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Produktdetails
  • Verlag: Wichern
  • ISBN-13: 9783889812032
  • ISBN-10: 3889812031
  • Artikelnr.: 20851752
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2007

Selbstverständlich fromm
Ein Band über die christlichen Wurzeln von Johannes Rau
Über Johannes Rau ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Das ist nicht anders zu erwarten bei einem, der mehr als fünfzig Jahre politische Ämter innehatte und sein Berufsleben als Bundespräsident beendete. Im Laufe der Jahre hatte sich Johannes Rau zu einer der prägenden Gestalten seiner Partei, der SPD, entwickelt, obwohl er keineswegs nur Parteipolitiker war; noch länger als seiner Partei war der gelernte Buchhändler Rau, der Anfang 2006 starb, der Kirche verbunden. Und sogar noch länger als seine 20-jährige Ministerpräsidenten-Zeit in Nordrhein-Westfalen dauerte Raus Mitgliedschaft in der Synode, dem Kirchenparlament der evangelischen Kirche im Rheinland: von 1965 bis 1995.
So ist das Buch des Theologen und Journalisten Uwe Birnstein denn auch angelegt: Es geht um die christlichen Wurzeln Raus. Er war kein Mensch, der aus seinem Glauben und der Herkunft aus einer pietistischen Familie ein Hehl gemacht hat. Anders ausgedrückt: Rau war auf eine selbstverständliche Weise fromm, aber nie bigott. Auch andere Politiker – wie sein Amtsvorvorgänger Richard von Weizsäcker oder wie der ehemalige Bundesjustizminister Jürgen Schmude – haben sich als evangelische Christen, etwa auf Kirchentagen, engagiert, aber keiner wurde so mit seinem Glauben identifiziert wie Rau.
Birnsteins Buch ist nach dem Tode Raus entstanden; also hat der Verfasser die reichlich vorhandene Literatur, aber auch Texte von Rau selbst auf Passendes durchsehen müssen und genügend gefunden, um die pietistisch-protestantisch geprägte Lebens- und Berufsgeschichte erzählen zu können. Der Titel des Buchs – „Johannes Rau – der Versöhner” – klingt recht plakativ und lässt an die Beinamen mittelalterlicher Herrscher denken; er bezieht sich auf den Wahlkampfslogan „Versöhnen statt Spalten”, der Rau zwar 1987 nicht ins Kanzleramt führte, aber so etwas wie sein Markenzeichen werden sollte – ein auch mit Häme und Spott bedachtes. Denn keineswegs alle Parteifreunde oder gar politischen Gegner waren „Bruder Johannes” immer freundlich gesinnt. Der Gerechte muss bekanntlich viel leiden (was der Psalmenkenner Rau auch wusste), aber, so Birnstein: „Für den frommen Mann zählten andere Werte als die des politischen Tagesgeschäfts, seine Kraft und sein Selbstbewusstsein schöpfte er aus tieferen Quellen als aus politischen Erfolgen.”
Diese Behauptung zu belegen, gelingt Birnstein recht gut. Allerdings wird man den Eindruck nicht los, dass er dem Wesen des Porträtierten nicht sehr nahekam. Anders gesagt: Es ist eher eine Erzählung aus zweiter Hand, die zwar nicht schlecht geschrieben ist, die aber den Protagonisten eben doch nur vom Papier oder vom Fernsehen her kennt. Birnsteins Anliegen, das spezifisch Christliche an Rau über das sich von zu Fall zu Fall im politischen Tagesgeschäft Zeigende herauszuarbeiten, ist ehrenwert und ein interessanter Ansatz, die Handlungsweise Raus besser zu verstehen. Was jedoch fehlt und aus dem eher skizzenhaften Porträt eine wirkliche Biographie hätte machen können, sind die Fragen, die der Theologe dem Politiker und theologisch gebildeten Laien Rau hätte stellen können – und die Antworten darauf. Weitere Erkenntnisse wären aus Gesprächen mit Rau Nahestehenden sowie aus noch nicht freigegebenen Akten zu gewinnen gewesen. So kommt Birnsteins Versuch, den Christenmenschen Johannes Rau zu porträtieren, einerseits zu spät, andererseits zu früh. CORD ASCHENBRENNER
UWE BIRNSTEIN: Johannes Rau – der Versöhner. Ein Porträt. Wichern-Verlag, Berlin 2006. 132 Seiten, 9 Euro.
„Bruder Johannes” in seinem Element: Der damalige Bundespräsident spricht am 6. November 2003 bei der in Trier tagenden Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Hinten ist das Motto der Synodentagung zu lesen: „Bibel im kulturellen Gedächtnis”. Foto: epd
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Idee zu einem Buch, das den christlichen Hintergrund des Politikers Johannes Rau ausleuchtet, findet Cord Aschenbrenner gut. Um so enttäuschter ist er, dass die Ausführung misslingt. Die Fähigkeit zur Recherche möchte Aschenbrenner Uwe Birnstein zwar nicht absprechen, der Autor habe durchaus genug Material für die "pietistisch-protestantisch geprägte" Vita zusammengetragen. Dem Wesen Raus fühlt sich der Rezensent dennoch nicht nahe gebracht, zu sehr erscheint ihm das Porträt als Skizze "aus zweiter Hand". Fragen nach dem Verhältnis des Politikers Rau zum Gläubigen Rau und umgekehrt brennen dem Rezensenten weiter auf den Nägeln.

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