Der 10. Band des Johnson-Jahrbuchs ist zugleich der letzte in der bisherigen Form. Er beleuchtet die Anfänge des Schriftstellers und die Wirkung der »Jahrestage« auf die Gegenwart. Das Thema »Johnson und der Film« bildet einen weiteren Schwerpunkt: Eine erste grundlegende Analyse von Johnsons Filmkritiken wird ergänzt durch einen Projektentwurf zur Beziehung der »Jahrestage« zur Filmkunst und eine Untersuchung zur Verfilmung des Romans.
'The articles in this volume are generally of high quality, a tribute to the yearbook editors, who have, over the years, contributed meaningfully to Johnson research with the Johnson-Jahrbuch.' (Gary Baker in German Studies Review)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.1998Im Weinkeller
Das Uwe-Johnson-Jahrbuch 1998
Vielleicht ist die Menge an Blödsinn, die über einen Schriftsteller verfaßt wird, gar nicht das schlechteste Kriterium zur Ermittlung seiner Qualität, hat Jorge Luis Borges einmal gesagt. Uwe Neumanns "Kleines Wörterbuch der Gemeinplätze zu Uwe Johnson" hat diesen Satz zum Motto erwählt, um dann genüßlich zur Beweisführung ex negativo anzutreten, daß Johnson ein bedeutender Schriftsteller sein muß. Was wird da nicht alles vermutet, verschandelt, verrätselt und verbogen, wenn sich Kritik und Wissenschaft einen Dichter vornehmen. Die Sammlung der Entgleisungen zu Werk und Leben des Schriftstellers offeriert erstaunliche Thesen, etwa wenn Uwe Johnson als erster Schriftsteller gefeiert wird, der "formale Errungenschaften des Kubismus in die Literatur umsetzte": "Einer Dekomposition des realen Objekts entspricht seine Rekomposition nach den Kompositionsgesetzen des Kubismus und seinen neuen Sehgewohnheiten, die zugleich die bisherige Vorstellung von Realität des Objekts als Illusion entlarven. Insofern beruht die scheinbare Dekomposition des Objekts auf einer optischen Täuschung."
Aber Johnson war nicht nur ein praktizierender Zauberkünstler, sondern auch ein großer Trinker. Um besonders dringende Forschungsfragen zu diesem Thema zu beantworten ("Was hat ihn zum Alkoholiker gemacht?"), habe die Germanistik erst einmal positivistische Basisarbeit geleistet, schreibt Neumann. Johnsons "deadline", seine Lieblingsgetränke, seine letzte Flasche Wein, die von der spanischen Marke "Corrida" war: alles bekannt. Recherchen haben ergeben, daß in Johnsons Keller die "Kisten mit leeren Weinflaschen fast bis zur Decke hinaufreichten". Zum Glück trägt das Johnson-Jahrbuch, Band 5, in dem sich Neumanns amüsante Gemeinplätzesammlung befindet, nur in Maßen Neues zu dieser Sammlung bei. Es enthält unter anderem akribische Aufsätze wie den von Klaus Kokol, einem Juristen, "Zur finanziellen Dimension der Lebensverhältnisse der Familie Cresspahl in New York City", eine informative Studie von Dietrich Spaeth über literarische Bezüge in den "Jahrestagen" und kluge Kritiken zu den letzten Werken der Johnson-Sekundärliteratur, wo wiederum der Sinn vom Blödsinn getrennt wird. (Johnson-Jahrbuch. Band 5 / 1998. Herausgegeben von Ulrich Fries und Holger Helbig. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998. 254 Seiten, geb., 78,- DM.) sil.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Uwe-Johnson-Jahrbuch 1998
Vielleicht ist die Menge an Blödsinn, die über einen Schriftsteller verfaßt wird, gar nicht das schlechteste Kriterium zur Ermittlung seiner Qualität, hat Jorge Luis Borges einmal gesagt. Uwe Neumanns "Kleines Wörterbuch der Gemeinplätze zu Uwe Johnson" hat diesen Satz zum Motto erwählt, um dann genüßlich zur Beweisführung ex negativo anzutreten, daß Johnson ein bedeutender Schriftsteller sein muß. Was wird da nicht alles vermutet, verschandelt, verrätselt und verbogen, wenn sich Kritik und Wissenschaft einen Dichter vornehmen. Die Sammlung der Entgleisungen zu Werk und Leben des Schriftstellers offeriert erstaunliche Thesen, etwa wenn Uwe Johnson als erster Schriftsteller gefeiert wird, der "formale Errungenschaften des Kubismus in die Literatur umsetzte": "Einer Dekomposition des realen Objekts entspricht seine Rekomposition nach den Kompositionsgesetzen des Kubismus und seinen neuen Sehgewohnheiten, die zugleich die bisherige Vorstellung von Realität des Objekts als Illusion entlarven. Insofern beruht die scheinbare Dekomposition des Objekts auf einer optischen Täuschung."
Aber Johnson war nicht nur ein praktizierender Zauberkünstler, sondern auch ein großer Trinker. Um besonders dringende Forschungsfragen zu diesem Thema zu beantworten ("Was hat ihn zum Alkoholiker gemacht?"), habe die Germanistik erst einmal positivistische Basisarbeit geleistet, schreibt Neumann. Johnsons "deadline", seine Lieblingsgetränke, seine letzte Flasche Wein, die von der spanischen Marke "Corrida" war: alles bekannt. Recherchen haben ergeben, daß in Johnsons Keller die "Kisten mit leeren Weinflaschen fast bis zur Decke hinaufreichten". Zum Glück trägt das Johnson-Jahrbuch, Band 5, in dem sich Neumanns amüsante Gemeinplätzesammlung befindet, nur in Maßen Neues zu dieser Sammlung bei. Es enthält unter anderem akribische Aufsätze wie den von Klaus Kokol, einem Juristen, "Zur finanziellen Dimension der Lebensverhältnisse der Familie Cresspahl in New York City", eine informative Studie von Dietrich Spaeth über literarische Bezüge in den "Jahrestagen" und kluge Kritiken zu den letzten Werken der Johnson-Sekundärliteratur, wo wiederum der Sinn vom Blödsinn getrennt wird. (Johnson-Jahrbuch. Band 5 / 1998. Herausgegeben von Ulrich Fries und Holger Helbig. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998. 254 Seiten, geb., 78,- DM.) sil.
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