: foto-poklekowski
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gustav Seibt weiß: Mit weniger als 500 Seiten ist an Goethe eigentlich nicht heranzukommen. Um so erfreuter zeigt er sich über Sabine Appels ausdrücklich an junge Leser sich wendenden Einsteiger-Band. Appels 300-seitige Biografie, so informiert uns Seibt, beschränkt sich zwar auf den Dichter und den Liebenden Goethe, setzt aber beim Leser nichts voraus und wartet "zuverlässig" mit den wichtigsten Zitaten und Fakten auf. Seibt entdeckt "auf jeder Seite etwas Interessantes". Wäre da nicht der bisweilen penetrant lockere Ton der Autorin, die anbiedernde Verwendung von Vokabeln, wie "Shooting-Star", die Goethes Zeit in Weimar zum "schalen Witz" herabwürdigt, Seibt wäre eigentlich rundum zufrieden mit diesem Buch.

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