Josefinchen kam zu Hause auf die Welt. Der Doktor und Papa sahen es gleich: Josefinchen war mongoloid. Die Hebamme wusch sie und zog sie an und Papa brachte sie zu Mama.Hier hast du Josefinchen. Sie ist ein Mongolinchen.Ach, sagte Mama. Und gleich darauf: Aber ist sie nicht lieb?Lieb?, sagte Papa. Sie ist ein Schatz!Mama nahm Josefinchen in die Arme Und Papa machte ein Foto.Josefinchen ist zehn Jahre älter als ihr Bruder Jens, sie ist oft vernünftiger, und doch fühlt er sich nicht kleiner. Er hat im Gegenteil das Gefühl, als müsste er größer sein. Als müsste er sie beschützen und immer gut für sie sorgen. Dabei hat Josefinchen haufenweise Freunde und viel Spaß dort in Vogelsang, wo sie meistens wohnt. Und jetzt nimmt sie sogar in seiner Klasse an einem Schönheitswettbewerb teil - ganz selbstverständlich. Das wollte sie unbedingt. Aber anstrengend, zu anstrengend ist das Leben für sie, obwohl sie erst zwanzig Jahre alt ist.In genial schlichtem Stil erzählt Dolf Verroen aus dem Leben von Josefinchen Mongolinchen und ihrem kleinen Bruder, Ritter Jens. Eine authentische, fröhliche und bewegende Geschichte eines Mädchens mit Down-Syndrom. Josefinchen ist nicht erfunden. Es gab sie wirklich. Im Leben hieß sie Marjolijn van Klaveren. Und Dolf Verroen hat ihre Geschichte aufgeschrieben.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.02.2007Miss Holland
Ein Kind mit Down-Syndrom
Zugegeben – es stellt sich eine leise Irritation ein, wenn man den Titel liest: Darf man zu einem Kind mit Down-Syndrom „Mongolinchen” sagen? Und – das Mädchen auf der Titelzeichnung hält doch nicht etwa ein Zigarillo in der Hand? Ja, Josefine raucht Zigarillos und sie bekommt zu ihrem 20. Geburtstag eine ganze Schachtel davon von ihrem kleinen Bruder Jens geschenkt. Dazu noch ein Feuerzeug, obwohl der Ladenbesitzer befürchtet, dass „ein Mongolchen mit einem Feuerzeug das ganze Haus anzündet!”
Josefientje passt nicht ins Schema behindert/nichtbehindert, sie ist eine Persönlichkeit. Fröhlich und eigensinnig geht sie das Leben an. Sie lässt sich nicht schrecken, wenn es um Herausforderungen geht oder um das Gerede der Leute – auch wenn sie anders ist, nicht gut lesen und schreiben kann und ihr Herz schwach ist. Der zehnjährige Jens liebt sie sehr und ist oft stolz auf seine große Schwester. Allerdings muss er sie immer wieder beschützen und sie gegen die dummen Bemerkungen der anderen verteidigen. Die Eltern bringen das in ein schönes Bild: Josefientje ist die Prinzessin und Jens ihr Ritter.
Die Probleme des Zusammenlebens werden in dieser Geschichte nicht verniedlicht. Es ist nicht einfach für Jens, als Josefine beschließt, am Wettbewerb für „Miss Holland” an Jens Schule teilzunehmen. Er mag ihr den Wunsch zwar nicht abschlagen, doch dann traut er sich lange nicht, in der Klasse zu fragen. Was werden all die anderen sagen? Wird er sich für Josefine schämen müssen, zwischen all den eleganten Mädchen? Tatsächlich gibt es böse Sprüche in der Klasse: „Seine Schwester geht wie ein Kamel.” Doch der Lehrer entschärft die Situation, sie darf außer Konkurrenz mitmachen. Und Josefinchen selbst ist einfach Klasse! Souverän Zigarillo rauchend, im neuen Kleid, stellt sie sich selbst auf der Bühne vor. Der Beifall ist ihr sicher und als sie den „Publikumspreis” vergeben darf, wählt sie mit viel Gespür Sanneke, eine eher kratzbürstige und unkonventionelle Mitschülerin von Jens. Mit guten Argumenten übrigens, denn Sanneke war komplett in Hollands Farben Rot-Weiß-Blau gekleidet – eine echte „Miss Holland” eben! Sanneke besucht Josefientje in Haus Vogelsang, dort wo sie mit anderen Behinderten zusammenlebt. Sie haben eine Menge Spaß miteinander, und es ist gar nicht schlimm, dass Bea nicht toll malen kann und Hans immer so komisch redet.
Dolf Verroen beschreibt in seiner klaren, schnörkellosen Sprache das Zusammenleben mit Menschen, die „anders” sind. Dabei geht es sehr direkt und humorvoll zu. Es gibt Vorbehalte und böse Bemerkungen, schwierige Situationen, doch sie können gemeistert werden, denn Josefientje schafft es durch ihre offene herzliche Art, die Menschen für sich einzunehmen, und ihre Familie steht zu ihr. Josefine hat es übrigens wirklich gegeben. Neben den fröhlichen Zeichnungen im Buch gibt es ein Foto von ihr, zusammen mit ihrem Vater – natürlich Zigarillo rauchend.
Dolf Verroens einfühlsam erzählte Geschichte von Josefientje ist ein Plädoyer für das Miteinander von Menschen unterschiedlicher Fähigkeiten, für Toleranz und Warmherzigkeit. Das Buch gibt Kindern die Möglichkeit, über das Anderssein von Behinderten zu reden, und eröffnet dabei den Blick auf ein Zusammenleben, das nicht nach „Leistung” fragt, sondern nach Menschlichkeit. (ab 9 Jahre)
REGINA RIEPE
DOLF VERROEN: Josefinchen, Mongolinchen.Verlag Freies Geistesleben 2006. 110 Seiten, 13,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Ein Kind mit Down-Syndrom
Zugegeben – es stellt sich eine leise Irritation ein, wenn man den Titel liest: Darf man zu einem Kind mit Down-Syndrom „Mongolinchen” sagen? Und – das Mädchen auf der Titelzeichnung hält doch nicht etwa ein Zigarillo in der Hand? Ja, Josefine raucht Zigarillos und sie bekommt zu ihrem 20. Geburtstag eine ganze Schachtel davon von ihrem kleinen Bruder Jens geschenkt. Dazu noch ein Feuerzeug, obwohl der Ladenbesitzer befürchtet, dass „ein Mongolchen mit einem Feuerzeug das ganze Haus anzündet!”
Josefientje passt nicht ins Schema behindert/nichtbehindert, sie ist eine Persönlichkeit. Fröhlich und eigensinnig geht sie das Leben an. Sie lässt sich nicht schrecken, wenn es um Herausforderungen geht oder um das Gerede der Leute – auch wenn sie anders ist, nicht gut lesen und schreiben kann und ihr Herz schwach ist. Der zehnjährige Jens liebt sie sehr und ist oft stolz auf seine große Schwester. Allerdings muss er sie immer wieder beschützen und sie gegen die dummen Bemerkungen der anderen verteidigen. Die Eltern bringen das in ein schönes Bild: Josefientje ist die Prinzessin und Jens ihr Ritter.
Die Probleme des Zusammenlebens werden in dieser Geschichte nicht verniedlicht. Es ist nicht einfach für Jens, als Josefine beschließt, am Wettbewerb für „Miss Holland” an Jens Schule teilzunehmen. Er mag ihr den Wunsch zwar nicht abschlagen, doch dann traut er sich lange nicht, in der Klasse zu fragen. Was werden all die anderen sagen? Wird er sich für Josefine schämen müssen, zwischen all den eleganten Mädchen? Tatsächlich gibt es böse Sprüche in der Klasse: „Seine Schwester geht wie ein Kamel.” Doch der Lehrer entschärft die Situation, sie darf außer Konkurrenz mitmachen. Und Josefinchen selbst ist einfach Klasse! Souverän Zigarillo rauchend, im neuen Kleid, stellt sie sich selbst auf der Bühne vor. Der Beifall ist ihr sicher und als sie den „Publikumspreis” vergeben darf, wählt sie mit viel Gespür Sanneke, eine eher kratzbürstige und unkonventionelle Mitschülerin von Jens. Mit guten Argumenten übrigens, denn Sanneke war komplett in Hollands Farben Rot-Weiß-Blau gekleidet – eine echte „Miss Holland” eben! Sanneke besucht Josefientje in Haus Vogelsang, dort wo sie mit anderen Behinderten zusammenlebt. Sie haben eine Menge Spaß miteinander, und es ist gar nicht schlimm, dass Bea nicht toll malen kann und Hans immer so komisch redet.
Dolf Verroen beschreibt in seiner klaren, schnörkellosen Sprache das Zusammenleben mit Menschen, die „anders” sind. Dabei geht es sehr direkt und humorvoll zu. Es gibt Vorbehalte und böse Bemerkungen, schwierige Situationen, doch sie können gemeistert werden, denn Josefientje schafft es durch ihre offene herzliche Art, die Menschen für sich einzunehmen, und ihre Familie steht zu ihr. Josefine hat es übrigens wirklich gegeben. Neben den fröhlichen Zeichnungen im Buch gibt es ein Foto von ihr, zusammen mit ihrem Vater – natürlich Zigarillo rauchend.
Dolf Verroens einfühlsam erzählte Geschichte von Josefientje ist ein Plädoyer für das Miteinander von Menschen unterschiedlicher Fähigkeiten, für Toleranz und Warmherzigkeit. Das Buch gibt Kindern die Möglichkeit, über das Anderssein von Behinderten zu reden, und eröffnet dabei den Blick auf ein Zusammenleben, das nicht nach „Leistung” fragt, sondern nach Menschlichkeit. (ab 9 Jahre)
REGINA RIEPE
DOLF VERROEN: Josefinchen, Mongolinchen.Verlag Freies Geistesleben 2006. 110 Seiten, 13,50 Euro.
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