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John Stuart Mill ist einer der bedeutendsten Demokratietheoretiker aller Zeiten. Vor dem Hintergrund reicher politischer und administrativer Erfahrung formulierte er die Prinzipien einer freiheitlich-demokratischen Ordnung. Der vierte Band der Ausgewählten Werke enthält neben seinen brillant geschriebenen Betrachtungen über die Repräsentativregierung (1861) eine Reihe epochemachender demokratietheoretischer Aufsätze. Abgerundet wird der Band durch eine Auswahl der wichtigsten Briefe Mills zu den Leitthemen seines Denkens: Moral, Freiheit, Demokratie und Gleichheit.

Produktbeschreibung
John Stuart Mill ist einer der bedeutendsten Demokratietheoretiker aller Zeiten. Vor dem Hintergrund reicher politischer und administrativer Erfahrung formulierte er die Prinzipien einer freiheitlich-demokratischen Ordnung. Der vierte Band der Ausgewählten Werke enthält neben seinen brillant geschriebenen Betrachtungen über die Repräsentativregierung (1861) eine Reihe epochemachender demokratietheoretischer Aufsätze. Abgerundet wird der Band durch eine Auswahl der wichtigsten Briefe Mills zu den Leitthemen seines Denkens: Moral, Freiheit, Demokratie und Gleichheit.
Autorenporträt
MICHAEL SCHEFCZYK habilitierte an der Universität Zürich und ist Professor für Philosophie am Karlsruher Institut für Technologie.CHRISTOPH SCHMIDT-PETRI promovierte über J. S. Mills Utilitarismus und arbeitet als Dozent am Lehrstuhl für Praktische Philosophie am Karlsruher Institut für Technologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2017

Staatliche Bevormundung war ihm ein Gräuel
Für alle Freunde eines aufgeklärten Liberalismus: Die neue Ausgabe der "Ausgewählten Werke" von John Stuart Mill ist abgeschlossen

Unbekannt ist er in Deutschland nicht, der Erkenntnis- und Wirtschaftstheoretiker, der Sozialreformer, politische Philosoph und Vertreter der utilitaristischen Ethik, nicht zuletzt der Parlamentarier und hochrangige Beamte der mächtigen Ostindien-Kompanie: John Stuart Mill. Aber obwohl er einer der intellektuellen Wortführer des neunzehnten Jahrhunderts ist, wird er hierzulande nicht annähernd so stark gewürdigt, wie er es als wortgewaltiger Anwalt der Freiheit und Kritiker staatlicher Bevormundung verdiente.

Schon weil die bisher vorliegenden "Gesammelten Werke" wegen ihres Umfangs, zwölf Bände, eher von Fachleuten benutzt werden, ist eine Neuedition mit dem bescheideneren Ziel "Ausgewählte Werke" hochwillkommen. Die fünf Bände mit einem Gesamtumfang von doch mehr als 3600 Seiten sind von den beiden Verantwortlichen des Heidelberger John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung, der Leiterin Ulrike Ackermann und dem Geschäftsführer Hans Jörg Schmidt, herausgegeben. Der Aufbau der Ausgabe und die Auswahl der Texte können weithin überzeugen. Allerdings fehlt bis auf einen kurzen Auszug zu "Freiheit und Notwendigkeit" Mills erstes wissenschafts- und erkenntnistheoretisches Hauptwerk "System der deduktiven und induktiven Logik".

Außer den anderen Hauptwerken werden in der neuen Ausgabe, jeweils chronologisch angeordnet, insbesondere freiheitstheoretische und politische Schriften veröffentlicht, mehrheitlich unter Rückgriff auf bewährte Übersetzungen, während erforderliche Neuübersetzungen vor allem von Florian Wolfrum vorgenommen worden sind. Der erste Band, "John Stuart Mill und Harriet Taylor", versammelt unter der Überschrift "Freiheit und Gleichberechtigung" den Briefwechsel von Mill mit seiner "Seelenfreundin" und späteren Ehefrau, ferner Schriften zur Frauenemanzipation und Mills großes Werk "Die Unterwerfung der Frauen". Der zweite Band, "Bildung und Selbstentfaltung", enthält unter anderem Mills Autobiographie und die Rektoratsrede, Mill war nämlich von den Studenten der schottischen Universität St. Andrews in dieses Amt gewählt worden.

Der dritte Band, "Freiheit, Fortschritt und die Aufgabe des Staates", legt im ersten Teilband Mills zwei bekannteste Schriften, "Über die Freiheit" und "Utilitarismus", vor. Im zweiten Teilband, "Wirtschaft und Staat", folgt ein weiteres Standardwerk, die "Prinzipien der politischen Ökonomie". Der vorletzte Band enthält unter anderem Mills zwei Essays zu Alexis de Tocquevilles "Über die Demokratie in Amerika" und die "Betrachtungen über die Repräsentativverfassung". Der abschließende fünfte Band zu "Zeitgeist und Zeitgenossen" bringt zahlreiche Texte, die auch Kenner von Mill nicht immer zur Hand haben.

Mill erweist sich hier als "public intellectual", als Intellektueller, der sich mit rhetorisch brillanten, politisch pointierten Beiträgen in die öffentlichen Debatten einmischt. Dazu gehören Texte zu den französischen Revolutionen von 1830 und 1848, zu denen man sich jedoch eine kurze Erläuterung gewünscht hätte. In der "Negerfrage", mehr als ein Jahrzehnt vor dem Sezessionskrieg verfasst, lehnt Mill in kompromissloser Schärfe die Verteidigung der Sklaverei durch den schottischen Schriftsteller Thomas Carlyle, ab, wodurch eine langjährige Freundschaft zu Ende ging. In "Einigen Bemerkungen zur Nichteinmischung" erörtert Mill, was heute eine "humanitäre Intervention" heißen könnte, nämlich "moralische Grundsätze einer internationalen Moral", die nach gewissen Kriterien in den Krieg zu ziehen erlauben, "ohne selbst angegriffen oder mit Angriff bedroht worden zu sein".

Mill zeigt sich hier als ein englischer Patriot, der auf sein angeblich wirtschaftlich, zivilisatorisch und moralisch überlegenes Land stolz ist. Er hält es nämlich für beinahe unfehlbar rechtschaffen, die Kolonialherrschaft in Indien für berechtigt und erklärt zu einem schweren Irrtum, die moralischen Regeln, die zwischen zivilisierten Nationen gelten, auch zwischen zivilisierten Nationen und "Barbaren" anzuwenden.

Angesichts des Umfangs von Mills Schrifttum war die neue Ausgabe gut beraten, manche Texte nur in Auszügen aufzunehmen. Zu Recht wurden jedoch die drei Abhandlungen "Natur", "Die Nützlichkeit der Religion" und "Theismus" vollständig aufgenommen, die Mills Stieftochter Helen Taylor unter dem Titel "Drei Essays über Religion" postum veröffentlichte. Wie schon sein Vater, so war auch John Stuart Mill zeitlebens Agnostiker. Nach eigenem Bekunden ging ihn der religiöse Glaube "überhaupt nichts an". In den drei Essays stellt er seinen Agnostizismus auf den Prüfstand und überlegt, ob religiöser Glaube und eine empirisch-wissenschaftliche Weltsicht sich miteinander vereinbaren lassen.

Wie in den anderen Bänden so geht auch im fünften Band den Texten Mills eine informationsreiche "Einleitung" voran. Abgesehen von unnötig aktualisierenden Begriffen wie "biopolitisch" und "sozialisatorisch" und wohl nicht jedem Leser geläufigen Ausdrücken wie "Abolition", "Biologismus" und "Imperozentrismus", ist die Einleitung gut lesbar. Beim Hinweis "moralische, nicht utilitaristische Gesichtspunkte" stutzt man aber, da der Bentham-Schüler Mill seine Moralphilosophie dezidiert als "Utilitarismus" bezeichnet. Aus demselben Grund hat man Schwierigkeiten mit der Behauptung, Mill habe sich "von der rein ökonomischen Argumentation des Utilitarismus abgewandt".

In den Anmerkungen zu den Texten, erfreulicherweise Fuß-, nicht Endnoten, wird der jeweilige Text in seinen Zusammenhang gestellt, werden Anknüpfungspunkte genannt, Verweise zu anderen Texten von Mill vorgenommen und Namen erläutert. Dabei hatte man eine recht unbedarfte Leserschaft vor Augen, denn selbst Platon wird als "griechischer Philosoph und Schüler des Sokrates" vorgestellt, Martin Luther als "Theologe und Reformator" und Napoleon I. als "französischer Politiker und Feldherr". Manche der knappen Sacherläuterungen sind nicht unbedenklich. Zwei Beispiele aus dem vierten Band: Bacon kann als Begründer einer Theorie moderner Naturwissenschaft, aber nicht als "Begründer der Wissenschaftstheorie" überhaupt gelten. Und Hobbes ist zwar der erste (moderne) Vertragstheoretiker, dies aber nicht mit der Schrift "Leviathan", sondern mit der früheren "De cive" ("Vom Bürger"), dem die "Elements of Law, Natural and Politic" noch vorangehen.

Jeder der zwar nicht schmalen, aber doch handlichen Bände schließt mit einem umfänglichen Anhang, der aus Anmerkungen zu den Quellentexten und einem reichen Quellen-, Übersetzungs- und Literaturverzeichnis besteht. Weil schließlich die Mühen eines Personen- und vor allem die eines Sachregisters nicht gescheut sind, liegt mit diesen "Ausgewählten Werken" eine weithin verlässliche Studienausgabe vor. Freunde eines aufgeklärten Liberalismus dürfen von ihr hoffen, was dessen Verächter nicht vermeiden sollten: einen der großen Kritiker staatlicher Bevormundung wieder intensiv zu lesen.

OTFRIED HÖFFE.

Michael Schefczyk, Christoph Schmidt-Petri (Hrsg.): "John Stuart Mill - Demokratie und Repräsentation". John Stuart Mill, ausgewählte Werke, Band 4. Murmann Verlag, Hamburg 2016. 648 S., geb., 54,- [Euro].

Ulrike Ackermann, Hans Jörg Schmidt (Hrsg.): "John Stuart Mill - Zeitgeist und Zeitgenossen". John Stuart Mill, ausgewählte Werke, Band 5. Murmann Verlag, Hamburg 2016. 600 S., geb., 54,- [Euro].

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