Ein Wolf trabt durch die märkische Landschaft. Er hat Beute für seine Familie gemacht, der Nachwuchs braucht jetzt schon Fleisch und drängt aus der Höhle. Nur Schwarzohr, der kleinste Welpe, wirkt noch schwach und die Mutter spürt, dass er sie mehr braucht als die kräftigeren Geschwister. Eines Tages geht Schwarzohr bei einem "Ausflug" verloren. Das Wolfskind ist plötzlich allein in einer unbekannten Welt. Joki sollte eigentlich Umzugskisten auspacken, stattdessen treibt er sich lieber im Wald herum. Schon bei seinem ersten Streifzug macht er eine Entdeckung: Ein Wolf lebt im Wald! Der Junge beobachtet erst ihn und bald darauf das ganze Rudel. Auch die Wölfe nehmen Joki wahr, doch spüren sie, dass von ihm keine Gefahr ausgeht. Aber als Joki auf den Welpen trifft, der sich verlaufen hat, nimmt er ihn mit und lockt damit das Rudel in die gefährliche Nähe der Menschen. Joki begreift, was er angerichtet hat, und will seinen Fehler wiedergutmachen. Zusammen mit dem Wolfsjungen begibt er sich auf die Suche nach dem Rudel...Mit Anmerkungen zum Thema Wolf.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.03.2018In den Wurfkessel
gestolpert
Ein Junge aus dem Märkischen
gerät in ein Wolfsabenteuer
Seit jeher ist der Wolf in der Literatur und Mythologie nahezu aller Kulturen der Welt ein zentrales Thema. Dabei spiegelt sich nicht nur im Märchen vom „Rotkäppchen“, in Jack Londons Klassiker „Wolfsblut“ oder in Alfred Clemens Baumgärtners auch heute noch lesenswertem Abenteuerroman „Wenn der Wolf kommt“ die ambivalente Einstellung des Menschen zum Wolf wider. Wie kaum ein anderes Tier erfährt der Wolf als Urahn des Hundes eine besondere Wertschätzung und weckt gleichzeitig als vermeintlich aggressive Bestie Urängste des Menschen. Zwischen diesen Polen bewegt sich auch die Potsdamer Autorin Grit Poppe, die mit „Joki und die Wölfe“ gekonnt an diese Erzähltradition anknüpft und das Genre der Abenteuerliteratur ohne Klischeebilder vom bösen Wolf fortschreibt.
Es ist Sommer im Osten Deutschlands. Die Geschichte führt tief hinein in die von Seen und Kiefernwäldern geprägte märkische Landschaft, in die der Wolf seit einigen Jahren zurückkehrt. Der zehnjährige Joki lebt hier mit seiner Patchworkfamilie auf einem entlegenen Bauernhof. Zusammen mit seiner Freundin Sanja erkundet er gleich zu Beginn die Gegend. Sie werden ein Duo, das im weiteren Verlauf zaghaft, aber zunehmend in diesem Abenteuer zusammenfindet. Angestachelt durch das Mädchen dringt Joki schon bei seiner ersten Solotour immer tiefer in die Wälder vor, begegnet seinem ersten Wolf und kurz darauf dem ganzen Rudel. Und nur wenig später findet er einen verletzten Welpen, den er aufpickt, um ihn zu Hause aufzupäppeln. Das erweist sich als folgenschwer, denn so lockt er das gesamte Rudel in die Nähe des Weidebetriebs. Das Erwartete trifft ein: Die Wölfe reißen ein Kalb, und Knut, der Ersatzvater des Jungen, fackelt nicht lange, greift zum Gewehr und vertreibt so die Meute vom Hof, die jetzt flüchtet. Schnell wird dem Buben klar, dass er das Wolfsjunge wieder seiner Familie zuführen muss, anders hätte es kaum eine Überlebenschance. Joki zögert nicht lange, packt den Welpen, verlässt sich auf dessen Spürsinn und verfolgt mit seiner Hilfe die Trittsiegel und die Witterung der Wildtiere.
Was im Fortgang so forciert und in ständigem Wechsel aus Sicht des Jungen oder der Wölfe erzählt wird, ist die schier unglaubliche, aber durchaus denkbare Geschichte einer Annäherung zwischen Mensch und Wolf: Längst ist durch zahlreiche Forschungen belegt, dass Wolfswelpen domestizierbar sind und eine intensive Bindung zum Menschen eingehen können; ein Umstand, den die offenkundig bestens informierte Autorin ebenso zu nutzen weiß wie die Möglichkeit der Literatur, Fakten fiktional bis an die Grenzen des Vorstellbaren und darüber hinaus auszugestalten. Dabei bedient sich Grit Poppe einer klaren, bildhaften Sprache und wagt immer wieder unkonventionelle, poetisch verdichtete Formulierungen.
Keine Frage, dass die Autorin die Rückkehr der Wölfe mit diesem Buch begrüßt, gleichwohl verfolgt sie diese Entwicklung nicht naiv oder gar blauäugig, was nicht zuletzt in einem informativen Anhang mit Fakten zum Thema Wolf deutlich wird. Die Stärke von „Joki und die Wölfe“ liegt letztlich aber wohl ohnehin mehr darin, sich grundsätzlich auf das Abenteuer ‚Buch‘, auf das Erzählen einzulassen.
Selbst als erwachsener Leser freut man sich über die gut gestalteten Spannungsbögen und die hinreißend komischen Passagen, die einfach nur pures Lesevergnügen bereiten. Und wohin auch immer es die beiden Protagonisten verschlägt: Nur allzu gerne folgt man ihnen durch Brombeeren und anderes Gestrüpp, watet mit durch Wildschweinsuhlen oder stolpert in Wurfkessel, in denen sich eben noch eine Bache mit ihrer Rotte aufgehalten hat. Und das selbst dann noch, wenn man wie Joki zum Finale hin buchstäblich mehr als knietief in der Matsche-Patsche sitzt. All das wird prall und plastisch geschildert. (ab 10 Jahre)
CHRISTOPH LAUNER
Grit Poppe: Joki und die Wölfe. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2018. 256 Seiten, 14 Euro.
Der Wolfswelpe
muss zurückgebracht werden
ins Rudel
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gestolpert
Ein Junge aus dem Märkischen
gerät in ein Wolfsabenteuer
Seit jeher ist der Wolf in der Literatur und Mythologie nahezu aller Kulturen der Welt ein zentrales Thema. Dabei spiegelt sich nicht nur im Märchen vom „Rotkäppchen“, in Jack Londons Klassiker „Wolfsblut“ oder in Alfred Clemens Baumgärtners auch heute noch lesenswertem Abenteuerroman „Wenn der Wolf kommt“ die ambivalente Einstellung des Menschen zum Wolf wider. Wie kaum ein anderes Tier erfährt der Wolf als Urahn des Hundes eine besondere Wertschätzung und weckt gleichzeitig als vermeintlich aggressive Bestie Urängste des Menschen. Zwischen diesen Polen bewegt sich auch die Potsdamer Autorin Grit Poppe, die mit „Joki und die Wölfe“ gekonnt an diese Erzähltradition anknüpft und das Genre der Abenteuerliteratur ohne Klischeebilder vom bösen Wolf fortschreibt.
Es ist Sommer im Osten Deutschlands. Die Geschichte führt tief hinein in die von Seen und Kiefernwäldern geprägte märkische Landschaft, in die der Wolf seit einigen Jahren zurückkehrt. Der zehnjährige Joki lebt hier mit seiner Patchworkfamilie auf einem entlegenen Bauernhof. Zusammen mit seiner Freundin Sanja erkundet er gleich zu Beginn die Gegend. Sie werden ein Duo, das im weiteren Verlauf zaghaft, aber zunehmend in diesem Abenteuer zusammenfindet. Angestachelt durch das Mädchen dringt Joki schon bei seiner ersten Solotour immer tiefer in die Wälder vor, begegnet seinem ersten Wolf und kurz darauf dem ganzen Rudel. Und nur wenig später findet er einen verletzten Welpen, den er aufpickt, um ihn zu Hause aufzupäppeln. Das erweist sich als folgenschwer, denn so lockt er das gesamte Rudel in die Nähe des Weidebetriebs. Das Erwartete trifft ein: Die Wölfe reißen ein Kalb, und Knut, der Ersatzvater des Jungen, fackelt nicht lange, greift zum Gewehr und vertreibt so die Meute vom Hof, die jetzt flüchtet. Schnell wird dem Buben klar, dass er das Wolfsjunge wieder seiner Familie zuführen muss, anders hätte es kaum eine Überlebenschance. Joki zögert nicht lange, packt den Welpen, verlässt sich auf dessen Spürsinn und verfolgt mit seiner Hilfe die Trittsiegel und die Witterung der Wildtiere.
Was im Fortgang so forciert und in ständigem Wechsel aus Sicht des Jungen oder der Wölfe erzählt wird, ist die schier unglaubliche, aber durchaus denkbare Geschichte einer Annäherung zwischen Mensch und Wolf: Längst ist durch zahlreiche Forschungen belegt, dass Wolfswelpen domestizierbar sind und eine intensive Bindung zum Menschen eingehen können; ein Umstand, den die offenkundig bestens informierte Autorin ebenso zu nutzen weiß wie die Möglichkeit der Literatur, Fakten fiktional bis an die Grenzen des Vorstellbaren und darüber hinaus auszugestalten. Dabei bedient sich Grit Poppe einer klaren, bildhaften Sprache und wagt immer wieder unkonventionelle, poetisch verdichtete Formulierungen.
Keine Frage, dass die Autorin die Rückkehr der Wölfe mit diesem Buch begrüßt, gleichwohl verfolgt sie diese Entwicklung nicht naiv oder gar blauäugig, was nicht zuletzt in einem informativen Anhang mit Fakten zum Thema Wolf deutlich wird. Die Stärke von „Joki und die Wölfe“ liegt letztlich aber wohl ohnehin mehr darin, sich grundsätzlich auf das Abenteuer ‚Buch‘, auf das Erzählen einzulassen.
Selbst als erwachsener Leser freut man sich über die gut gestalteten Spannungsbögen und die hinreißend komischen Passagen, die einfach nur pures Lesevergnügen bereiten. Und wohin auch immer es die beiden Protagonisten verschlägt: Nur allzu gerne folgt man ihnen durch Brombeeren und anderes Gestrüpp, watet mit durch Wildschweinsuhlen oder stolpert in Wurfkessel, in denen sich eben noch eine Bache mit ihrer Rotte aufgehalten hat. Und das selbst dann noch, wenn man wie Joki zum Finale hin buchstäblich mehr als knietief in der Matsche-Patsche sitzt. All das wird prall und plastisch geschildert. (ab 10 Jahre)
CHRISTOPH LAUNER
Grit Poppe: Joki und die Wölfe. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2018. 256 Seiten, 14 Euro.
Der Wolfswelpe
muss zurückgebracht werden
ins Rudel
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