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Dieser Band versammelt einen Großteil der weltweit renommiertesten Fachleute, die sich mit den Errungenschaften und Perspektiven jüdischer Geschichtsschreibung zu Beginn des 21. Jahrhunderts auseinandersetzen. Ausgehend von sechs Themen - Objektivität und Ideologie, Erinnerungsdiskurs, Religion und Modernisierung, Frauengeschichte, Zionismus und Holocaust -, bringen Historiker unterschiedlicher Fachrichtungen und Generationen dem deutschsprachigen Publikum den internationalen Forschungsstand nahe und regen neue Fragestellungen an. Damit zeigen sie die Vielfalt jüdischer Geschichte und…mehr

Produktbeschreibung
Dieser Band versammelt einen Großteil der weltweit renommiertesten Fachleute, die sich mit den Errungenschaften und Perspektiven jüdischer Geschichtsschreibung zu Beginn des 21. Jahrhunderts auseinandersetzen. Ausgehend von sechs Themen - Objektivität und Ideologie, Erinnerungsdiskurs, Religion und Modernisierung, Frauengeschichte, Zionismus und Holocaust -, bringen Historiker unterschiedlicher Fachrichtungen und Generationen dem deutschsprachigen Publikum den internationalen Forschungsstand nahe und regen neue Fragestellungen an. Damit zeigen sie die Vielfalt jüdischer Geschichte und Geschichtsschreibung auf und stellen erstmals umfassend die Perspektiven dieses expandierenden Forschungsgebiets vor.

Die Autoren:
Jan Assmann (Heidelberg), Rogers Brubaker (Los Angeles), Dan Diner (Beer Sheva/Leipzig), Shmuel Feiner (Bar Ilan), Ute Frevert (Bielefeld), Saul Friedländer (Los Angeles), Friedrich Wilhelm Graf (München), George Iggers (Buffalo), Ulrich Herbert (Freiburg i.Br.), Susannah Heschel (Dartmouth), Paula Hyman (Yale), Steven M. Lowenstein (Los Angeles), Michael A. Meyer (Cincinnati), Amnon Raz-Krakotzkin (Beer Sheva), Yfaat Weiss (Haifa), Yosef Hayim Yerushalmi (New York)
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Autorenporträt
Dr. Michael Brenner, geb. 1964 in Weiden/Opf., ist o. Professor für Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwigs-Maximilians-Universität München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2002

Der dritte Mann
Meisternarrativ gesucht: Zum Stand jüdischer Geschichtsschreibung

Die jüdische Geschichte wirft Fragen von erstaunlicher Komplexität auf. Wer sind die Juden? Hat Moses sie geschaffen, als er ihnen am Sinai die göttliche Lehre brachte? Sind sie auch heute noch, über dreitausend Jahre danach, mit den Kindern Israel in der Bibel identisch? Hat, nach der Deutung der Orthodoxen, ihre Thora sie im Exil vor dem Untergang bewahrt? Oder hat, wie eine Sage des christlichen Mittelalters es will, der Fluch über den Gottesmördern sie zu "ewigen" Juden gemacht?

Vor zwei Jahren trafen sich Historiker aus Europa, Israel und den Vereinigten Staaten, um auf Schloß Elmau über jüdische Geschichtsschreibung in der Gegenwart zu diskutieren (F.A.Z. vom 27. Juli 2000). Damit war die sakrale Zeit, die diesen Fragen ihre Tiefe verleiht, methodisch zwar ausgeblendet, aber auch der Rahmen einer säkularen Fachdisziplin kann das Feld nicht wirklich eingrenzen. Das macht jetzt der von Michael Brenner und David N. Myers hervorragend edierte Tagungsband sichtbar, der die Diskussionen dokumentiert. In sechs Kapiteln stellt er einige der Gegensätze vor, die diesen Forschungsbereich polarisieren.

In einem der Kapitel - "Religion und Modernisierung" - wird die Grenzlinie zwischen sakralem und historischem Selbstverständnis thematisiert. Der Israeli Shmuel Feiner, der an der religiösen Universität Bar Ilan lehrt, stellt den Eintritt der Juden in die Neuzeit als einen traumatischen Kulturschock dar. Er führt zehn historische Werke an, die ihm als orthodoxen Juden geholfen haben, den schwierigen Weg nachzuvollziehen, und er macht auf den Schmerz aufmerksam, der überall in den Quellen aus dem achtzehnten Jahrhundert anklingt.

Gelassener sieht es Steven M. Lowenstein aus Los Angeles. Als amerikanischer Jude ist ihm die Moderne eine Selbstverständlichkeit, und als Vertreter einer religiösen Minderheit ist er zu Kompromissen bereit, die er in einer pluralistischen Gesellschaft auch von der christlichen Mehrheit erwartet. Vollends objektiviert der Münchner Theologe Friedrich Wilhelm Graf schließlich das Thema. Sein Forschungsgebiet ist der deutsche liberale Kulturprotestantismus, und er schlägt vor, die Fragen der Modernisierung komparatistisch zu behandeln, um nicht den eigenen Vorurteilen ins Netz zu gehen.

Diese Anordnung strukturiert alle Kapitel: Jeweils drei Vorträge zu einem vorgegebenen Thema nähern sich ihrem Gegenstand aus wachsender Distanz. Ein jüngerer Referent hält den einleitenden Vortrag, ein älterer Kollege antwortet auf seine Thesen. Ein Dritter, der kein Fachmann für jüdische Geschichte ist und zumeist auch kein Jude, kommentiert seine beiden Vorgänger.

Die amerikanische Judaistin Susannah Heschel befreit in ihrer Gegenüberstellung von jüdischer Geschichte und Frauengeschichte die Jüdinnen aus dem feministischen Muster von Opfern und Heldinnen, Paula Hyman von der Yale University zeigt die theoretischen Grenzen der Gender-Studien auf, und Ute Frevert gibt einen historischen Überblick zur Geschlechtergeschichte.

Im Kapitel "Zionismus und Nationalismus" stellt Amnon Raz-Krakotzkin aus Beerschewa eine provokante These der Schule vor, die man in Israel die Neuen Historiker nennt. Er zeigt, wie die zionistische Historiographie systematisch alle nichtjüdischen Aspekte der Landesgeschichte ausgeblendet hat. Dan Diner aus Jerusalem fügt hinzu, daß das nationale Selbstverständnis der Juden nicht im emanzipatorischen Westen, sondern im traditionelleren Osteuropa entstanden ist; und daß sich in diesem Geschichtsbild bis auf den heutigen Tag sakrale und säkulare Elemente die Waage halten. Als Dritter erweitert der Soziologe Rogers Brubaker aus Los Angeles wieder den Rahmen und gibt zu bedenken, daß sich in allen Nationalgeschichten sakrale Mythen finden.

Am Thema des Zionismus wird deutlich, wie schwierig es ist, die "jüdische" Geschichte auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Ursprünglich hatte das sakrale Selbstverständnis der Juden ihre Rückkehr aus dem Exil auf messianische Zeiten verschoben. Erst mit dem Holocaust und der bald darauf folgenden Staatsgründung hatte man diese Vorbedingung aufgegeben - aber sind die Israelis und die Juden in der Diaspora noch immer miteinander identisch, gehören sie zu der gleichen "Nation"? Kompliziert wird die Frage durch die Tatsache, daß es im Judenstaat eine große nichtjüdische Minderheit gibt (von den besetzten Gebieten ganz zu schweigen). Nicht nur das Geschichtsbild der Juden, sondern auch ihre Identität ist gespaltener denn je.

Im Kapitel "Ideologie und Objektivität" zweifelt Michael Brenner aus München an der Möglichkeit, heute die Geschichte der Juden zu schreiben, wie es noch im neunzehnten Jahrhundert, der Blütezeit der Nationalgeschichten, Heinrich Graetz versucht hat. Seine Nachfolger Simon Dubnow und Salo Baron sind mit ähnlichen Projekten bald in Schwierigkeiten geraten, und an einer Reihe innerjüdischer Kontroversen zeigt Brenner den Verlust eines Meisternarrativs für unsere Gegenwart auf. Michael A. Meyer aus Cincinnati pflichtet ihm bei und spitzt die Dichotomien auf die Unvereinbarkeit von israelischer und jüdischer Geschichte zu. George G. Iggers aus New York rundet die Diskussion ab, indem er nach einer nicht mehr rekonstruierbaren Identität fragt, ohne die es keine Geschichte geben kann.

Das Kapitel ist aufschlußreich, da Meyer und Brenner vor einigen Jahren ihren eigenen Versuch eines Meisternarrativs unternommen haben - als Herausgeber und Mitautoren einer von einem internationalen Forscherteam geschriebenen vierbändigen Geschichte des deutschen Judentums (F.A.Z. vom 12. Februar 1997). Die Erfahrungen damit sind zweifellos in ihre gegenwärtige Skepsis eingegangen und führen zum entscheidenden Schnittpunkt des Bandes: zum Gegensatz von Moderne und Postmoderne. Mit dem Eintritt der Juden in die deutsche Kultur begann, was die Tel Aviver Historikerin Shulamit Volkov das jüdische Projekt der Moderne genannt hat; mit dem katastrophalen Scheitern ihrer Akkulturation sind auch die Prämissen dieses Projektes untergegangen - im Sinnverlust der Postmoderne.

Im Kapitel "Geschichte und Gedächtnis" stellt David N. Myers die Behauptung auf, erst in jüngster Zeit sei die Selbstreflexion zu einem Werkzeug des jüdischen Historikers geworden. Diesen Wandel begründet er mit dem "linguistic turn", den die Geschichtswissenschaft genommen habe: Man unterscheide heute zwischen den Ereignissen der Vergangenheit und dem Text, den der Historiker über sie schreibe; zuletzt erwachse dieser Text nicht aus den scheinbar objektiven Tatsachen der Vergangenheit, sondern aus der Subjektivität des Schreibenden. Auch das neue Interesse an der Geschichte der jüdischen Historiographie stamme aus diesem Zwiespalt, und die Forscher würden sich in wachsendem Maße der Zeitgebundenheit ihres Standpunkts bewußt. Als Zeugen nennt er Yosef Hayim Yerushalmi aus New York, dessen berühmtes Buch Zachor die Epoche der Selbstreflexion mit eingeleitet habe.

In seiner Antwort läßt Yerushalmi sich freilich nicht als ein Vorläufer der Postmoderne vereinnahmen. Ihrem "linguistic turn" steht er skeptisch gegenüber, und er glaubt noch immer an die objektive Überprüfbarkeit historischer Quellen. Daß man sich erst jetzt mit der Geschichte der jüdischen Historiographie befasse, liege an der Tatsache, daß sie eine noch verhältnismäßig junge Disziplin sei.

Yerushalmi mag es nicht so sehen, aber es ist ein Generationskonflikt jüdischer Historiker, den wir hier vor uns haben. In dieser Situation macht der dritte Referent - Jan Assmann, Ägyptologe und Nichtjude - das Beste aus seiner Situation: Er hält sich aus dem Streit heraus. Assmann stellt fest, daß jüdische Geschichtsschreibung nicht erst seit der Krise der Moderne, sondern schon seit den Tagen des Deuteronomiums ihren Ursprung in Katastrophenerfahrungen hat; und dann geht er auch in anderen Kulturen der Antike, in Ägypten und Mesopotamien, der Verknüpfung von Historiographie und Diskontinuität nach.

Die Tagung fand in englischer Sprache statt, und das letzte Kapitel - "Der Holocaust und historisches Denken" - zeigt an, warum es gut war, die Diskussionen ins Deutsche zu übersetzen. Yfaat Weiß aus Haifa klagt die von der Historikerzunft oft zurückgewiesene Zeugenschaft der Opfer ein, Ulrich Herbert aus Freiburg beharrt auf seiner professionellen Pflicht, die deutsche Seite der Ereignisse zu erforschen. Das Schlußwort hat Saul Friedländer, dessen Briefwechsel mit Martin Broszat einst die Debatte über Opfer- und Täterperspektiven in der Holocaustforschung eingeleitet hat. Hier klingen, schreibt er, "alte Kontroversen an - scharfsinnig, klug und kraftvoll umformuliert von einer neuen Generation von Historikern." Doch die Standpunkte nähern sich nicht an, sie bleiben unlösbar verkoppelt und zugleich getrennt.

JAKOB HESSING

Michael Brenner, David N. Myers (Hrsg.): "Jüdische Geschichtsschreibung heute". Themen, Positionen, Kontroversen. Ein Schloß Elmau-Symposion. Verlag C. H. Beck, München 2002. 308 S., br., 36,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.06.2002

Vergangenheitskonstrukt
Ein Sammelband ergründet die jüdische Geschichtsschreibung
Jüdische Geschichtsschreibung ist heute nicht mehr eine rein jüdische Domäne. Obwohl es zunächst ausschließlich jüdische Historiker waren, die gegen den Widerstand antisemitischer Historiker wie Treitschke die jüdische Geschichte zu einem eigenen Bereich der Geschichtswissenschaft machten, erforschen heute zahlreiche nichtjüdische Historiker die jüdische Geschichte. Auch das Verständnis von jüdischer Geschichte hat sich stark gewandelt. Als „jüdische Geschichte” wurde seit den Anfängen der Wissenschaft des Judentums um 1820 nicht mehr nur die Geschichte des Judentums als Religion verstanden, sondern fortan vor allem die „Geschichte der Juden” (Heinrich Graetz). Hier schließt der von Michael Brenner und David N. Myers herausgegebene Sammelband an: Seine Beiträge diskutieren, mit welchen inhaltlichen und methodischen Prämissen die profane Geschichte der Juden und Jüdinnen heute analysiert wird. Die jüdische Religionsgeschichte, die sich im 20. Jahrhundert besonders durch Gershom Scholem stark verändert hat, bleibt hingegen fast gänzlich außen vor.
Dennoch ist das Konzept überzeugend: Die Themen, Positionen und Kontroversen in wichtigen Feldern aktueller jüdischer Historiographie werden systematisch mit Trends und Entwicklungen der Geschichtswissenschaft im allgemeinen konfrontiert und so auch aus der Außenperspektive in den Blick genommen. Schon dadurch wird evident, dass die Geschichte der Juden heute nicht mehr wie einst idealistisch als Ausfaltung einer religiösen Idee und nicht mehr zionistisch als die rein immanente Entwicklung des jüdischen Volkes gemäß seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten, Ereignissen und inneren Kräften geschrieben werden kann.
Moderne Liebe zur Tradition
Die jüdische Geschichte wird vielmehr als eine Geschichte der Wechselbeziehungen von Juden und Nichtjuden an verschiedenen Orten und in verschiedenen, oft nicht deckungsgleichen Epochen gesehen. In eine wissenschaftlich ebenso notwendige wie naheliegende Wechselbeziehung bringt der Band darum historiographische Ansätze zur Erforschung der jüdischen Geschichte mit Ansätzen zur europäischen Geschichte aus den letzten vier Jahrzehnten.
Der Erkenntnis von der Pluralität jüdischer Geschichten trägt der erste Teil Rechnung, dessen Beiträge den Zerfall der epochalen historischen Großkonstruktionen und „Meisternarrative” der jüdischen Geschichte thematisieren, der in der modischen Skepsis heutiger Geschichtswissenschaft gegen Geschichtsphilosophie, historischen Materialismus oder universalgeschichtliche Konstruktionen sein Pendant hat. Beeindruckend im „Geschichte und Gedächtnis” betitelten zweiten Teil ist Yosef Hayim Yerushalmis Zurückweisung der Inanspruchnahme seines epochemachenden Werks „Zachor” für eine allzu allgemeine postmoderne Abfertigung der des Positivismus verdächtigten jüdischen Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts, der Myers ihre vermeintlich mangelnde erkenntnistheoretische und weltanschauliche Selbstreflexion vorhält.
Weitgehende Übereinstimmung zeichnet sich im dritten Teil darüber ab, dass Judentum und christliche Konfessionen komparatistisch erforscht werden müssen. Eine rein innerjüdische oder rein kirchengeschichtliche Perspektive verkennt die Gemeinsamkeiten. Mit Konzepten wie jüdischer „Assimilation” oder christlicher „Säkularisierung” lassen sich die religiösen und bürgerlichen Modernisierungsprozesse nur unzureichend beschreiben. Auch sind die Transformationsprozesse der religiösen Traditionen an der Schwelle der Moderne nicht generell mit dichotomischen Kategorien wie „Bruch” oder „Krise” beschreiben. Die scheinbar unverrückbaren religiösen Traditionen reagieren mit Veränderungen auf die Herausforderungen von Moderne und bürgerlicher Gesellschaft. Dabei bestehen Parallelen zwischen jüdischer Aufklärung und protestantischer Neologie im 18. Jahrhundert, sowie zwischen jüdischer Neo- Orthodoxie, Neu-Luthertum und katholischem Neo-Thomismus im 19. Jahrhundert, die gerade wegen ihres Rekurses auf religiöse Traditionen als spezifisch moderne Reaktionen auf die Moderne gelten müssen.
Ute Freverts Rück- und Ausblick auf die Geschlechtergeschichte der letzten 30 Jahre im vierten Teil zeigt, dass die jüdische Historiographie hier, abgesehen von nordamerikanischen Ausnahmen wie Paula Hyman, Susannah Heschel, David Biale oder Marion Kaplan, Nachholbedarf hat. Ausgelöst von Ansätzen der „postcolonial studies” tobte Mitte der 1990er Jahre in Israel ein Historikerstreit um die Frage, ob der Zionismus als verspätetes Produkt des Nationalismus im 19. Jahrhundert und als Spielart des europäischen Kolonialismus interpretiert werden muss. Hierzu eröffnet der vorliegende Band in seinem fünften Teil keine neue Perspektive, obwohl unter seinen Autoren Einverständnis herrscht, dass die immanentistische zionistische Historiographie der „Jerusalemer Schule” um Ben-Zion Dinur und Jitzchak Fritz Baer der Vergangenheit angehört.
Kaum Einigkeit herrscht hingegen in der Einschätzung der Holocaust- Forschung. Hier gibt es manifeste methodische Unterschiede zwischen jüdischen und nichtjüdischen Historikern, zwischen der nordamerikanischen, der deutschen und der israelischen Holocaust-Forschung, zwischen ideologie-, sozial- und alltagsgeschichtlichen Ansätzen, zwischen Täter- und Opferforschung. Zu erkennen, dass diese Unterschiede sich verschiedenen Interessenlagen, wissenschaftlichen „Schulen” und allemal der jeweiligen nationalen und familiären Betroffenheit der Forscher selbst verdanken, scheint eine Banalität zu sein. Wichtig aber ist es, dies als Problem ins Bewusstsein zu heben. Wenn methodisches Problembewusstsein ein Indiz für gute Wissenschaft ist, kann jüdische Geschichtsschreibung sich heute sehen lassen. Einige ihrer führenden Vertreter sind in diesem Band versammelt.
CHRISTOPH SCHULTE
MICHAEL BRENNER, DAVID MYERS (Herausgeber): Jüdische Geschichtsschreibung heute. Themen, Positionen, Kontroversen. C. H. Beck Verlag, München 2002. 308 Seiten, 36,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jüdische Geschichtsschreibung ist heute, stellt Christoph Schulte fest, nicht länger eine "jüdische Domäne", sondern wird auch von nicht-jüdischen Historikern erforscht und ist auch schon lange nicht mehr allein auf die Geschichte der jüdischen Religion, sondern auch auf die Geschichte der Juden ausgerichtet. Das zeigt auch der vorliegende Sammelband, so der Rezensent. Dessen Konzept findet Schulte "überzeugend". "Systematisch" werden hier Themen, Positionen und Kontroversen der gegenwärtigen Geschichtsschreibung miteinander konfrontiert und mit der notwendigen Distanz gewürdigt, erkennt der Rezensent an, der in seiner Besprechung des weiteren sehr detailliert auf die einzelnen Aufsätze dieses Sammelbandes eingeht.

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