Produktdetails
- Verlag: Kehayoff
- Seitenzahl: 405
- Englisch
- Abmessung: 340mm
- Gewicht: 3228g
- ISBN-13: 9783929078558
- Artikelnr.: 36157539
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.1998Die Schrecken des Bleches und der Finsternis: Josef Sudek, fast komplett
Es ist riskant, bei Monographien von Fotokünstlern unseres Jahrhunderts den Begriff ultimativ zu benutzen. Meist ist deren OEuvre zu groß und zu unübersichtlich. Außerdem mag niemand prophezeien, welche Schätze noch in Archivregalen, Bildkartons oder Negativordnern der Entdeckung harren. Für Anna Fárovás schwergewichtigen Bildband über den Prager Fotopoeten Josef Sudek allerdings ist es das einzige angemessene Adjektiv.
Anna Fárová hatte den Fotografen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg kennengelernt. Sie war ihm Beraterin, Kuratorin und Freundin gewesen und verwaltete nach Sudeks Tod im Jahr 1976, wenige Monate nach seinem achtzigsten Geburtstag, dessen Nachlaß. Zwölf Jahre lang sortierte sie neben Trödel und der Korrespondenz etwa zwanzigtausend Abzüge und doppelt so viele Negative. Als Schenkung ging das Material schließlich an die Photographische Sammlung des Museums für Kunstgewerbe in Prag.
Niemand dürfte besser mit Sudeks Arbeiten, aber auch mit seinem Leben vertraut sein als Anna Fárová. So gelingt es ihr, eine an Anekdoten reiche Biographie mit der Bewertung seiner Arbeit zu verweben. Dem verklärten und oft publizierten Bild des romantischen Kunsthandwerkers setzt sie eine eher gebrochene Künstlerfigur entgegen, teils dem Surrealismus verpflichtet, teils als Avantgardist auf der Suche nach einer neuen fotografischen Sprache, immer wieder aber auch bestimmt durch den Stilwillen seiner Auftraggeber - "so daß", wie Fárová schreibt, "seine Standpunkte durch eine gewisse Schizophrenie geprägt zu sein scheinen". Die Bildauswahl wird mit mehr als vierhundert Beispielen dem vielschichtigen Werk Sudeks gerecht: Straßenszenen, Landschaftspanoramen, ein paar Porträts und wenige Akte. Aufnahmen von traumhafter Schönheit und zugleich regelrecht dämonischer Wirkung. Was anfangs bezaubernd, harmonisch und fröhlich wirkt, nimmt oft plötzlich bedrohliche Züge an. Versperrt nicht der Baum die Sicht auf die Stadt? Lösen die Menschen sich nicht auf wie im Blitz einer Explosion? Noch deutlicher wird die Doppeldeutigkeit freilich bei den Stilleben, die den Schwerpunkt des Buchs ausmachen: Sind nicht die vielen Blumen auf dem Fensterbrett oft verwelkt, und gehörten sie nicht hinaus in den Garten, den wir fast nie sehen, weil die Scheibe meist beschlagen ist? Die Fotografie, so Sudek, liebe die einfachen Gegenstände, doch zu einfachen Fotografien verführte ihn die Erkenntnis nie; im Gegenteil. Seine Bildwelt wird zum schauerlichen Labyrinth, in dem sich hinter jeder Ecke eine Falltür öffnen kann.
"Objekt aus Blech" heißt die Aufnahme aus den dreißiger Jahren, die unsere Abbildung zeigt: das Bild einer Hand aus Metall, aus einem Blech geschnitten und so gebogen, daß es aussieht, als strichen die Finger ganz sanft über den Atelierkarton, als tasteten sie die Struktur ab, als fühlten sie das Material. Ein wunderbares Bild - solange man nicht weiß, daß Josef Sudek im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hat. ("Josef Sudek - Monographie", herausgegeben von Anna Fárová. Kehayoff Verlag, München 1998. 408 S., Abb., geb., 198,- DM Subskriptionspreis bis 31. 12. 1998, danach 248,- DM.)
F.L.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es ist riskant, bei Monographien von Fotokünstlern unseres Jahrhunderts den Begriff ultimativ zu benutzen. Meist ist deren OEuvre zu groß und zu unübersichtlich. Außerdem mag niemand prophezeien, welche Schätze noch in Archivregalen, Bildkartons oder Negativordnern der Entdeckung harren. Für Anna Fárovás schwergewichtigen Bildband über den Prager Fotopoeten Josef Sudek allerdings ist es das einzige angemessene Adjektiv.
Anna Fárová hatte den Fotografen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg kennengelernt. Sie war ihm Beraterin, Kuratorin und Freundin gewesen und verwaltete nach Sudeks Tod im Jahr 1976, wenige Monate nach seinem achtzigsten Geburtstag, dessen Nachlaß. Zwölf Jahre lang sortierte sie neben Trödel und der Korrespondenz etwa zwanzigtausend Abzüge und doppelt so viele Negative. Als Schenkung ging das Material schließlich an die Photographische Sammlung des Museums für Kunstgewerbe in Prag.
Niemand dürfte besser mit Sudeks Arbeiten, aber auch mit seinem Leben vertraut sein als Anna Fárová. So gelingt es ihr, eine an Anekdoten reiche Biographie mit der Bewertung seiner Arbeit zu verweben. Dem verklärten und oft publizierten Bild des romantischen Kunsthandwerkers setzt sie eine eher gebrochene Künstlerfigur entgegen, teils dem Surrealismus verpflichtet, teils als Avantgardist auf der Suche nach einer neuen fotografischen Sprache, immer wieder aber auch bestimmt durch den Stilwillen seiner Auftraggeber - "so daß", wie Fárová schreibt, "seine Standpunkte durch eine gewisse Schizophrenie geprägt zu sein scheinen". Die Bildauswahl wird mit mehr als vierhundert Beispielen dem vielschichtigen Werk Sudeks gerecht: Straßenszenen, Landschaftspanoramen, ein paar Porträts und wenige Akte. Aufnahmen von traumhafter Schönheit und zugleich regelrecht dämonischer Wirkung. Was anfangs bezaubernd, harmonisch und fröhlich wirkt, nimmt oft plötzlich bedrohliche Züge an. Versperrt nicht der Baum die Sicht auf die Stadt? Lösen die Menschen sich nicht auf wie im Blitz einer Explosion? Noch deutlicher wird die Doppeldeutigkeit freilich bei den Stilleben, die den Schwerpunkt des Buchs ausmachen: Sind nicht die vielen Blumen auf dem Fensterbrett oft verwelkt, und gehörten sie nicht hinaus in den Garten, den wir fast nie sehen, weil die Scheibe meist beschlagen ist? Die Fotografie, so Sudek, liebe die einfachen Gegenstände, doch zu einfachen Fotografien verführte ihn die Erkenntnis nie; im Gegenteil. Seine Bildwelt wird zum schauerlichen Labyrinth, in dem sich hinter jeder Ecke eine Falltür öffnen kann.
"Objekt aus Blech" heißt die Aufnahme aus den dreißiger Jahren, die unsere Abbildung zeigt: das Bild einer Hand aus Metall, aus einem Blech geschnitten und so gebogen, daß es aussieht, als strichen die Finger ganz sanft über den Atelierkarton, als tasteten sie die Struktur ab, als fühlten sie das Material. Ein wunderbares Bild - solange man nicht weiß, daß Josef Sudek im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hat. ("Josef Sudek - Monographie", herausgegeben von Anna Fárová. Kehayoff Verlag, München 1998. 408 S., Abb., geb., 198,- DM Subskriptionspreis bis 31. 12. 1998, danach 248,- DM.)
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