»Er war ein seltsamer Mann ...« so lernen wir Joseph Walser kennen, einen Fabrikarbeiter in einer namenlosen Stadt. Ein stiller Mensch, dessen Leben sehr eintönig verläuft: Die endlosen Stunden vor der Maschine, die trostlose Ehe mit seiner Frau Marga, das wöchentliche Würfelspiel mit Arbeitskollegen und die Sammlung loser Metallteile, die er wie einen wertvollen Schatz hinter verschlossener Tür hegt und pflegt. Doch Walsers Routine wird gewaltsam zerstört, als feindliche Truppen die Stadt besetzen und ein kleiner Unfall an seiner geliebten Maschine für ihn verhängnisvolle Folgen hat.
Wie schon in seinem preisgekrönten Roman "Die Versehrten" lotet Gonçalo M. Tavares in Joseph Walsers Maschine die existenziellen Fragen des Lebens aus, zeigt das Individuum als Opfer einer unversöhnlichen Welt. Gonçalo M. Tavares gilt als würdiger literarischer Nachfolger von José Saramago und Antonio Lobo Antunes. Die französische Zeitung Le Figaro bezeichnete ihn als »den portugiesischen Kafka«.
Wie schon in seinem preisgekrönten Roman "Die Versehrten" lotet Gonçalo M. Tavares in Joseph Walsers Maschine die existenziellen Fragen des Lebens aus, zeigt das Individuum als Opfer einer unversöhnlichen Welt. Gonçalo M. Tavares gilt als würdiger literarischer Nachfolger von José Saramago und Antonio Lobo Antunes. Die französische Zeitung Le Figaro bezeichnete ihn als »den portugiesischen Kafka«.
"Joseph Walsers Maschine ist eine erschreckende und hypnotisierende Erzählung, erzählt in einer glasklaren Sprache, die eine düstere Vorahnung gibt, wo wir hinstreben und wozu wir werden könnten." The Millions
"Die größte Begabung Gonçalo M. Tavares liegt in seiner Fähigkeit, als Schriftsteller die Welt in kleinste Teile zu zerlegen um sie dann wieder neu aufzubauen, als handele es sich um seine eigene Kreation." Alberto Manguel
"Kritiker verschiedener Sprachen sind sich einig: Gonçalo Tavares, ein portugiesischer Kafka, schreibt Bücher von düsterer Schönheit, ein ganz außergewöhnliches Werk." WDR 3 zu "Die Versehrten"
"Die größte Begabung Gonçalo M. Tavares liegt in seiner Fähigkeit, als Schriftsteller die Welt in kleinste Teile zu zerlegen um sie dann wieder neu aufzubauen, als handele es sich um seine eigene Kreation." Alberto Manguel
"Kritiker verschiedener Sprachen sind sich einig: Gonçalo Tavares, ein portugiesischer Kafka, schreibt Bücher von düsterer Schönheit, ein ganz außergewöhnliches Werk." WDR 3 zu "Die Versehrten"
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.07.2014Das große Einmaleins der Grausamkeit
Der portugiesische Autor Gonçalo M. Tavares bewundert Kafka.
Im Roman „Joseph Walsers Maschine“ sinkt die Temperatur seiner Prosa unter den Nullpunkt
VON MICHAEL STALLKNECHT
Es herrscht Krieg in der namenlosen Stadt. Leichen bleiben auf der Straße liegen, Frauen suchen die Nähe der Besatzungssoldaten. Doch Joseph Walser nimmt den Krieg kaum wahr, bleibt wortkarg und gleichgültig. Leidenschaft bringt er nur für eine Sammlung aus Metallteilen auf, die nicht größer als zehn Zentimeter sind. Dass nur er sie berühren darf, gibt ihm das Gefühl, die Welt unter Kontrolle zu haben.
Zwei Jahre ist es her, dass die ungewöhnliche Stimme des portugiesischen Autors Gonçalo M. Tavares erstmals auf Deutsch hörbar wurde. Ebenso wie „Die Versehrten“ gehört auch der im Original bereits 2003 erschienene Roman „Joseph Walsers Maschine“ zur Tetralogie „O reino“ („Das Reich“). Musste dort ein erzrationalistischer Arzt an der Grausamkeit der Welt verzweifeln, so ist nun der Rationalist selbst der Peiniger. Joseph Walsers Vorarbeiter Klober Müller – Tavares hat ein Faible für den harten Klang deutscher Namen – vertritt nicht nur in der Theorie den Kampf aller gegen alle im Namen eines strikten Materialismus. Er beherrscht auch die Fabrik und damit die Maschine, an der Walser täglich arbeitet. Auf unergründliche Weise drängt er sich in Walsers Privatleben, macht dessen Ehefrau zu seiner Geliebten, und Walsers Freunde entpuppen sich plötzlich als Terroristen.
Man kann das notfalls als geschlossene Erzählung lesen. Besser aber, man lässt es. Den Texten des 1970 in der damaligen portugiesischen Kolonie Angola geborenen Autors eignet etwas Sprödes, experimentell Anskizziertes. Die manchmal nur eine Drittelseite langen Kapitel nähern sich dem Fragment, Marianne Gareis übersetzt sie in eine unterkühlte, fast technische Prosa. Den „portugiesischen Kafka“ haben begeisterte Rezensenten Tavares nach „Die Versehrten“ genannt. Das ist ein bisschen hoch gegriffen, doch der Bezug in Stil und Motiven ist unübersehbar.
Ähnlich wie Kafka konzipiert Tavares Parabeln, die sich der Auflösung auf beunruhigende Weise entziehen. Joseph Walser ist in einer rätselhaften Schuld gefangen, schon seine Schuhe sind in den Augen des Vorarbeiters „absolut unverantwortlich“. Was er in der Fabrik eigentlich arbeitet, erfährt man nicht. Eines Tages schneidet ihm die Maschine, schon immer ein „potenziell feindlicher Freund und ein Todfeind“, den Zeigefinger ab. Die symbolische Deutung als Kastration ist da schnell bei der Hand, zumal Walser fast gleichzeitig die Ehefrau verliert. Doch sie führt zu nichts. Der Krieg selbst erscheint nur als Folie, deren Details bisweilen bedrängend herangezoomt werden. Aber er dient weder der moralisierenden Warnung noch einer Ästhetik der Grausamkeit. Tavares schreibt zugleich überkonkret und abstrakt, im Detail hyperrealistisch und albtraumhaft in der Logik. Der Blick bleibt so kühl wie der der Hauptfigur, die „kein Macher, sondern nur Zuschauer sein“ will. Joseph Walser empfindet selbst den eigenen Körper zunehmend als Maschine, während umgekehrt die Maschinen oft als Wesen mit eigenem Willen erscheinen. Die Absurdität seiner Metallteilsammlung ist ihm vollkommen bewusst.
Ein solches Ausmaß an Entfremdung erinnert von ferne an den existenzialistischen Roman, mit dem Tavares den philosophischen Hintergrund teilt. Im Brotberuf lehrt er Erkenntnistheorie an der Universität Lissabon, was auch die in den Roman eingestreuten philosophischen Reflexionen erklärt. Dass sie oft in raunendende Allgemeinplätze entgleiten, mag Absicht sein oder nicht. Es bekräftigt so oder so, dass sich die Untiefen der Unmenschlichkeit und die absolute Grausamkeit mit den Mitteln der Philosophie nicht mehr erfassen lassen. Die Welt in Sentenzen zu kleiden, erscheint als ebenso interessant und sinnlos, wie ihr mit kleinen Metallteilen zu begegnen. Tavares scheint mit seinen Romanen an einer Metaphysik zu werkeln, für die Gott wahrscheinlich tot ist, das Böse aber in einem durchaus absoluten Sinne überlebt hat. Dem Buch ist ein Satz von Hans Christian Andersen vorangestellt: „Er wollte sein Vaterunser beten, aber er konnte sich nur des großen Einmaleins entsinnen.“
Am Ende hängen aus diesem Roman ein paar Deutungsenden zu viel heraus, die konstruktive Dichte des Vorgängers erreicht „Joseph Walsers Maschine“ nicht. Doch da derzeit die glatt erzählten Romane mit eher privatem Rahmen vorherrschen, bleibt Tavares‘ experimenteller Weltzugriff allemal der Beachtung wert.
Gonçalo M. Tavares:
Joseph Walsers Maschine.
Roman. Aus dem Portugiesischen von Marianne Gareis. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014. 171 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 15,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Der portugiesische Autor Gonçalo M. Tavares bewundert Kafka.
Im Roman „Joseph Walsers Maschine“ sinkt die Temperatur seiner Prosa unter den Nullpunkt
VON MICHAEL STALLKNECHT
Es herrscht Krieg in der namenlosen Stadt. Leichen bleiben auf der Straße liegen, Frauen suchen die Nähe der Besatzungssoldaten. Doch Joseph Walser nimmt den Krieg kaum wahr, bleibt wortkarg und gleichgültig. Leidenschaft bringt er nur für eine Sammlung aus Metallteilen auf, die nicht größer als zehn Zentimeter sind. Dass nur er sie berühren darf, gibt ihm das Gefühl, die Welt unter Kontrolle zu haben.
Zwei Jahre ist es her, dass die ungewöhnliche Stimme des portugiesischen Autors Gonçalo M. Tavares erstmals auf Deutsch hörbar wurde. Ebenso wie „Die Versehrten“ gehört auch der im Original bereits 2003 erschienene Roman „Joseph Walsers Maschine“ zur Tetralogie „O reino“ („Das Reich“). Musste dort ein erzrationalistischer Arzt an der Grausamkeit der Welt verzweifeln, so ist nun der Rationalist selbst der Peiniger. Joseph Walsers Vorarbeiter Klober Müller – Tavares hat ein Faible für den harten Klang deutscher Namen – vertritt nicht nur in der Theorie den Kampf aller gegen alle im Namen eines strikten Materialismus. Er beherrscht auch die Fabrik und damit die Maschine, an der Walser täglich arbeitet. Auf unergründliche Weise drängt er sich in Walsers Privatleben, macht dessen Ehefrau zu seiner Geliebten, und Walsers Freunde entpuppen sich plötzlich als Terroristen.
Man kann das notfalls als geschlossene Erzählung lesen. Besser aber, man lässt es. Den Texten des 1970 in der damaligen portugiesischen Kolonie Angola geborenen Autors eignet etwas Sprödes, experimentell Anskizziertes. Die manchmal nur eine Drittelseite langen Kapitel nähern sich dem Fragment, Marianne Gareis übersetzt sie in eine unterkühlte, fast technische Prosa. Den „portugiesischen Kafka“ haben begeisterte Rezensenten Tavares nach „Die Versehrten“ genannt. Das ist ein bisschen hoch gegriffen, doch der Bezug in Stil und Motiven ist unübersehbar.
Ähnlich wie Kafka konzipiert Tavares Parabeln, die sich der Auflösung auf beunruhigende Weise entziehen. Joseph Walser ist in einer rätselhaften Schuld gefangen, schon seine Schuhe sind in den Augen des Vorarbeiters „absolut unverantwortlich“. Was er in der Fabrik eigentlich arbeitet, erfährt man nicht. Eines Tages schneidet ihm die Maschine, schon immer ein „potenziell feindlicher Freund und ein Todfeind“, den Zeigefinger ab. Die symbolische Deutung als Kastration ist da schnell bei der Hand, zumal Walser fast gleichzeitig die Ehefrau verliert. Doch sie führt zu nichts. Der Krieg selbst erscheint nur als Folie, deren Details bisweilen bedrängend herangezoomt werden. Aber er dient weder der moralisierenden Warnung noch einer Ästhetik der Grausamkeit. Tavares schreibt zugleich überkonkret und abstrakt, im Detail hyperrealistisch und albtraumhaft in der Logik. Der Blick bleibt so kühl wie der der Hauptfigur, die „kein Macher, sondern nur Zuschauer sein“ will. Joseph Walser empfindet selbst den eigenen Körper zunehmend als Maschine, während umgekehrt die Maschinen oft als Wesen mit eigenem Willen erscheinen. Die Absurdität seiner Metallteilsammlung ist ihm vollkommen bewusst.
Ein solches Ausmaß an Entfremdung erinnert von ferne an den existenzialistischen Roman, mit dem Tavares den philosophischen Hintergrund teilt. Im Brotberuf lehrt er Erkenntnistheorie an der Universität Lissabon, was auch die in den Roman eingestreuten philosophischen Reflexionen erklärt. Dass sie oft in raunendende Allgemeinplätze entgleiten, mag Absicht sein oder nicht. Es bekräftigt so oder so, dass sich die Untiefen der Unmenschlichkeit und die absolute Grausamkeit mit den Mitteln der Philosophie nicht mehr erfassen lassen. Die Welt in Sentenzen zu kleiden, erscheint als ebenso interessant und sinnlos, wie ihr mit kleinen Metallteilen zu begegnen. Tavares scheint mit seinen Romanen an einer Metaphysik zu werkeln, für die Gott wahrscheinlich tot ist, das Böse aber in einem durchaus absoluten Sinne überlebt hat. Dem Buch ist ein Satz von Hans Christian Andersen vorangestellt: „Er wollte sein Vaterunser beten, aber er konnte sich nur des großen Einmaleins entsinnen.“
Am Ende hängen aus diesem Roman ein paar Deutungsenden zu viel heraus, die konstruktive Dichte des Vorgängers erreicht „Joseph Walsers Maschine“ nicht. Doch da derzeit die glatt erzählten Romane mit eher privatem Rahmen vorherrschen, bleibt Tavares‘ experimenteller Weltzugriff allemal der Beachtung wert.
Gonçalo M. Tavares:
Joseph Walsers Maschine.
Roman. Aus dem Portugiesischen von Marianne Gareis. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014. 171 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 15,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Ist dieser Autor am Ende genial?, fragt sich Judith von Sternburg, die Gonçalo M. Tavares' kleinen Roman durchaus mit Kafka verglichen wissen möchte. Schon aufgrund seiner Konkretheit, seiner Zeitlosigkeit und seiner beunruhigenden Doppelbödigkeit wegen erscheint ihr der Roman großartig. Am meisten jedoch beeindrucken Sternburg die wunderbaren Beobachtungen, Momente des Parabelhaften und überraschenden, ins Leere laufenden Volten, die der Autor in die Geschichte über den bedeutungsvollen Maschinenbauer Joseph Walser einbaut und die laut Rezensentin die erzählerische Ruhe und Ökonomie des Textes auf unerwartetete Weise unterlaufen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ähnlich wie Kafka konzipiert Tavares Parabeln, die sich der Auflösung auf beunruhigende Weise entziehen.« Süddeutsche Zeitung, 7.7.2014