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Politik ähnelt immer mehr dem Showgeschäft. Konzepte und rhetorisches Talent reichen längst nicht mehr für einen dauerhaften Erfolg in der Berliner Welt der Selbstdarsteller, der inszenierten Konflikte und der falschen Freundlichkeiten. Elisabeth Niejahr und Rainer Pörtner, die seit vielen Jahren die Führungsriege der Parteien als Korrespondenten begleiten und beobachten, schildern die heimlichen Gesetze des politischen Alltags. Sie erklären, in welchen Kungelrunden wirklich entschieden wird, wann ein Politiker auf keinen Fall die Wahrheit sagen darf, wie Lobbyisten den Wortlaut von Gesetzen…mehr

Produktbeschreibung
Politik ähnelt immer mehr dem Showgeschäft. Konzepte und rhetorisches Talent reichen längst nicht mehr für einen dauerhaften Erfolg in der Berliner Welt der Selbstdarsteller, der inszenierten Konflikte und der falschen Freundlichkeiten. Elisabeth Niejahr und Rainer Pörtner, die seit vielen Jahren die Führungsriege der Parteien als Korrespondenten begleiten und beobachten, schildern die heimlichen Gesetze des politischen Alltags. Sie erklären, in welchen Kungelrunden wirklich entschieden wird, wann ein Politiker auf keinen Fall die Wahrheit sagen darf, wie Lobbyisten den Wortlaut von Gesetzen verändern und wie Minister und Abgeordnete die Medien manipulieren und umgekehrt. Ein besonderer Blick hinter die Kulissen des Politikgeschäfts ...
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.07.2002

Wenn der Joschka mit dem Gerhard
Wie deutsche Politiker Themen verkaufen, die Medien benutzen, sich selbst ins rechte Licht rücken – und warum sie bekanntlich doch häufig scheitern
ELISABETH NIEJAHR, RAINER PÖRTNER: Joschka Fischers Pollenflug – und andere Spiele der Macht. Wie Politik wirklich funktioniert, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2002. 189 Seiten, 17,90 Euro.
Eine alte Sottise über die Glaubwürdigkeit der politischen Klasse besagt: „Talleyrand sagte stets die Wahrheit und täuschte immer. Metternich log immer und täuschte nie.” Dieses Bonmot hätte dem Buch, das hier in Rede steht, als Motto dienen können, denn die Parallelen zur Gegenwart sind offenkundig. Zwar reichen nur wenige Nachfahren an das Format der beiden Geschichtsgrößen heran. Doch im Biegen und Beugen der Wahrheit sind ihnen viele überlegen. Mit Hilfe der modernen Medien kann jeder, der Meinungen manipulieren will, seine Verführungskünste entfalten.
Diese und andere „Spiele der Macht”, die Elisabeth Niejahr und Rainer Pörtner beschreiben, werden zwar raffinierter inszeniert – sie sind aber dank der Mikrophone und Kameras auch durchsichtiger als zu Bismarcks Zeiten. Die beiden Autoren suchen zu erklären, „wie Politik ist – nicht wie sie sein sollte”. Dafür haben sie den richtigen Zeitpunkt gewählt: Vor einer Wahl werden Bürger besonders ungeniert belogen und betrogen.
Ohne Skrupel
Wenn es um Macht geht, kennen Politiker selten Skrupel. Das erklärt, warum die Verfasser ihren Text ein „Buch ohne Moral” nennen. Beide wandeln ersichtlich auf den Spuren Machiavellis, den sie oft als Kronzeugen bemühen. Vielleicht sogar ein bisschen zu oft, denn bei der Stringenz ihrer eigenen Thesen hätten sie auf manches Zitat auch verzichten können. Beide sind selbst kompetente Zeitzeugen. Sie haben die politische Szene lange aus nächster Nähe beobachtet, waren während der neunziger Jahre gemeinsam für den Spiegel in Bonn, neuerdings auf getrennten Wegen in Berlin - sie als Redakteurin der Zeit, er als Politikchef der Berliner Zeitung.
Ihnen ist gelungen, was sich von politischen Büchern nur selten sagen lässt: Aufklärung im besten Sinne. Sie kommen ohne erhobenen Zeigefinger aus. Sie lassen ihre eigenen politischen Präferenzen nicht erkennen. Vor allem: Sie liefern für jede Behauptung handfeste Beweise. Dabei erfährt der Leser kaum Neues. Der Kunstgriff, der ihn von der ersten bis zur letzten Zeile fesselt, liegt in der Dramaturgie des Buches: Die Autoren teilen das politische Handwerk in Kategorien ein, denen sie eine Vielzahl von Ereignissen zuordnen. Diese werden auf eigenwillige Weise gebündelt und erstrahlen damit in neuem Licht.
Der Effekt entsteht durch eine Gliederung, die von den ganz primitiven Dreh- und Angelpunkten des Politikerlebens ausgeht: vom „Einstieg” und „Aufstieg”, von der „Gefolgschaft” und dem „Gegner”, vom „Regieren und Opponieren” – bis zum Schlimmsten, dem „Abgang”. Die Fakten und Daten zu diesen Kapiteln, die Niejahr und Pörtner penibel gesammelt haben, machen das Buch rund und prall. Der Leser erlebt vieles zum zweiten Mal: Die Sternstunden der Politik ebenso wie die Skandale – ein faszinierendes und entlarvendes Panorama.
Auch der eigene Berufsstand wird nicht verschont. Die Autoren plaudern aus dem Nähkästchen. Sie verraten Intimes über die anrüchige Symbiose von Politikern und Journalisten, über „stillschweigende Tauschgeschäfte” nach dem Motto: „Erzählst Du mir, was im Präsidium beredet worden ist, zitiere ich Dich in meinem nächsten Artikel.”
Mitunter steht die Welt Kopf. Dann dient der Journalist, der eigentlich Informationen sammeln sollte, unversehens selbst als Informationsquelle. „Gerade die alten Hasen (unter den Politikern) nutzen Journalisten gern als Stimmungsbarometer, manchmal auch als Testpersonen für neue Ideen und Formulierungen.” Der Leser erfährt: Joschka Fischer ist einer, „der dieses Spiel meisterhaft beherrscht”; er sammelt Deutungen und Neuigkeiten „wie eine Honigbiene den Nektar”; den Rundgang unter seinen Testpersonen , den der Außenminister schon in der Opposition pflegte, nennen seine Mitarbeiter „Fischers Pollenflug”.
Das eine oder andere Blütenstäubchen findet sich dann in Reden wieder. Auf das Echo kommt es an. „Zeitungen sind lebenswichtig. Fernsehen ist überlebenswichtig.” Als wahrer Profi erweist sich, wer „aus schlechten Nachrichten gute” macht – indem er sie selbst unter die Leute bringt, weil er dann die Chance hat, „sie mit einer ihm genehmen Deutung zu versehen”. Oft sei ein Thema „schon deshalb kein Thema mehr, weil der Betroffene selbst es zum Thema macht”.
Die Lüge gehört zum Geschäft. Häufig ist ihr Zweck „bereits kurzfristig erfüllt, selbst wenn sie langfristig nicht unent-deckt bleibt”. Wer die Wahrheitsliebe übertreibt, steht, wie Christian Wulff, zum Schluss als Greenhorn da. Der niedersächsische CDU-Chef hat – die Autoren erinnern daran – Ende der neunziger Jahre „strafrechtliche und zivilrechtliche” Konsequenzen für Politiker gefordert, die Wähler vor dem Urnengang „vorsätzlich täuschen”. Der gut gemeinte Vorschlag, der Helmut Kohl oder Norbert Blüm („Die Rente ist sicher”) hätte hinter Gitter bringen können, wurde gewogen und wegen seiner Naivität für zu leicht befunden. „Die Politiker und Journalisten im Berliner Regierungsviertel lachten herzlich.”
Manche Karriere bricht jäh ab. Im Kapitel „Abgang” lassen die Autoren Rücktritte Revue passieren – die freiwilligen wie die unfreiwilligen. Nachruhm erworben haben sich Politiker wie Hans Dietrich Genscher oder Hans Jochen Vogel, die ohne äußeren Anlass oder aktuellen Druck im Zenit ihres Wirkens Abschied genommen haben. (Auch Manfred Stolpe, der gerade zurück getreten ist, gehört eventuell in diese Reihe).
Lang ist dagegen die Kette jener, die – wie Günter Krause oder Jürgen Möllemann – ihren Hut nehmen mussten, weil sie geschriebene oder ungeschriebene Regeln verletzt hatten. Fast jeder krankt anschließend an Entzugserscheinungen. Möllemanns Leiden sind dafür exemplarisch. Bis heute bereite ihm der Verlust an Macht „Phantomschmerzen”, berichten die Autoren. „Immer wieder tauchten vor dem inneren Auge die Bilder von den letzten Stunden als Minister und Vizekanzler auf.” Besonders schlimm: „Das Erinnern an die Schmach.”
Mag sein, dass Möllemann deshalb zappelt wie ein Ertrinkender – und dabei Guido Westerwelle mit in den Strudel zieht. Reputation verfliegt schnell. Wie bei Niejahr und Pörtner nachzulesen, war der FDP-Vorsitzende noch vor Jahresfrist ein betörender Aufsteiger. Inzwischen (nach Erscheinen des Buches) ist der Lack schon ab. Als Möllemann die FDP mit seinen antisemitischen Parolen nach rechts rückte, musste Westerwelle erklären, warum seine Partei mit gespaltener Zunge redet – doch danach wusste keiner mehr, was er eigentlich gesagt hatte. Möllemanns „Kanzlerkandidat” jonglierte mit Worthülsen und hinterließ nichts von Belang – außer einer Ölspur (vorzumerken für eine wünschenswerte zweite Auflage).
Rudolf Scharping war nicht der Erste, der sich von seinem Berater eine neue Brille verpassen ließ. Wer später die Badefotos mit der Geliebten arrangierte, kann nur ein Feind gewesen sein. Eigentlich war schon damals der Rücktritt fällig, doch davor hat ihn, wie Niejahr und Pörtner anmerken, der 11. September bewahrt. Nun hat den Ex-Minister ein anderes Unheil eingeholt: der Schatten seines PR-Beraters. Ich und Über-Ich sind hier nicht mehr zu unterscheiden.
Das ist die andere Seite der Medaille – und auch eine Lehre aus dem Buch, das mancherlei Nutzen verspricht: Etwa für Lehrer, denen es widerstrebt, Schülern eine heile politische Welt vorzugaukeln, oder für unentschlossene Wähler, die hinter dem Schein das Sein suchen.
ROLF LAMPRECHT
Der Rezensent ist Politologe und arbeitet als Journalist in Karlsruhe .
Gute Witze erhalten die Freundschaft – Kanzler und Vizekanzler in einem Airbus der Luftwaffe.
Foto: ddp
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Amüsant und zugleich lehrreich, also im klassischen Sinne gut findet Andrea Fischer dieses Buch über die Tricks und Kniffe erfolgreicher Politiker. Und diese "erhellenden Einsichten in die Funktionsweise der Politik" seien zu allem Überfluss auch noch "gut geschrieben und erzählt". Entspannt und selbstverständlich würden die Autoren über den richtigen Zeitpunkt im allgemeinen, falsche Freundschaften im Speziellen, den Umgang mit Medien, wohlplatzierte Auseinandersetzungen und das Gebot des Schweigens plaudern. Eines der laut Rezensentin "stärksten" Kapitel handelt von den persönlichen Voraussetzungen für eine politische Karriere, etwa einen starken Machtwillen oder ein Gespür sowohl für Situationen als auch den schon erwähnten richtigen Zeitpunkt. Nach der Lektüre dieses moralischen Buchs über die Morallosigkeit der Politiker war der Rezensentin eines klar: "Wären Politiker so, wie man sie gerne hätte - freundlich, solidarisch, bescheiden -, dann wären sie keine, oder sie verbrächten ihr Leben bestenfalls auf der Hinterbank."

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