Wie wurden Jüdinnen und Juden vor Gericht behandelt und welche Handlungsspielräume hatten sie?Die Strafjustiz des ausgehenden Alten Reiches und der napoleonischen Ära war kein gezieltes Instrument der Diskriminierung und Repression von Jüdinnen und Juden. Sie diente jedoch auch nicht nur als Instrument zur Konfliktbearbeitung, unabhängig von Minderheiten-, Aufenthaltsstatus, Stand, Geschlecht und Ehrvermögen. Dies zeigt Vera Kallenberg am Beispiel der Reichsstadt Frankfurt am Main mit ihrem jüdischen Ghetto, der »Judengasse«, und vor dem Hintergrund der Umbrüche um 1800. Die Reformvorhaben in dieser Zeit zielten auf die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden sowie auf eine Reform der Strafjustiz und der Gerichtsbarkeit. Die Autorin untersucht anhand von detaillierten Fallanalysen erstmals systematisch, wie sich der rechtliche Sonderstatus der Juden sowie antijüdische Etikettierungen auf ihre Behandlung und Handlungsmöglichkeiten vor dem Strafgericht der christlichen Obrigkeiten auswirkten. Im Ergebnis erweist sich die Übergangsphase zwischen Spätaufklärung und dem Ende der napoleonischen Ära aus der Perspektive der jüdischen Minderheit als äußerst ambivalent. Vera Kallenberg macht die Widersprüche und Ungleichzeitigkeiten sichtbar, die die deutsch-jüdische Geschichte in diesem Zeitraum durchzogen.Ausgezeichnet mit dem Arno Lustiger Preis im Rahmen des Rosl- und Paul Arnsbergpreises.