Die Studie untersucht anhand kulturwissenschaftlicher Theorien zum kulturellen Gedächtnis und den Ansätzen der Narrativen Psychologie Thomas Manns narrative Strategien der Identitätskonstruktion vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund des Exils. Die Korrelation zwischen Text, Autor und existentieller Fremdheitserfahrung steht dabei im Zentrum. Die Studie deutet jedoch Manns vierbändigen Josephsroman nicht, wie traditionell üblich, als monolithischen Block, sondern stellt die konzeptuelle Einheit des Romans in Frage und geht dabei über bisher geleistete zeitgeschichtliche Kontextualisierungen in zweifacher Hinsicht hinaus: Zum einen differenziert sie die einzelnen Bände als jeweils zentrale Kristallisationspunkte des sich wandelnden politischen Selbstverständnisses Manns vor und während des Exils, zum anderen bezieht sie konsequent die Exil-Tagebücher und -Briefe Manns mit ein, die explizit als gleichwertige Medien narrativer Identitätskonstruktion gelesen werden. Die Arbeit zeigt, wie persönliche Identität und öffentlich-politische Rolle Thomas Manns unter den Bedingungen des Exils in drei verschiedenen Textsorten zugleich narrativ rekonstruiert, stabilisiert und neu konstituiert werden, und welch zentrale Rolle Heimat- und Fremdheitserfahrungen, Ausgrenzungs- und Integrationsmechanismen dabei spielen.