Joseph Beuys' Leben (1921-1986) umranken Legenden, seine Werke gelten als bedeutungsschwer und rätselhaft zugleich. Unumstritten ist sein Rang als einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. In seinen Installationen, Plastiken, Objekten und Zeichnungen verschränken sich zeitgenössische Anspielungen, biographische Elemente und eine oft esoterische Naturlehre.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2001Da capo für den Maximo Lider
Dem Regime des Fidel Castro auf Cuba wurde schon oftmals der Untergang vorausgesagt – aber der alte Herr hält sich an der Macht
VOLKER SKIERKA: Fidel Castro. Eine Biographie, Kindler, Berlin 2001. 544 Seiten, 49,90 Mark.
Als Vertreter der feinsinnigen Semantik galt Fidel Castro noch nie. Eher schon traktiert er Freund und Feind mit mehrstündigen Redemarathons, bei denen Psyche und Fitness der Zuhörer bis zum Äußersten belastet werden. Alternativ verteilt der cubanische Revolutionär deftige rhetorische Rundumschläge. Eine Kostprobe bot Castro vor kurzem, als die UN- Menschenrechtskommission sein Land wieder einmal wegen massiver Menschenrechtsverletzungen verurteilte. „Diese Resolution klingt, als ob man durch die Kloschüssel gespült würde. Das wäre auch für sie der ideale Ort”, zürnte der „Maximo Lider”, der sich aller Unkenrufe politischer Kommentatoren zum Trotz auch ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion guter Gesundheit und uneingeschränkter Macht auf der Karibikinsel erfreut.
Einerseits trugen alle lateinamerikanischen Länder die Verurteilung durch die UNO mit. Andererseits genießt Castro gerade auf dem Subkontinent bei Intellektuellen und Teilen der Bevölkerung nach wie vor Sympathie. Kritik an Cuba oder auch Kritik aus Cuba an Lateinamerika schafft es immer auf die Titelseiten der Zeitungen in Mittel- und Südamerika.
„Dabei ist es häufig die Anbetung oder die Verleumdung, die das wahre Bild von Cubas Machthaber verzerrt”, schreibt der frühere Lateinamerika- Korrespondent Volker Skierka in seiner Castro-Biografie. Skierka zeichnet mit hervorragender Quellenlage das Leben des Mannes nach, der 1962, gemeinsam mit der Sowjetunion, die Supermacht USA herausforderte und so die Welt an die Schwelle des Dritten Weltkrieges brachte. Skierka gelingt es aufzuzeigen, warum Castro trotz kommunistischer Diktatur und brutaler Repression Magnetkraft auf viele Menschen in Lateinamerika ausübt.
Hässliche Fratze
Da ist zum Beispiel der von Castro gestürzte Diktator Fulgencio Batista. Dieser Mann stellte in persona die hässliche Fratze der selbstgerechten US-Politik gegenüber den Staaten südlich des Rio Grande dar, die sich in den Augen vieler südamerikanischer Kritiker bis heute nicht grundlegend geändert hat. Batistas Cuba galt als Rotlichtbezirk der USA, als Tummelplatz von Mafiosi und anderen zwielichtigen Gestalten. Nach der Revolution 1959 verlor die Unterwelt ein Vermögen an Hotels, Clubs, Casinos und Bordellen im Wert von weit mehr als 100 Millionen Dollar. „Dass ein sturer Bauernsohn aus dem unterentwickelten Osten Cubas daherkam und dem sauberen Amerika dieses lukrative Paradies einfach wegnahm, dass er die ,Yankees‘ und ihren Präsidenten John F. Kennedy dann bei einem Invasionsversuch in der Schweinebucht 1962 vor aller Welt demütigte, dass seinetwegen auf Cuba stationierte Atomraketen 1962 beinahe den Dritten Weltkrieg auslösten – diese narzisstischen Kränkungen im Angesicht der Geschichte wird ihm die Großmacht im Norden auch über den Tod hinaus nie verzeihen”, schreibt Skierka.
Im Umkehrschluss wird auch deutlich, warum Castro in Lateinamerika bewundert wird und Männer wie der kolumbianische Nobelpreisträger Gabriel Garcia Marquez sich der Freundschaft zu dem vollbärtigen Havanna-Raucher rühmen.
Castro überstand zahlreiche Umsturz- und Mordversuche, welche die CIA gemeinsam mit der von Castro verprellten Mafia ausheckte. Hatte Washington etwa in Chile mit dem Putsch von Pinochet gegen Salvador Allende Erfolg oder hielt sich in Mittelamerika korrupte Despoten in Bananenrepubliken, so beißt sich die Supermacht an Cuba die Zähne aus.
Nach der jüngsten Verurteilung der UN-Menschenrechtskommission sagte Castro mit Blick auf Argentinien, das vor allem unter seinem Ex-Präsidenten Carlos Menem auf die harte US-Linie einschwenkte: „Da, wo die Verteidiger der Menschenrechte regieren, ist die Kindersterblichkeit dreimal so hoch wie in Cuba. Sie wissen weniger von Würde, Unabhängigkeit und Zukunftsvisionen, als unsere Vorschüler.” Diese Karte spielt Castro ständig aus, um sein Regime international zu rechtfertigen: Er verweist auf Millionen von Straßenkinder und wachsende Slums rund um die Metropolen der Nachbarstaaten.
Der Traum vom Glück
Doch der Traum von einer materiell gesicherten Zukunft erscheint vielen Cubanern heute wie eine Illusion. Hoffnungen auf einen bescheidenen Wohlstand werden immer wieder enttäuscht; bis auf die für Dollar- Touristen hergerichteten Stadtteile zerfällt das einst prächtige Havanna. Anfang der 90iger Jahre litten wegen einer prekären Versorgungslager viele Menschen Hunger. „Sozialismus oder Tod” lautet Castros berühmter Leitspruch. Unzählige Menschen wählten in den vergangenen Jahren unfreiwillig den zweiten Weg, wenn sie Segel auf Autoreifen pflanzten, um über das Meer ins vermeintliche Paradies Florida zu gelangen. Volker Skierka bietet ein detailreiche Analyse der Situation und beschreibt die Zukunft Cubas mit – und ohne – Fidel Castro.
HENDRIK GROTH
Fidel Castro wird im August 75 Jahre alt (das Datum ist umstritten). Sein Bruder steht als Nachfolger bereit. Aber Castro wirkt nicht so, als wolle er abtreten.
AP
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Dem Regime des Fidel Castro auf Cuba wurde schon oftmals der Untergang vorausgesagt – aber der alte Herr hält sich an der Macht
VOLKER SKIERKA: Fidel Castro. Eine Biographie, Kindler, Berlin 2001. 544 Seiten, 49,90 Mark.
Als Vertreter der feinsinnigen Semantik galt Fidel Castro noch nie. Eher schon traktiert er Freund und Feind mit mehrstündigen Redemarathons, bei denen Psyche und Fitness der Zuhörer bis zum Äußersten belastet werden. Alternativ verteilt der cubanische Revolutionär deftige rhetorische Rundumschläge. Eine Kostprobe bot Castro vor kurzem, als die UN- Menschenrechtskommission sein Land wieder einmal wegen massiver Menschenrechtsverletzungen verurteilte. „Diese Resolution klingt, als ob man durch die Kloschüssel gespült würde. Das wäre auch für sie der ideale Ort”, zürnte der „Maximo Lider”, der sich aller Unkenrufe politischer Kommentatoren zum Trotz auch ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion guter Gesundheit und uneingeschränkter Macht auf der Karibikinsel erfreut.
Einerseits trugen alle lateinamerikanischen Länder die Verurteilung durch die UNO mit. Andererseits genießt Castro gerade auf dem Subkontinent bei Intellektuellen und Teilen der Bevölkerung nach wie vor Sympathie. Kritik an Cuba oder auch Kritik aus Cuba an Lateinamerika schafft es immer auf die Titelseiten der Zeitungen in Mittel- und Südamerika.
„Dabei ist es häufig die Anbetung oder die Verleumdung, die das wahre Bild von Cubas Machthaber verzerrt”, schreibt der frühere Lateinamerika- Korrespondent Volker Skierka in seiner Castro-Biografie. Skierka zeichnet mit hervorragender Quellenlage das Leben des Mannes nach, der 1962, gemeinsam mit der Sowjetunion, die Supermacht USA herausforderte und so die Welt an die Schwelle des Dritten Weltkrieges brachte. Skierka gelingt es aufzuzeigen, warum Castro trotz kommunistischer Diktatur und brutaler Repression Magnetkraft auf viele Menschen in Lateinamerika ausübt.
Hässliche Fratze
Da ist zum Beispiel der von Castro gestürzte Diktator Fulgencio Batista. Dieser Mann stellte in persona die hässliche Fratze der selbstgerechten US-Politik gegenüber den Staaten südlich des Rio Grande dar, die sich in den Augen vieler südamerikanischer Kritiker bis heute nicht grundlegend geändert hat. Batistas Cuba galt als Rotlichtbezirk der USA, als Tummelplatz von Mafiosi und anderen zwielichtigen Gestalten. Nach der Revolution 1959 verlor die Unterwelt ein Vermögen an Hotels, Clubs, Casinos und Bordellen im Wert von weit mehr als 100 Millionen Dollar. „Dass ein sturer Bauernsohn aus dem unterentwickelten Osten Cubas daherkam und dem sauberen Amerika dieses lukrative Paradies einfach wegnahm, dass er die ,Yankees‘ und ihren Präsidenten John F. Kennedy dann bei einem Invasionsversuch in der Schweinebucht 1962 vor aller Welt demütigte, dass seinetwegen auf Cuba stationierte Atomraketen 1962 beinahe den Dritten Weltkrieg auslösten – diese narzisstischen Kränkungen im Angesicht der Geschichte wird ihm die Großmacht im Norden auch über den Tod hinaus nie verzeihen”, schreibt Skierka.
Im Umkehrschluss wird auch deutlich, warum Castro in Lateinamerika bewundert wird und Männer wie der kolumbianische Nobelpreisträger Gabriel Garcia Marquez sich der Freundschaft zu dem vollbärtigen Havanna-Raucher rühmen.
Castro überstand zahlreiche Umsturz- und Mordversuche, welche die CIA gemeinsam mit der von Castro verprellten Mafia ausheckte. Hatte Washington etwa in Chile mit dem Putsch von Pinochet gegen Salvador Allende Erfolg oder hielt sich in Mittelamerika korrupte Despoten in Bananenrepubliken, so beißt sich die Supermacht an Cuba die Zähne aus.
Nach der jüngsten Verurteilung der UN-Menschenrechtskommission sagte Castro mit Blick auf Argentinien, das vor allem unter seinem Ex-Präsidenten Carlos Menem auf die harte US-Linie einschwenkte: „Da, wo die Verteidiger der Menschenrechte regieren, ist die Kindersterblichkeit dreimal so hoch wie in Cuba. Sie wissen weniger von Würde, Unabhängigkeit und Zukunftsvisionen, als unsere Vorschüler.” Diese Karte spielt Castro ständig aus, um sein Regime international zu rechtfertigen: Er verweist auf Millionen von Straßenkinder und wachsende Slums rund um die Metropolen der Nachbarstaaten.
Der Traum vom Glück
Doch der Traum von einer materiell gesicherten Zukunft erscheint vielen Cubanern heute wie eine Illusion. Hoffnungen auf einen bescheidenen Wohlstand werden immer wieder enttäuscht; bis auf die für Dollar- Touristen hergerichteten Stadtteile zerfällt das einst prächtige Havanna. Anfang der 90iger Jahre litten wegen einer prekären Versorgungslager viele Menschen Hunger. „Sozialismus oder Tod” lautet Castros berühmter Leitspruch. Unzählige Menschen wählten in den vergangenen Jahren unfreiwillig den zweiten Weg, wenn sie Segel auf Autoreifen pflanzten, um über das Meer ins vermeintliche Paradies Florida zu gelangen. Volker Skierka bietet ein detailreiche Analyse der Situation und beschreibt die Zukunft Cubas mit – und ohne – Fidel Castro.
HENDRIK GROTH
Fidel Castro wird im August 75 Jahre alt (das Datum ist umstritten). Sein Bruder steht als Nachfolger bereit. Aber Castro wirkt nicht so, als wolle er abtreten.
AP
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2001Einsam und melancholisch in Havanna
Eine Biographie über Castro und die kubanische Revolution: Gut recherchiert und amüsant zu lesen
Volker Skierka: Fidel Castro - Eine Biographie. Kindler Verlag, Berlin 2001. 543 Seiten, 49,90 Mark.
Der alles überdauernde kubanische Revolutionär und Präsident Fidel Castro kann sich über biographische Darstellungen seiner Person nicht beklagen. Nur in Deutschland hatte sich bisher noch kein Autor mit dem Leben des Máximo Líder, des jahrzehntelangen Partei-, Regierungs- und Staatschefs, ausführlich beschäftigt. Zum 75. Geburtstag Castros liegt jetzt auch eine umfangreiche deutsche Biographie vor. Dem früheren Lateinamerika-Korrespondenten Skierka ist es gelungen, noch einiges Unbekannte über Castro und die vergangenen Jahrzehnte der kubanischen Geschichte beizutragen. Und das hat er in den Archiven der früheren DDR gefunden. Die ostdeutschen Diplomaten, Journalisten und Delegationsleiter haben fleißig an ihre Regierung berichtet; an ihren manchmal kritischen, hin und wieder auch verständnislosen Einschätzungen läßt sich viel ablesen über den jeweiligen Stand der oft schwankenden Beziehungen zwischen Kuba und den kommunistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas.
Das heutige Kuba mit seinen positiven wie auch mit seinen vielen negativen Seiten ist das Werk einer einzigen Person, des zu Recht Máximo Líder genannten Fidel Castro Ruz. Verständlich, daß Castro in den Jahren von Perestroika und Glasnost dieses eigene Werk nicht zerstören wollte und konnte. Einem spanischen Politiker sagte er zu Beginn der neunziger Jahre auf dessen Frage nach Reformen: "Ich kann mich doch nicht hinstellen und einfach sagen: Mein liebes kubanisches Volk, es tut mir leid, ich habe mich getäuscht. Eure Opfer und euer Kampf waren umsonst. Wir werden jetzt einen ganz anderen Weg einschlagen." Daß die übrige Welt jetzt einen anderen Weg geht, sei halt ein großer globaler Irrtum, mag sich Castro vielleicht gegen besseres Wissen einreden. Doch ändern wird er nichts mehr. Damit dürfte sich auf Kuba zu Lebzeiten des bärtigen Alleinherrschers nichts mehr verändern.
Über den privaten Menschen ist wenig zu erfahren, weder von ihm selbst noch von zuverlässigen Informanten. Die Kubaner wissen kaum etwas über Castro, der weit mehr als sie selbst ihr Leben bestimmt. Noch nicht einmal, wie viele Kinder er hat, ist bekannt - und daß Celia Sánchez bis zu ihrem Tod seine einflußreiche Lebensgefährtin war, wußten nur wenige seiner Landsleute. Personenkult mit aufdringlicher und öffentlicher Verehrung seiner Person hat Castro nicht zugelassen. Der außergewöhnlich beredte und früher geistreiche und amüsant plaudernde Fidel Castro spricht so gut wie nie über sich selbst.
Skierka bringt im ersten Kapitel das, was an bestätigtem Wissen über Fidel, Familie, seine Kindheit und Jugend vorliegt, und gibt dazu die nötigen Informationen über den Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien am Ende des Jahrhunderts und das mit einer falschen Beschuldigung begründete Eingreifen der Vereinigten Staaten in den spanisch-kubanischen Krieg. Kuba geriet dadurch nach dem Ausscheiden aus dem spanischen Kolonialreich unter das härtere Regime der Vereinigten Staaten, und auf der Insel nahmen die Haßgefühle gegen den großen Nachbarn aus dem Norden ständig zu. Von denen profitierte auch Castros Revolution.
Die Ausführungen über die Hinrichtung des Generals Ochoa und drei weiterer hoher Offiziere hätte man sich ausführlicher gewünscht. Der Prozeß gegen den populären, auch gegenüber den Brüdern Castro selbstbewußten und mutigen General und die Erschießungen im Morgengrauen des 13. Juli 1989 haben dem kubanischen Caudillo die letzten Sympathien bei den Demokraten der westlichen Welt gekostet.
Aufschlußreiche Einzelheiten erfährt der Leser über Castros Willen, den zunächst ausbleibenden Widerstand der nicht vorbereiteten chilenischen Linken gegen den Putsch Pinochets zu unterstützen. Castro schätzte offensichtlich die Schwäche der demokratisch gewählten chilenischen Regierung und die Gefahr eines Umsturzes durch die "Kräfte der Reaktion" viel realistischer ein als sein Freund, der chilenische Präsident Allende, und hält deshalb in der kubanischen Botschaft in Santiago Waffen für die "Mobilisierung der Volkskräfte" bereit. Nur ein kleiner Teil dieser Waffen sei an die extremistische "Bewegung der Revolutionären Linken" (MIR) gelangt, obwohl man - wie Castro in dem Gespräch mit Honecker erzählte - in dem Streit innerhalb der chilenischen Volksfront nicht dieser radikalen Partei, sondern den Kommunisten und Allende recht gab. Glaubhaft sind die Beteuerungen des kubanischen Präsidenten, daß die erfolgreiche kubanische Militäroperation in Angola "in Havanna und nicht in Moskau" entschieden wurde und die Kubaner nicht als "Gurkas des Sowjetimperiums" vorgeschickt worden seien.
Skierka gelingt, sicher auch dank der ostdeutschen Quellen, eine sehr differenzierte Darstellung der ja keineswegs kontinuierlichen Außenpolitik Havannas mit all deren Wechseln und den gelegentlichen Abweichungen vom sowjetischen Kurs. Die wichtige Rolle Spaniens in Kuba, auch nach der Unabhängigkeit der Insel, schätzt Skierka nicht richtig ein. Nur so kann man sich seine Verwunderung erklären, daß "die alte Kolonialmacht" der stärkste Wirtschaftspartner des heutigen Kuba ist. Das mehrmals verwendete Wort "Kolonialmacht" trifft das Verhältnis Spaniens zu Kuba nicht. Spanien unterhielt das gesamte 20. Jahrhundert hindurch enge Beziehungen zu Kuba. Die Spanier sind in Kuba besonders beliebt, schließlich sind ja die meisten Kubaner spanischer Herkunft.
Erfreulich ist, daß sich der Autor mit Werturteilen zurückhält. Bewertet werden aber die Taten und Entscheidungen des Máximo Líder, und ziemlich aussichtslos wird die Zukunft der kubanischen Revolution gesehen. Skierka vergleicht den alternden Castro mit dem resignierten Simón Bolívar in dem Roman "Der General in seinem Labyrinth" von García Márquez. Der Roman sei eine melancholische Reflexion auf das Scheitern einer großen Idee. Fidel Castro, im Grunde immer ein einsamer Mensch, da er niemanden als ihm gleichwertig anerkannte, hat jetzt Zeit zur melancholischen Rückschau auf ein gescheitertes Werk. Er findet auch in Lateinamerika heute keine Nachahmer mehr, sein Regime ist nirgends mehr Vorbild. Jedoch sein mit vielen Opfern und Mut verbundener Widerstand gegen die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten garantiert ihm die Hochachtung in den iberischen Ländern und in großen Teilen der Dritten Welt.
Das letzte Kapitel der Biographie heißt "Don Quijote und die Geschichte". Wie der Protagonist des großen Romans von Miguel de Cervantes kämpft auch Fidel Castro idealistisch gegen immer neue Windmühlen. Der Idealist Castro kennt allerdings im Gegensatz zu seiner literarischen Lieblingsfigur Don Quijote auch die sehr pragmatischen Tricks und Finten der alltäglichen Politik und scheut dann im Gegensatz zum Romanhelden nicht davor zurück, Böses zu tun, wenn er das für notwendig hält, um das große Ziel zu erreichen.
Das Buch von Skierka könnte zumindest im deutschen Sprachraum zum Standardwerk über Castro und die kubanische Revolution werden. Da es wie eine gute journalistische Reportage geschrieben ist, wird es zu einer angenehmen, manchmal sogar amüsanten Lektüre, ohne an Seriosität und Genauigkeit zu verlieren.
WALTER HAUBRICH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Biographie über Castro und die kubanische Revolution: Gut recherchiert und amüsant zu lesen
Volker Skierka: Fidel Castro - Eine Biographie. Kindler Verlag, Berlin 2001. 543 Seiten, 49,90 Mark.
Der alles überdauernde kubanische Revolutionär und Präsident Fidel Castro kann sich über biographische Darstellungen seiner Person nicht beklagen. Nur in Deutschland hatte sich bisher noch kein Autor mit dem Leben des Máximo Líder, des jahrzehntelangen Partei-, Regierungs- und Staatschefs, ausführlich beschäftigt. Zum 75. Geburtstag Castros liegt jetzt auch eine umfangreiche deutsche Biographie vor. Dem früheren Lateinamerika-Korrespondenten Skierka ist es gelungen, noch einiges Unbekannte über Castro und die vergangenen Jahrzehnte der kubanischen Geschichte beizutragen. Und das hat er in den Archiven der früheren DDR gefunden. Die ostdeutschen Diplomaten, Journalisten und Delegationsleiter haben fleißig an ihre Regierung berichtet; an ihren manchmal kritischen, hin und wieder auch verständnislosen Einschätzungen läßt sich viel ablesen über den jeweiligen Stand der oft schwankenden Beziehungen zwischen Kuba und den kommunistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas.
Das heutige Kuba mit seinen positiven wie auch mit seinen vielen negativen Seiten ist das Werk einer einzigen Person, des zu Recht Máximo Líder genannten Fidel Castro Ruz. Verständlich, daß Castro in den Jahren von Perestroika und Glasnost dieses eigene Werk nicht zerstören wollte und konnte. Einem spanischen Politiker sagte er zu Beginn der neunziger Jahre auf dessen Frage nach Reformen: "Ich kann mich doch nicht hinstellen und einfach sagen: Mein liebes kubanisches Volk, es tut mir leid, ich habe mich getäuscht. Eure Opfer und euer Kampf waren umsonst. Wir werden jetzt einen ganz anderen Weg einschlagen." Daß die übrige Welt jetzt einen anderen Weg geht, sei halt ein großer globaler Irrtum, mag sich Castro vielleicht gegen besseres Wissen einreden. Doch ändern wird er nichts mehr. Damit dürfte sich auf Kuba zu Lebzeiten des bärtigen Alleinherrschers nichts mehr verändern.
Über den privaten Menschen ist wenig zu erfahren, weder von ihm selbst noch von zuverlässigen Informanten. Die Kubaner wissen kaum etwas über Castro, der weit mehr als sie selbst ihr Leben bestimmt. Noch nicht einmal, wie viele Kinder er hat, ist bekannt - und daß Celia Sánchez bis zu ihrem Tod seine einflußreiche Lebensgefährtin war, wußten nur wenige seiner Landsleute. Personenkult mit aufdringlicher und öffentlicher Verehrung seiner Person hat Castro nicht zugelassen. Der außergewöhnlich beredte und früher geistreiche und amüsant plaudernde Fidel Castro spricht so gut wie nie über sich selbst.
Skierka bringt im ersten Kapitel das, was an bestätigtem Wissen über Fidel, Familie, seine Kindheit und Jugend vorliegt, und gibt dazu die nötigen Informationen über den Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien am Ende des Jahrhunderts und das mit einer falschen Beschuldigung begründete Eingreifen der Vereinigten Staaten in den spanisch-kubanischen Krieg. Kuba geriet dadurch nach dem Ausscheiden aus dem spanischen Kolonialreich unter das härtere Regime der Vereinigten Staaten, und auf der Insel nahmen die Haßgefühle gegen den großen Nachbarn aus dem Norden ständig zu. Von denen profitierte auch Castros Revolution.
Die Ausführungen über die Hinrichtung des Generals Ochoa und drei weiterer hoher Offiziere hätte man sich ausführlicher gewünscht. Der Prozeß gegen den populären, auch gegenüber den Brüdern Castro selbstbewußten und mutigen General und die Erschießungen im Morgengrauen des 13. Juli 1989 haben dem kubanischen Caudillo die letzten Sympathien bei den Demokraten der westlichen Welt gekostet.
Aufschlußreiche Einzelheiten erfährt der Leser über Castros Willen, den zunächst ausbleibenden Widerstand der nicht vorbereiteten chilenischen Linken gegen den Putsch Pinochets zu unterstützen. Castro schätzte offensichtlich die Schwäche der demokratisch gewählten chilenischen Regierung und die Gefahr eines Umsturzes durch die "Kräfte der Reaktion" viel realistischer ein als sein Freund, der chilenische Präsident Allende, und hält deshalb in der kubanischen Botschaft in Santiago Waffen für die "Mobilisierung der Volkskräfte" bereit. Nur ein kleiner Teil dieser Waffen sei an die extremistische "Bewegung der Revolutionären Linken" (MIR) gelangt, obwohl man - wie Castro in dem Gespräch mit Honecker erzählte - in dem Streit innerhalb der chilenischen Volksfront nicht dieser radikalen Partei, sondern den Kommunisten und Allende recht gab. Glaubhaft sind die Beteuerungen des kubanischen Präsidenten, daß die erfolgreiche kubanische Militäroperation in Angola "in Havanna und nicht in Moskau" entschieden wurde und die Kubaner nicht als "Gurkas des Sowjetimperiums" vorgeschickt worden seien.
Skierka gelingt, sicher auch dank der ostdeutschen Quellen, eine sehr differenzierte Darstellung der ja keineswegs kontinuierlichen Außenpolitik Havannas mit all deren Wechseln und den gelegentlichen Abweichungen vom sowjetischen Kurs. Die wichtige Rolle Spaniens in Kuba, auch nach der Unabhängigkeit der Insel, schätzt Skierka nicht richtig ein. Nur so kann man sich seine Verwunderung erklären, daß "die alte Kolonialmacht" der stärkste Wirtschaftspartner des heutigen Kuba ist. Das mehrmals verwendete Wort "Kolonialmacht" trifft das Verhältnis Spaniens zu Kuba nicht. Spanien unterhielt das gesamte 20. Jahrhundert hindurch enge Beziehungen zu Kuba. Die Spanier sind in Kuba besonders beliebt, schließlich sind ja die meisten Kubaner spanischer Herkunft.
Erfreulich ist, daß sich der Autor mit Werturteilen zurückhält. Bewertet werden aber die Taten und Entscheidungen des Máximo Líder, und ziemlich aussichtslos wird die Zukunft der kubanischen Revolution gesehen. Skierka vergleicht den alternden Castro mit dem resignierten Simón Bolívar in dem Roman "Der General in seinem Labyrinth" von García Márquez. Der Roman sei eine melancholische Reflexion auf das Scheitern einer großen Idee. Fidel Castro, im Grunde immer ein einsamer Mensch, da er niemanden als ihm gleichwertig anerkannte, hat jetzt Zeit zur melancholischen Rückschau auf ein gescheitertes Werk. Er findet auch in Lateinamerika heute keine Nachahmer mehr, sein Regime ist nirgends mehr Vorbild. Jedoch sein mit vielen Opfern und Mut verbundener Widerstand gegen die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten garantiert ihm die Hochachtung in den iberischen Ländern und in großen Teilen der Dritten Welt.
Das letzte Kapitel der Biographie heißt "Don Quijote und die Geschichte". Wie der Protagonist des großen Romans von Miguel de Cervantes kämpft auch Fidel Castro idealistisch gegen immer neue Windmühlen. Der Idealist Castro kennt allerdings im Gegensatz zu seiner literarischen Lieblingsfigur Don Quijote auch die sehr pragmatischen Tricks und Finten der alltäglichen Politik und scheut dann im Gegensatz zum Romanhelden nicht davor zurück, Böses zu tun, wenn er das für notwendig hält, um das große Ziel zu erreichen.
Das Buch von Skierka könnte zumindest im deutschen Sprachraum zum Standardwerk über Castro und die kubanische Revolution werden. Da es wie eine gute journalistische Reportage geschrieben ist, wird es zu einer angenehmen, manchmal sogar amüsanten Lektüre, ohne an Seriosität und Genauigkeit zu verlieren.
WALTER HAUBRICH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main