Nicolaus Sombarts »Journal intime 1982/83, Rückkehr nach Berlin« ist das Schlusskapitel seiner überaus erfolgreichen Memoiren und eine Hommage an ein intellektuelles Berlin, dessen gesellschaftliches Leben sich wieder zu formieren versucht. Sombart betrachtet diese ersten Schritte seines Eintritts in eine neue Lebensphase mit Selbstironie und fühlt sich gleichzeitig als verantwortlicher Protagonist einer kulturellen Aufbruchsbewegung. Anlässlich der Feierlichkeiten zu seinem 60. Geburtstag zelebriert er Selbstinszenierungen, die in die vielfältige Thematik einer neuen Schaffensperiode weisen. Vor dem aufmerksamen Leser lüftet die Maske ein wenig und verrät etwas von der leisen Tragik einer intellektuellen Existenz, die immer darum bemüht ist, nicht den Anschluss an das konkrete Leben zu verlieren. Der Rückblick auf seine vie expérimentale wird zum Bildungstagebuch, das mit spielerischem Ernst erotische und intellektuelle Abenteuer entfaltet. Sein utopisches Projekt der sexuellen Befreiung von Frau und Mann feiert einen Höhepunkt: die vorbildhafte Selbstverwirklichung einer erotischen Lebensgestaltung führt ihn in sentimentale Verstrickungen und frivole Situationen.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Nicolaus Sombart war ein Lebemann, der es schaffte, im ärmlichen West-Berlin der frühen Achtziger eine gewisse Aura als Sohn von Werner Sombart um sich verbreiten und der im Smog der Ofenheizungen, der aus Ost-Berlin herüberwehte, als eine Figur von besonderer Farbigkeit hervorstach. Einige Feuilletonisten, die heute selber kurz vor der Rente stehen, bewundern ihn bis heute. Und das liegt an Sombarts allesamt autobiografischen Büchern, die es offenbar irgendwie doch schafften, ein Bild der Gesellschaft zu geben, in der Sombart lebte und die damit auch an den Vater anknüpften. Thomas E. Schmidt liefert in der Zeit ein liebevolles Porträt des Autors. Als Sombarts wichtigstes Buch empfiehlt er das "Journal intime", das die Zeit Sombarts am Berliner Wissenschaftskolleg 1982/32 protokolliert, das aber zuerst 2003 erschien. Das "Capriccio Nr. 1" scheint nur für wirkliche Liebhaber dieser schillernden Figur von Interesse zu sein, große Literatur ist es selbst aus Sicht des Fans Schmidt nicht. Es schildert das Innenleben eines Wehrmachtssoldaten, der sich beim Wachehalten in Frankreich langweilt und sich am Ende zur Desertion entschließt. Das Buch liefert für Schmidt trotz seiner Schwächen ein interessantes Schlaglicht auf die "Trümmer- und Nullpunktliteratur aus dem kalten Winter 1946/47". Das Buch dokumentiert für Schmidt auch die Nachkriegswende Sombarts, denn bis 1945 war er wohl eher das Söhnchen aus reaktionärem bis nazi-nahem Milieu, das mit Carl Schmitt Waldspaziergänge machte, erst nach 1945, so Schmidt, wurde er zum "glühenden Bewunderer des Westlichen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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