Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs macht der reiche Fabrikant Jossel Wassermann sein Testament. In seiner Villa am Zürichsee sitzt er mit einem Anwalt und einem Notar zusammen und er beginnt, von dem kleinen jüdischen Schtetl zu erzählen, aus dem er kommt. Er erzählt Geschichten, eine nach der anderen, Geschichten, die kein Ende zu nehmen scheinen, und deren grausames Ende doch schon beschlossen ist...
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Ein wenig verstört, aber dafür sehr beglückt scheint Rezensent Jan Süselbeck von Edgar Hilsenraths Bukowina-Roman. Hilsenrath erzähle von der Deportation gen Osten eines polnisch-jüdischen Dorfes - das jedoch in einem Ton, den man schon "merkwürdig inadäquat" nennen müsse, so "märchenhaft" und "fast begütigend" komme er daher. Was Hilsenrath umtreibe, sei das zum Leben zu erwecken, was symbolisch vom Schnee verwischt werde: die Spuren des Zuges, und mit ihnen die Geschichten jener, die mit ihm fortgehen. Und diese Geschichten, so Süselbeck, lässt Hilsenrath als Personen im letzten Wagon mitfahren und stets die Ereignisse kommentieren, als Chor der "Quasselstimmen". Doch auch die Deportierten sprechen. Sie erzählen, erklären ihre jahrhundertealte Geschichte mit all den vergangenen Katastrophen (die als Orakel fungieren) und nicht zuletzt liefern sie einen Blick auf das Christentum, an dem sich der Rezensent nicht hat sattlesen können. Weder daran, noch an dem "Paradoxon", dass der Überlebende Jossel Wassermann diese Geschichte vor seinem Tod als Vermächtnis diktiert, auf dass der Thoraschreiber seines Dorfes sie niederschreibe und aufbewahre - doch vergeblich, denn der Thoraschreiber hat nicht überlebt. Nicht so schlimm, so der verzauberte Rezensent abschließend, denn Edgar Hilsenrath hat sie aufgeschrieben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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