Joseph Beuys' Leben (1921-1986) umranken Legenden, seine Werke gelten als bedeutungsschwer und rätselhaft zugleich. Unumstritten ist sein Rang als einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. In seinen Installationen, Plastiken, Objekten und Zeichnungen verschränken sich zeitgenössische Anspielungen, biographische Elemente und eine oft esoterische Naturlehre.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2001Einsam und melancholisch in Havanna
Eine Biographie über Castro und die kubanische Revolution: Gut recherchiert und amüsant zu lesen
Volker Skierka: Fidel Castro - Eine Biographie. Kindler Verlag, Berlin 2001. 543 Seiten, 49,90 Mark.
Der alles überdauernde kubanische Revolutionär und Präsident Fidel Castro kann sich über biographische Darstellungen seiner Person nicht beklagen. Nur in Deutschland hatte sich bisher noch kein Autor mit dem Leben des Máximo Líder, des jahrzehntelangen Partei-, Regierungs- und Staatschefs, ausführlich beschäftigt. Zum 75. Geburtstag Castros liegt jetzt auch eine umfangreiche deutsche Biographie vor. Dem früheren Lateinamerika-Korrespondenten Skierka ist es gelungen, noch einiges Unbekannte über Castro und die vergangenen Jahrzehnte der kubanischen Geschichte beizutragen. Und das hat er in den Archiven der früheren DDR gefunden. Die ostdeutschen Diplomaten, Journalisten und Delegationsleiter haben fleißig an ihre Regierung berichtet; an ihren manchmal kritischen, hin und wieder auch verständnislosen Einschätzungen läßt sich viel ablesen über den jeweiligen Stand der oft schwankenden Beziehungen zwischen Kuba und den kommunistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas.
Das heutige Kuba mit seinen positiven wie auch mit seinen vielen negativen Seiten ist das Werk einer einzigen Person, des zu Recht Máximo Líder genannten Fidel Castro Ruz. Verständlich, daß Castro in den Jahren von Perestroika und Glasnost dieses eigene Werk nicht zerstören wollte und konnte. Einem spanischen Politiker sagte er zu Beginn der neunziger Jahre auf dessen Frage nach Reformen: "Ich kann mich doch nicht hinstellen und einfach sagen: Mein liebes kubanisches Volk, es tut mir leid, ich habe mich getäuscht. Eure Opfer und euer Kampf waren umsonst. Wir werden jetzt einen ganz anderen Weg einschlagen." Daß die übrige Welt jetzt einen anderen Weg geht, sei halt ein großer globaler Irrtum, mag sich Castro vielleicht gegen besseres Wissen einreden. Doch ändern wird er nichts mehr. Damit dürfte sich auf Kuba zu Lebzeiten des bärtigen Alleinherrschers nichts mehr verändern.
Über den privaten Menschen ist wenig zu erfahren, weder von ihm selbst noch von zuverlässigen Informanten. Die Kubaner wissen kaum etwas über Castro, der weit mehr als sie selbst ihr Leben bestimmt. Noch nicht einmal, wie viele Kinder er hat, ist bekannt - und daß Celia Sánchez bis zu ihrem Tod seine einflußreiche Lebensgefährtin war, wußten nur wenige seiner Landsleute. Personenkult mit aufdringlicher und öffentlicher Verehrung seiner Person hat Castro nicht zugelassen. Der außergewöhnlich beredte und früher geistreiche und amüsant plaudernde Fidel Castro spricht so gut wie nie über sich selbst.
Skierka bringt im ersten Kapitel das, was an bestätigtem Wissen über Fidel, Familie, seine Kindheit und Jugend vorliegt, und gibt dazu die nötigen Informationen über den Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien am Ende des Jahrhunderts und das mit einer falschen Beschuldigung begründete Eingreifen der Vereinigten Staaten in den spanisch-kubanischen Krieg. Kuba geriet dadurch nach dem Ausscheiden aus dem spanischen Kolonialreich unter das härtere Regime der Vereinigten Staaten, und auf der Insel nahmen die Haßgefühle gegen den großen Nachbarn aus dem Norden ständig zu. Von denen profitierte auch Castros Revolution.
Die Ausführungen über die Hinrichtung des Generals Ochoa und drei weiterer hoher Offiziere hätte man sich ausführlicher gewünscht. Der Prozeß gegen den populären, auch gegenüber den Brüdern Castro selbstbewußten und mutigen General und die Erschießungen im Morgengrauen des 13. Juli 1989 haben dem kubanischen Caudillo die letzten Sympathien bei den Demokraten der westlichen Welt gekostet.
Aufschlußreiche Einzelheiten erfährt der Leser über Castros Willen, den zunächst ausbleibenden Widerstand der nicht vorbereiteten chilenischen Linken gegen den Putsch Pinochets zu unterstützen. Castro schätzte offensichtlich die Schwäche der demokratisch gewählten chilenischen Regierung und die Gefahr eines Umsturzes durch die "Kräfte der Reaktion" viel realistischer ein als sein Freund, der chilenische Präsident Allende, und hält deshalb in der kubanischen Botschaft in Santiago Waffen für die "Mobilisierung der Volkskräfte" bereit. Nur ein kleiner Teil dieser Waffen sei an die extremistische "Bewegung der Revolutionären Linken" (MIR) gelangt, obwohl man - wie Castro in dem Gespräch mit Honecker erzählte - in dem Streit innerhalb der chilenischen Volksfront nicht dieser radikalen Partei, sondern den Kommunisten und Allende recht gab. Glaubhaft sind die Beteuerungen des kubanischen Präsidenten, daß die erfolgreiche kubanische Militäroperation in Angola "in Havanna und nicht in Moskau" entschieden wurde und die Kubaner nicht als "Gurkas des Sowjetimperiums" vorgeschickt worden seien.
Skierka gelingt, sicher auch dank der ostdeutschen Quellen, eine sehr differenzierte Darstellung der ja keineswegs kontinuierlichen Außenpolitik Havannas mit all deren Wechseln und den gelegentlichen Abweichungen vom sowjetischen Kurs. Die wichtige Rolle Spaniens in Kuba, auch nach der Unabhängigkeit der Insel, schätzt Skierka nicht richtig ein. Nur so kann man sich seine Verwunderung erklären, daß "die alte Kolonialmacht" der stärkste Wirtschaftspartner des heutigen Kuba ist. Das mehrmals verwendete Wort "Kolonialmacht" trifft das Verhältnis Spaniens zu Kuba nicht. Spanien unterhielt das gesamte 20. Jahrhundert hindurch enge Beziehungen zu Kuba. Die Spanier sind in Kuba besonders beliebt, schließlich sind ja die meisten Kubaner spanischer Herkunft.
Erfreulich ist, daß sich der Autor mit Werturteilen zurückhält. Bewertet werden aber die Taten und Entscheidungen des Máximo Líder, und ziemlich aussichtslos wird die Zukunft der kubanischen Revolution gesehen. Skierka vergleicht den alternden Castro mit dem resignierten Simón Bolívar in dem Roman "Der General in seinem Labyrinth" von García Márquez. Der Roman sei eine melancholische Reflexion auf das Scheitern einer großen Idee. Fidel Castro, im Grunde immer ein einsamer Mensch, da er niemanden als ihm gleichwertig anerkannte, hat jetzt Zeit zur melancholischen Rückschau auf ein gescheitertes Werk. Er findet auch in Lateinamerika heute keine Nachahmer mehr, sein Regime ist nirgends mehr Vorbild. Jedoch sein mit vielen Opfern und Mut verbundener Widerstand gegen die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten garantiert ihm die Hochachtung in den iberischen Ländern und in großen Teilen der Dritten Welt.
Das letzte Kapitel der Biographie heißt "Don Quijote und die Geschichte". Wie der Protagonist des großen Romans von Miguel de Cervantes kämpft auch Fidel Castro idealistisch gegen immer neue Windmühlen. Der Idealist Castro kennt allerdings im Gegensatz zu seiner literarischen Lieblingsfigur Don Quijote auch die sehr pragmatischen Tricks und Finten der alltäglichen Politik und scheut dann im Gegensatz zum Romanhelden nicht davor zurück, Böses zu tun, wenn er das für notwendig hält, um das große Ziel zu erreichen.
Das Buch von Skierka könnte zumindest im deutschen Sprachraum zum Standardwerk über Castro und die kubanische Revolution werden. Da es wie eine gute journalistische Reportage geschrieben ist, wird es zu einer angenehmen, manchmal sogar amüsanten Lektüre, ohne an Seriosität und Genauigkeit zu verlieren.
WALTER HAUBRICH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Biographie über Castro und die kubanische Revolution: Gut recherchiert und amüsant zu lesen
Volker Skierka: Fidel Castro - Eine Biographie. Kindler Verlag, Berlin 2001. 543 Seiten, 49,90 Mark.
Der alles überdauernde kubanische Revolutionär und Präsident Fidel Castro kann sich über biographische Darstellungen seiner Person nicht beklagen. Nur in Deutschland hatte sich bisher noch kein Autor mit dem Leben des Máximo Líder, des jahrzehntelangen Partei-, Regierungs- und Staatschefs, ausführlich beschäftigt. Zum 75. Geburtstag Castros liegt jetzt auch eine umfangreiche deutsche Biographie vor. Dem früheren Lateinamerika-Korrespondenten Skierka ist es gelungen, noch einiges Unbekannte über Castro und die vergangenen Jahrzehnte der kubanischen Geschichte beizutragen. Und das hat er in den Archiven der früheren DDR gefunden. Die ostdeutschen Diplomaten, Journalisten und Delegationsleiter haben fleißig an ihre Regierung berichtet; an ihren manchmal kritischen, hin und wieder auch verständnislosen Einschätzungen läßt sich viel ablesen über den jeweiligen Stand der oft schwankenden Beziehungen zwischen Kuba und den kommunistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas.
Das heutige Kuba mit seinen positiven wie auch mit seinen vielen negativen Seiten ist das Werk einer einzigen Person, des zu Recht Máximo Líder genannten Fidel Castro Ruz. Verständlich, daß Castro in den Jahren von Perestroika und Glasnost dieses eigene Werk nicht zerstören wollte und konnte. Einem spanischen Politiker sagte er zu Beginn der neunziger Jahre auf dessen Frage nach Reformen: "Ich kann mich doch nicht hinstellen und einfach sagen: Mein liebes kubanisches Volk, es tut mir leid, ich habe mich getäuscht. Eure Opfer und euer Kampf waren umsonst. Wir werden jetzt einen ganz anderen Weg einschlagen." Daß die übrige Welt jetzt einen anderen Weg geht, sei halt ein großer globaler Irrtum, mag sich Castro vielleicht gegen besseres Wissen einreden. Doch ändern wird er nichts mehr. Damit dürfte sich auf Kuba zu Lebzeiten des bärtigen Alleinherrschers nichts mehr verändern.
Über den privaten Menschen ist wenig zu erfahren, weder von ihm selbst noch von zuverlässigen Informanten. Die Kubaner wissen kaum etwas über Castro, der weit mehr als sie selbst ihr Leben bestimmt. Noch nicht einmal, wie viele Kinder er hat, ist bekannt - und daß Celia Sánchez bis zu ihrem Tod seine einflußreiche Lebensgefährtin war, wußten nur wenige seiner Landsleute. Personenkult mit aufdringlicher und öffentlicher Verehrung seiner Person hat Castro nicht zugelassen. Der außergewöhnlich beredte und früher geistreiche und amüsant plaudernde Fidel Castro spricht so gut wie nie über sich selbst.
Skierka bringt im ersten Kapitel das, was an bestätigtem Wissen über Fidel, Familie, seine Kindheit und Jugend vorliegt, und gibt dazu die nötigen Informationen über den Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien am Ende des Jahrhunderts und das mit einer falschen Beschuldigung begründete Eingreifen der Vereinigten Staaten in den spanisch-kubanischen Krieg. Kuba geriet dadurch nach dem Ausscheiden aus dem spanischen Kolonialreich unter das härtere Regime der Vereinigten Staaten, und auf der Insel nahmen die Haßgefühle gegen den großen Nachbarn aus dem Norden ständig zu. Von denen profitierte auch Castros Revolution.
Die Ausführungen über die Hinrichtung des Generals Ochoa und drei weiterer hoher Offiziere hätte man sich ausführlicher gewünscht. Der Prozeß gegen den populären, auch gegenüber den Brüdern Castro selbstbewußten und mutigen General und die Erschießungen im Morgengrauen des 13. Juli 1989 haben dem kubanischen Caudillo die letzten Sympathien bei den Demokraten der westlichen Welt gekostet.
Aufschlußreiche Einzelheiten erfährt der Leser über Castros Willen, den zunächst ausbleibenden Widerstand der nicht vorbereiteten chilenischen Linken gegen den Putsch Pinochets zu unterstützen. Castro schätzte offensichtlich die Schwäche der demokratisch gewählten chilenischen Regierung und die Gefahr eines Umsturzes durch die "Kräfte der Reaktion" viel realistischer ein als sein Freund, der chilenische Präsident Allende, und hält deshalb in der kubanischen Botschaft in Santiago Waffen für die "Mobilisierung der Volkskräfte" bereit. Nur ein kleiner Teil dieser Waffen sei an die extremistische "Bewegung der Revolutionären Linken" (MIR) gelangt, obwohl man - wie Castro in dem Gespräch mit Honecker erzählte - in dem Streit innerhalb der chilenischen Volksfront nicht dieser radikalen Partei, sondern den Kommunisten und Allende recht gab. Glaubhaft sind die Beteuerungen des kubanischen Präsidenten, daß die erfolgreiche kubanische Militäroperation in Angola "in Havanna und nicht in Moskau" entschieden wurde und die Kubaner nicht als "Gurkas des Sowjetimperiums" vorgeschickt worden seien.
Skierka gelingt, sicher auch dank der ostdeutschen Quellen, eine sehr differenzierte Darstellung der ja keineswegs kontinuierlichen Außenpolitik Havannas mit all deren Wechseln und den gelegentlichen Abweichungen vom sowjetischen Kurs. Die wichtige Rolle Spaniens in Kuba, auch nach der Unabhängigkeit der Insel, schätzt Skierka nicht richtig ein. Nur so kann man sich seine Verwunderung erklären, daß "die alte Kolonialmacht" der stärkste Wirtschaftspartner des heutigen Kuba ist. Das mehrmals verwendete Wort "Kolonialmacht" trifft das Verhältnis Spaniens zu Kuba nicht. Spanien unterhielt das gesamte 20. Jahrhundert hindurch enge Beziehungen zu Kuba. Die Spanier sind in Kuba besonders beliebt, schließlich sind ja die meisten Kubaner spanischer Herkunft.
Erfreulich ist, daß sich der Autor mit Werturteilen zurückhält. Bewertet werden aber die Taten und Entscheidungen des Máximo Líder, und ziemlich aussichtslos wird die Zukunft der kubanischen Revolution gesehen. Skierka vergleicht den alternden Castro mit dem resignierten Simón Bolívar in dem Roman "Der General in seinem Labyrinth" von García Márquez. Der Roman sei eine melancholische Reflexion auf das Scheitern einer großen Idee. Fidel Castro, im Grunde immer ein einsamer Mensch, da er niemanden als ihm gleichwertig anerkannte, hat jetzt Zeit zur melancholischen Rückschau auf ein gescheitertes Werk. Er findet auch in Lateinamerika heute keine Nachahmer mehr, sein Regime ist nirgends mehr Vorbild. Jedoch sein mit vielen Opfern und Mut verbundener Widerstand gegen die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten garantiert ihm die Hochachtung in den iberischen Ländern und in großen Teilen der Dritten Welt.
Das letzte Kapitel der Biographie heißt "Don Quijote und die Geschichte". Wie der Protagonist des großen Romans von Miguel de Cervantes kämpft auch Fidel Castro idealistisch gegen immer neue Windmühlen. Der Idealist Castro kennt allerdings im Gegensatz zu seiner literarischen Lieblingsfigur Don Quijote auch die sehr pragmatischen Tricks und Finten der alltäglichen Politik und scheut dann im Gegensatz zum Romanhelden nicht davor zurück, Böses zu tun, wenn er das für notwendig hält, um das große Ziel zu erreichen.
Das Buch von Skierka könnte zumindest im deutschen Sprachraum zum Standardwerk über Castro und die kubanische Revolution werden. Da es wie eine gute journalistische Reportage geschrieben ist, wird es zu einer angenehmen, manchmal sogar amüsanten Lektüre, ohne an Seriosität und Genauigkeit zu verlieren.
WALTER HAUBRICH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main